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Werke wie „Naked Lunch“ oder „The Soft Machine“ haben William S. Burroughs (1914-1997) als Autor weltberühmt gemacht. Weit weniger bekannt ist dagegen, dass Burroughs auch als multimedial arbeitender Künstler ein umfangreiches und vielgestaltiges Werk geschaffen hat, das Experimente mit Tonband, Film und Fotografie ebenso umfasst wie Malerei und Collagen. Die umfangreiche Ausstellung „the name is BURROUGHS – Expanded Media” im ZKM | Museum für Neue Kunst stellt nun erstmals in Deutschland das künstlerische Schaffen des Schriftstellers vor, untersucht die vielfältigen Verbindungen zwischen literarischer und experimentellbildnerischer Produktion und erweitert das Bild zusätzlich durch die Präsentation der „Collaborations“, die Burroughs zusammen mit anderen Künstlern geschaffen hat. Zusätzlichen Reiz gewinnt die Ausstellung durch eine Reihe von Werken zeitgenössischer internationaler Künstler, die sich dezidiert auf die Schriften von Burroughs und seine „Expanded Media“-Methode beziehen und damit das bildnerische Potenzial aus heutiger Perspektive individuell ausloten.

Ziel der Ausstellung ist es, in der Rückschau die visionäre Explosivität des literarischen Schaffens von William S. Burroughs erfahrbar zu machen und zugleich die Ausstrahlung seiner Ideen und Philosophie auf ein weltweites Netz von Schriftstellern, Musikern und Komponisten, Malern, Fotografen, Videokünstlern und Filmemachern erstmals in Europa in dieser Fülle zu präsentieren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gilt Burroughs mehr denn je – und besonders aufgrund der in den 1960-er Jahren gemeinsam mit dem Maler, Schriftsteller und Erfinder Brion Gysin, dem Mathematiker Ian Sommerville und dem Filmemacher Antony Balch durchgeführten Experimente – als ein Pionier der Medienkunst. Insofern reflektiert das ZKM mit der Ausstellung „the name is BURROUGHS – Expanded Media” auch zugleich die besondere Aufgabenstellung der Institution und die eigene Geschichte, war es doch Burroughs, der 1993 als Erster den Siemens Medienpreis in Karlsruhe erhielt.

Zur Eröffnung der Ausstellung erscheint ein reich bebildertes Buch zu William S. Burroughs als Vertreter der Gegenkultur, mit einem Text von Ian MacFadyen, herausgegeben von Axel Heil in seiner Reihe Future of the Past (Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln). Im Laufe der Ausstellung wird das ZKM in Zusammenarbeit mit dem Estate of William S. Burroughs eine umfassende Publikation produzieren, in der mit zahlreichen Essays und mehr als 300 Abbildungen von größtenteils bisher unveröffentlichten Werken dem vielfältigen OEuvre des Künstlers Rechnung getragen wird.

„the name is BURROUGHS” lautet der Titel eines Essays aus der Sammlung The Adding Machine (1985), der Burroughs’ Weg zum Schriftsteller nachzeichnet: „As a young child I wanted to be a writer because writers were rich and famous. They lounged around Singapore and Rangoon smoking opium in a yellow pongee silk suit. They sniffed cocaine in Mayfair and they penetrated forbidden swamps with a faithful native boy and lived in the native quarter of Tangier smoking hashish and languidly caressing a pet gazelle.“

Die Ausstellung greift, in nicht unbedingt chronologischer Anordnung, die traumverlorene Vorstellung des jungen Burroughs auf und begleitet den Protagonisten von seinen Kinder- und Jugendjahren in St. Louis und Los Alamos, über Harvard, Abstecher nach Europa und das New York der 1940-er Jahre bis nach Mexiko, wo er seinen ersten Roman Junky schrieb. Es folgten längere Aufenthalte in Tanger, Paris, London und zwischendurch wieder New York; Orte, an denen Burroughs fotografierte, collagierte, ausgiebige Foto-, Tonband- und Filmexperimente machte und mit seinem wichtigsten Collaborator Brion Gysin aktiv sprachliche und visuelle Entwicklungen vorantrieb. Bereits seit Ende der 1950-er Jahre weitet Burroughs die medialen Möglichkeiten systematisch aus. Von heute aus gesehen führt sein Werk den Begriff „Expanded Media“ geradezu lexikalisch ein.

Mitte der 1940er-Jahre gerät Burroughs in Kontakt mit Abhängigkeit erzeugenden Betäubungsmitteln – Morphium, Heroin und anderen Opiaten. Am 6. September 1951 erschießt Burroughs in Mexiko-Stadt in volltrunkenem Zustand versehentlich seine Frau, Joan Vollmer. Der tödliche Schuss wird von den Behörden als Unfall gewertet. „Die erschreckende Schlussfolgerung drängt sich auf, dass ich ohne Joans Tod niemals zum Schriftsteller geworden wäre, und ich muss erkennen, wie sehr dieses Ereignis mein Schreiben motiviert und geprägt hat. Ich lebe mit der ständigen Drohung, von etwas besessen zu werden, und mit der ständigen Notwendigkeit, mich dieser Kontrolle zu entziehen. Joans Tod brachte mich in Kontakt mit dem Besatzer, dem Bösen Geist, und zwang mich in einen lebenslangen Kampf, in dem ich keine andere Wahl hatte, als mich daraus freizuschreiben.“, schreibt Burroughs 1985 im Vorwort zu seinem Roman Queer (1951-53 entstanden), in dem er gesellschaftliche Tabugrenzen überschreitet und dies zur Methode erklärt. Der Dämon des Schreckens verfängt sich in der Stilisierung einer kompromisslosen Sprache.

Schon mit seinen ersten Werken reüssierte Burroughs bei der amerikanischen und europäischen Jugend ebenso wie bei dem der Gegenkultur verpflichteten literarischen ,Underground‘. Im Verlauf der sechziger Jahre wird er zur Ikone der ,Beat Generation‘ und in den Siebzigern zum ,Godfather‘ des Punk. Allen Ginsberg setzt mit seinem epischen Gedicht HOWL (1956, dt.: Das Geheul) seiner Generation ein Denkmal. Die Anfangszeile lautet: „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked…“ Mit Jack Kerouacs atemloser Prosa in On the Road wird das Trio Ginsberg, Kerouac und Burroughs (als Old Bull Lee) Eingang in die Weltliteratur finden. Es ist Burroughs, der mit Naked Lunch das dritte der kanonischen Werke der Beatliteratur verfasst. Der Roman, in dem er Sprache als einen Virus identifiziert, wird zum ,Kultbuch‘ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Zugriff der Zensurbehörde anlässlich der Veröffentlichung von Naked Lunch in Amerika 1962 – in Paris war das Buch bereits 1959 erschienen – brachte Burroughs in die Schlagzeilen der Weltpresse. Im Verlauf des aus dem Verbot resultierenden Gerichtsprozesses bescheinigte ihm Norman Mailer nicht nur „ein gewisses Genie“, sondern an dessen Ende stand auch die Abschaffung der literarischen Zensur in den USA.

Nach insgesamt einem Vierteljahrhundert des selbst auferlegten Exils kehrte Burroughs im Frühjahr 1974 endgültig in die USA zurück, lebte mehrere Jahre in New York und verbrachte seinen Lebensabend in der kleinen Universitätsstadt Lawrence, Kansas, wo er ab Mitte der 1980er- Jahre verstärkt als ,visuell-bildender‘ Künstler die Grenzen des Möglichen – auch in den traditionellen Medien Tafelbild und Arbeiten auf Papier – hinterfragte, überschritt und damit erweiterte.

In der Ausstellung „the name is BURROUGHS – Expanded Media” werden die prägenden Stationen und Begegnungen im Leben von William S. Burroughs mit teils selten zugänglichen Schrift-, Text-, Foto-, Ton- und Filmdokumenten nachvollzogen. Dazu gehören auch rund 600 verschiedene Ausgaben seiner weltweit erschienenen Bücher, die aus einer der größten privaten Sammlungen zu diesem Thema ausgeliehen werden konnten. Das bildnerische Werk wird mit mehr als 150 Original- Exponaten dokumentiert, die zu einem maßgeblichen Teil aus dem von James Grauerholz verwalteten Estate of William S. Burroughs (Lawrence, Kansas) stammen und mit zusätzlichen Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen ergänzt werden. Eindrucksvoll wird dabei den Betrachtern vor Augen geführt, dass es sich beim „bildkünstlerischen“ Schaffen von Burroughs um einen originären Beitrag zur amerikanischen Gegenwartskunst handelt. Die Ausstellung zeigt auch Werke, die – im Sinne des von Burroughs und Brion Gysin gemeinsam erarbeiteten Projekts The Third Mind – in Zusammenarbeit mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern entstanden: mit Robert Rauschenberg, Keith Haring, George Condo, Robert Wilson, Francesco Clemente, Philip Taaffe, John Giorno, Laurie Anderson, Kurt Cobain, Patti Smith und anderen. Der Bedeutung der Werke wie auch der Persönlichkeit William S. Burroughs als Ikone der Gegenkultur für die Produktion von Künstlern verschiedener Generationen wird anhand prominenter Arbeiten Rechnung getragen. Hier reicht das Spektrum von Walter Stöhrer und Rolf-Gunter Dienst oder David Wojnarowicz bis zu Larry Clark und Christoph Lissy. Überdies werden zahlreiche Burroughs-Fotoportraits von Gerard Malanga, Charles Gatewood, Robert Mapplethorpe, Richard Avedon und anderen zu sehen sein. Als Highlights werden etwa 80 Fotoabzüge nach Originalnegativen von Burroughs und Gysin aus der Sammlung Barry Miles, London, hinzukommen sowie eine der von Burroughs in Paris benutzten Schreibmaschinen und jene Klinge, mit deren Hilfe Brion Gysin die literarische Methode des CUT-UP fand.