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„The word is mine“ – seit jeher haben Künstler Wort und Schrift eine gewichtige Bedeutung beigemessen, seit jeher geben Bildunterschriften, Bildinschriften und Signatur Anhalt über das dargestellte Thema, den Bedeutungsgehalt und den Urheber eines Kunstwerkes. Mit dem 20. Jahrhundert aber erhält die Schrift im Kunstwerk einen Bedeutungswandel: Sie wird nicht mehr nur als Attribut oder Erklärung genutzt, sondern zum autonomen Medium und künstlerischem Subjekt von Malerei, Skulptur, Fotografie und Druckgrafik erhoben. So unterschiedlich die Auseinandersetzung der Künstler heute mit der „Schriftkunst“ ist, so vielseitig sind die stilistisch differenzierten Ausprägungen. Die Ausstellung „The word is mine“ der Galerie Lange & Pult präsentiert mit den Werken von sieben internationalen Künstlern Positionen zeitgenössischer Auseinandersetzungen mit dem Medium Schrift.

Tauba Auerbach

Im Zentrum des künstlerischen Schaffens der 1981 geborenen amerikanischen Künstlerin Tauba Auerbach steht die Beschäftigung mit Zahlen und Mathematik, Buchstaben und Sprache. Auerbach versteht Sprache als ein System von Symbolen und kreiert auf Grundlage dieser Auffassung differenzierte Werkgruppen, deren Schwerpunkte durch die Analyse einzelner Systemelemente entstehen. Ergebnis nur eines Aspektes dieser künstlerischen Auseinandersetzung ist das Anagramm. Durch eine Buchstabentransformation der Phrase „I doubt it“ bildet Auerbach den Satz „But I do it“. Den Prozess der Wieder- bzw. Neuverwendung der einzelnen Lettern hebt sie dabei durch separate Farbgebungen hervor. Die künstlerische Auseinandersetzung gipfelt nicht etwa in der reinen Umstellung eines Satzes – „I doubt it / But I do it“ enthält einen widersprüchlichen, gegensätzlichen Sinngehalt.

Ben

Das der Ausstellung ihren Namen gebende Werk „The word is mine“ des französischen Künstlers Ben (Ben Vautier, geb. 1935) repräsentiert nicht nur stellvertretend ein Anliegen aller in der Ausstellung gezeigten Künstler, sondern ist gleichsam ein Markenzeichen Bens: In hellem und pastosem Farbauftrag auf schwarzem Grund steht „The word is mine“ für seine persönliche Erklärung, dass ihm die Wortgewalt im künstlerischen Medium obliege. Ben verdeutlicht sein Anliegen einerseits durch die Gestaltung des Satzes in Schreibschrift als Individualschrift, andererseits durch seine Unterschrift, die klar zu verstehen gibt, wer den Anspruch auf Wortgewalt erhebt. Charakteristisch für Ben sind grell leuchtende Kommentare und schriftliche Erklärungen was er auch in den Werken „J’aime ecrire“ und „Ecrire c’est peindre des mots...“ zum Ausdruck bringt.

Sophie Calle

Das Oeuvre der 1953 geborenen französischen Künstlerin Sophie Calle umfasst sowohl Fotografie, Installation als auch Konzeptkunst. Wenn Calle Performances statuarisch in der Kombination von Text und Fotografie festhält, überschreitet sie damit Grenzen zwischen Kunst und Leben, Fiktion und Realität. Durch ausführliche Bild-Text-Dokumentationen macht Calle auch ihre persönlichen Erlebnisse erfahrbar, wie in dem Werk „The Bronx“. Das Buch, mit 28 variabel auf der Fläche angeordneten Seiten, illustriert in einer Text-Fotografie-Abfolge ihre Begegnungen und Erlebnisse mit Menschen aus der Bronx. Seinen individuellen, künstlerisch exklusiven Ausdruck erhält das Werk durch die Darstellung von Calles persönlichen Erfahrungen mittels Fotographie und Schrift, durch die Überschreitung der Gattungsgrenzen Buch und Schrift, Dokumentation und Fotografie.

Hadrien Dussoix

Die mediale Welt und ihr Einfluss auf den 1975 geborenen Schweizer Künstler Hadrien Dussoix ist Grundlage einer Malerei, die sich mit Grenzen, Widersprüchen und Poesie auseinandersetzt. Aus seiner Umwelt, aus Film und Fernsehen schnappt der junge Künstler plakative Sätze mit aussagekräftigem, provozierendem und lyrischem Gehalt auf und adaptiert diese in seine Malerei. Grossflächige Buchstabenformationen nehmen die gesamte Grösse der Leinwand ein, werden zum Hauptsujet, werden autonom, gehen über den reinen Wortgehalt hinaus. Schrift wird zu Malerei, Malerei wird zu Schrift. In vielfältiger Weise nehmen Dussoix’ Werke gleichzeitig den Dialog mit dem Betrachter auf, etwa wenn Dussoix Lackbuchstaben auf der Leinwand komponiert wie in „Your best body ever“, „Lips into your lips“, „More bass more riff“, „Bull dogs Bull shit“, in denen sich aufgrund ihrer Materialität der Betrachter selbst gespiegelt sieht und damit zum Teil des Werkes wird.

Olivier Mosset

Der 1944 geborene Schweizer Künstler Olivier Mosset ist in der Ausstellung mit seinem Polyptychon „Help“ vertreten. Wenn das Gemälde mit seinem konkreten Schriftzug doch eine Sonderstellung im Oeuvre des Künstlers einzunehmen scheint – ist er doch für seine abstrakte Farbfeldmalerei bekannt – so vertritt es in anderer Hinsicht doch den Mosset’schen Stil und seine Haltung gegenüber der Bildenden Kunst: Wenn der Künstler durch seine monochrome Farbfeldmalerei den Platz eines Motives auf der Leinwand infrage zu stellen scheint, so kann dies ebenso für die Lettern H, E, L, P gelten, die er bis zu den Leinwandenden ausbreitet und somit zu monochromen Farbfeldern erhebt. Durch dieses Stilmittel können die Buchstaben einerseits als geometrische, minimalistische Formation, andererseits als Lettern selbst wahrgenommen und gelesen werden. Das Wort „Help“ drückt dabei sowohl die beim Betrachter auftretende Verwirrung um das visuell wahrnehmbare Motiv auf, als auch eine Infragestellung des Künstlers gegenüber seinem Medium der Malerei.

Christian Robert-Tissot

Der 1960 geborene Schweizer Künstler Christian Robert-Tissot erklärt Sprache zu seinem bevorzugten Sujet. Er verleiht seinen Buchstaben sophistische Formen und Farben, versucht buchstäblich die Bedeutung des Wortes in Form zu bringen, wendet je nach Schriftzug und dessen Bedeutung differenzierte Stilmittel in unterschiedlichen Gattungen an. Er integriert Sprache sowohl in das Medium der Malerei als auch in das Medium der Skulptur, lässt Kunst und Schrift zu simultanen Kommunikationsobjekten werden: Durch ihre Integration haben die Lettern nicht mehr nur graphischen Status, sondern werden eins mit dem Kunstobjekt – statt einer Hierarchie zwischen zwei Gattungen entsteht ein interdisziplinäres Medium.

Rémy Zaugg

Der Schweizer Konzeptkünstler Rémy Zaugg (1943-2005) beschäftigte sich in seinen puritanischen Werken mit der visuellen Wahrnehmung um der Erweiterung des Bewusstseins willen. Zauggs Bilder machen Sprache zu einem eigenständigen bildnerischen Element, verweisen auf die Kluft zwischen Denken und sinnlicher Anschauung, verweisen auf Dinge ausserhalb ihrer selbst. Gleichzeitig tangieren sie die Grenze der Wahrnehmbarkeit, wenn Zaugg in seinen Serien der „Blinden Bilder“ gegebene Gemälde monochrom übermalt und damit die Grenze zwischen Sehen und Denken des Betrachters durchbricht. Andererseits fordert er in Werken mit sichtbarem Schriftzug wie „Regarde, a present, je suis, aveugle, regarde“ mit komplementärer und greller Farbgebung den Betrachter auf, die Blindheit visuell wahrzunehmen. Das zum Subjekt werdende Bild tritt in einen direkten Dialog mit dem Betrachter.

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THEWORDISMINE
Tauba Auerbach, Ben Vautier, Sophie Calle, Hadrien Dussoix, Olivier Mosset, Christian Robert-Tissot, Remy Zaugg