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Die Landschaften und Kreaturen, die der Hamburger Künstler Thorsten Brinkmann in der Ausstellung versammelt, spielen diesmal in ungewohnt düsterer Manier mit den klassischen Kunstgattungen Stillleben, Landschaft und Skulptur. Dabei entwirft er mit Fundstücken vom Flohmarkt, Sperrmüll oder Schrottplatz stimmungsvolle Naturszenarien, die, gattungsübergreifend, alltägliche Dinge, Möbelteile, Behältnisse oder Gefäße im Sinne einer geheimnisvollen Narration harmonisch miteinander verknüpfen. Auf Pogonia (2016) wähnt man sich in einem exotischen, bläulich schimmerndem Wald. Geschwungene Stuhlbeine und Glasvasen kombiniert mit kurvig zugesägten Holzplatten, wachsen sich auf der Fotografie zu allerlei Bäumen und Pflanzen aus. Gluno (2016) hingegen zeigt eine Hügellandschaft aus Gegenständen in unterschiedlichen Brauntönen, wie einer abgewetzten Ledertasche, Stuhllehne und weiteren Möbeln aus Holz, die mit virtuosem Verve stimmig ineinander verschachtelt wurden. In zwei neu entstandenen Vitrinenarbeiten (2017) führt Brinkmann die zweidimensionalen Landschaften in eine räumliche Dimension über. Mit Dingen, die eher dem Innenraum entstammen, entwirft er Außenwelten, die je nach Perspektive unterschiedliche Deutungen zulassen. Anders als die Fotografien ermöglichen sie Rückschlüsse auf die verwendeten Materialien und ihre Verarbeitung. Auch die beleuchteten Tonnen (2017), zusammengesetzt aus Schrankwandteilen, stellen eine skurrile dreidimensionale Bilderwelt zur Schau, eine Anspielung auf die üblich Nutzung dieses Möbelstücks zur Aufbewahrung von allerlei dekorativen Objekten. Für seine gleichermaßen mehrdeutigen, wie humorvollen Werk- und Ausstellungstitel bekannt, dreht Brinkmann auch diesmal mit der Bezeichnung PARADIECLIPSE am Rad assoziativer Möglichkeiten. So rekurriert der Verweis auf den Garten Eden hier auf jenen Sehnsuchtsort, dem seit Anfang des 19. Jahrhunderts in unzähligen Gedichten, Märchen und Sagen der Romantik gehuldigt wurde – dem „Deutschen Wald“, welcher u.a. durch das zum Nationalmythos stilisierte Nibelungenlied zum Innbegriff germanisch-deutscher Kultur wurde. Die „Eclipse“ (engl: Sonnenfinsternis) hingegen wirft einen Schatten auf dieses Ideal. Es ist kein Zufall, dass Sonnen in diesem Zusammenhang mehrfach auftauchende Motive darstellen. In der Arbeit Peak (2016), die einen monolithischen Berg mit rosa Himmel zeigt, wird diesem Himmelskörper bildkompositorisch eine zentrale Rolle zugewiesen. Es erinnert an die Landschaften des Surrealisten Max Ernst, an Die ganze Stadt (1935/36) oder Grätenwald (1926), die ebenfalls mit der Symbolkraft von Sonne (oder konträr mit der des Mondes) spielen. Nach einer Reihe dieser utopischen Dschungelbilder und Ruinenstädte, schuf Ernst 1937 das Gemälde Der Hausengel (Der Triumph des Surrealismus), welches ein in einer Wüstenlandschaft ekstatisch tanzendes Mischwesen darstellt. Brinkmann hat eine ähnliche Kreatur geschaffen. Skrillo (2016), ein Hybrid aus Vogelwesen und Kämpfer, der im gleichnamigen Video ein sonderbares Ritual aus Tanz und Drohgebärde vollzieht. Durch einen einfachen filmischen Trick scheint die Figur seltsam fremdbestimmt, einer ihr innenwohnenden Macht unterworfen zu sein. Auf der Tonspur verstärken rückwärts abgespielte und dadurch verfremdete Geräusche zusätzlich das Gefühl eines Unbehagens. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Thorsten Brinkmann arbeitet dieses Mal zwar mit einem düsteren, schweren und teilweise morbiden Bildvokabular, das die großen, bisweilen pathetischen Sujets Natur, Wald, Paradies behandelt – er tut dies jedoch nicht ohne einen Twist. Auf mehreren Ebenen bietet uns der Künstler ein dichtes Netz aus kunsthistorischen und popkulturellen Bezügen an, welches an vielen Stellen humorvoll kommentiert wird. Der Schamanenkrieger Skrillo ist nicht das einzige Lebewesen, dem der Künstler Platz in seiner persönlichen Version eines dystopischen Weltentwurfs einräumt. Vogel-Chimären, halb Papagei, halb Parfümflakon (Papagon, 2016), Flugsaurier (Knoppfa, 2016), Wolperdinger aus Keramikteilen oder auch der Röckler (2016), eine Kreuzung, aus Kleidungsstück, Künstlerschuhen, Lampe und Geweih – sie alle beleben Brinkmanns Paradies, machen es zu einem mystischen Ort, der deutungsoffen und ambivalent bleibt.

Text: Christiane Opitz, Ergänzungen Marita Landgraf