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Obwohl sich alle KünstlerInnen der Ausstellung mit den jeweils spezifischen Vergangenheiten ihrer eigenen politischen Geschichte und Kunstgeschichte befassen, spricht die Ausstellung T h e Touch of History von der Notwendigkeit der Dekonstruktion von Vergangenheit und hinterfragt die ideologischen Gewissheiten der Gegenwart über die Vergangenheit. Die Auswahl der künstlerischen Exponate orientiert sich an der immer wieder neu gestellten Frage, was das Vergangene im Zuge gesellschaftlicher und internationaler "systemischer" struktureller Veränderungen für die Gegenwart bedeutet und in welchen Bildern das Vergangene auf die Gegenwart Einfluss zu gewinnen versucht. Dokumentarische Fotos als Erinnerungsmaterial spielen dabei eine besondere Rolle. Die Ausstellung selbst zeigt ausschließlich Werke aus den Bereichen Malerei, Zeichnung und Skulptur/Objekt, präsentiert von Künstlern und Künstlerinnen, die aus Südkorea, Bangladesh, China und Deutschland stammen. Für ihre Wanderungen durch „ihre“ Geschichte haben sie verschiedene historiographische Territorien gewählt. In fünf Fallstudien rekapitulieren sie Geschichten in der Geschichte, setzen sich mit intertextuellen Zusammenhängen auseinander und stellen dabei sowohl die chronologische Ordnung als auch die künstlerischen Konventionen ihrer jeweiligen Kulturkreise in Frage.

YEE SOOKYUNG (*1963, Korea) | Yee Sookyung arbeitet mit der traditionellen koreanischen Keramik. Die uralte Technik wurde vor über tausend Jahren aus China importiert, in Korea weiterentwickelt und von dort im 16. Jahrhundert nach Japan ‚exportiert’. Es liegt daher nahe, dass junge Künstler diese Tradition aufgreifen, aber nur wenige es wagen, über sie hinauszugehen. Zu ihnen gehört Yee Sookyung, die für ihre Keramikskulpturen die Überreste des traditionellen Gewerbes nutzt: sie arbeitet ausschließlich mit Scherben, die sie aus den vielen traditionellen Keramikdörfern Koreas zusammengetragen oder dort gar aus stillgelegten Deponien ausgegraben hat. Aus den Scherben, die sie um einen inneren Trägeraufbau herum zusammenfügt und an den Nahtstellen in traditioneller Weise mit Gold verbrämt, entwickelt sie bizarre Skulpturen von eigenartiger Schönheit, die dem Betrachter wie echte Keramiken erscheinen.

HUANGMIN (*1975, China) | Huang Min inszeniert in ihrem Langzeitprojekt Mountain River Landscape – eine Serie großformatiger Gemälde, die sie 2005 begann – landschaftliche Aussichtsorte und deren Besucher, die, mit dem Rücken zum Betrachter zumeist über eine Brüstung gelehnt, das grandiose, in Form einer klassischen chinesischen Landschaftsmalerei wiedergegebene Panorama betrachten. Die in den Bildern dargestellten Touristen verharren vor der in traditioneller Weise idealisierenden Landschaftsmalerei, wie in Ehrfurcht versunken vor der Erhabenheit der chinesischen Kultur, wohingegen der Betrachter außerhalb des Bildes eine menschliche Menge wahrnimmt, die kulturelle Bestätigung und Legitimation sucht, indem sie sich nostalgisch der Verkörperung einer großartigen Vergangenheit zuwendet. Die Frage, wer wir sind, und wie wir mit unserer kollektiven Vergangenheit umgehen, ist eine der Grundkomponenten in Huang Mins Denken und künstlerischer Praxis.

Huang He (*1977, China) | Die Ölmalerei ist das bevorzugte Medium Huang Hes. In seinen Gemälden arbeitet er mit graduellen Variationen von Schwärze. Die Bilder seiner F a c e s-Serie beispielsweise zeigen Schwarzweiß-Darstellungen von in Kapuzen gehüllten Figuren, an Baphomet-Darstellungen erinnernde, das Gesicht halb verbergende Porträts oder melodramatisch anmutende Bilder von den Köpfen schreiender Affen, die alle wirken, als wären sie mit einer weißen Flüssigkeit bespritzt worden. Fast scheint es, als illustriere He in seinen Gemälden die verschiedenen Facetten und Abgründe der eigenen Psyche. Doch sind die Arbeiten mehr als pure narzisstische Selbstdarstellung: sie berühren den Betrachter, packen ihn förmlich und lassen ihn darüber nachdenken, was seine eigene Identität ausmacht und wie sich diese zur Identität eines Werkes und dessen Schöpfer verhält.

Murshida Arzu Alpana (*1961, Bangladesh) | Murshida Arzu Alpanas Kunst ist von Einflüssen aus Bangladesh und Indien ebenso geprägt wie von ihrem Kunststudium und ihrem langjährigen Aufenthalt in Berlin. Die gleichsam zarten wie intensiv leuchtenden Farben verleihen ihren Zeichnungen und Malereien eine spezifische Mischung aus Melancholie und Heiterkeit, die einen eigenartigen Zauber auf den Betrachter ausübt. Die Bilder bauen sich ungekünstelt aus Klängen und Szenen auf – häufig Kindheitserinnerungen an das muslimisch geprägte Umfeld Alpanas –, die von Linien animiert werden und aseptisch gefügte, konzeptuelle Entscheidungen durchweg meiden. Murshida Arzu Alpana arbeitet in einem Kulturverständnis, das nicht von der Abgrenzung lebt, sondern die Möglichkeiten interkultureller Vermischung nutzt und transkulturelle Formen der Kommunikation und Interaktion auslotet.

Jan Muche (*1975, Deutschland) | Jan Muche bedient sich für seine Arbeiten aus den verschiedensten Druckerzeugnissen, zieht Fotos aus dem Internet, kopiert diese und integriert sie in seine Leinwände und Papierarbeiten, wo sie mit Textpartikeln und Schrift in Tusche und Acryl kombiniert werden. Die so entstehenden Text-Bild-Dualitäten, deren Aussagen sich, verstärkt noch durch die changierende Hintergrundmuster und -strukturen dem Betrachter bewusst nicht ad hoc erschließen wollen, scheinen stets eine nochmals andere, neue Realität zu verbergen. Jan Muche gräbt mithilfe seiner radikalen Schnitt- und Collagetechnik Geschichtsbilder regelrecht um und setzt immer neue Mosaiksteinchen zu einem Konstrukt zusammen, das sich vielleicht als “Gedächtnis eines Gedächtnisverlusts” beschreiben ließe.