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Der C/O’s e.V. setzt vom 2. Oktober bis 30. November 2010 die Serie Talents unter dem Titel DarkWhite mit Fotografien vonMarkus Klingenhäger und Texten von Christin Krause fort. Talents präsentiert junge Fotografen und Kunstkritiker an der Schwelle zwischen Ausbildung und Beruf. Die Eröffnung findet am Freitag, den 1. Oktober 2010, um 19 Uhr im Postfuhramt in der Oranienburger Straße 35/36 statt.

„I have adviced my people this way: When you find anything good on the white man‘s road, pick it up, when you find anything that is bad or turns out bad, drop it and leave it alone!“ Sitting Bull, Häuptling der Hunkpapa-Lakota-Sioux

Westernfilme, Groschenromane und Naturromantik prägen bis heute das Bild von den Native Americans, den Ureinwohnern Nordamerikas. Veraltete, stark medial gelenkte Klischees mit Prärie, Federschmuck, Friedenspfeife und wilden Indianern inklusive. Die heutige, tatsächliche Situation dieser ethnischen Minderheit ist jedoch gekennzeichnet von Zwangsassimilation, beruflicher und sozialer Desintegration und dem Verlust eigener kultureller Werte und Identität – ein schleichender, unblutiger Völkermord des 20. Jahrhunderts. Der Fotograf Markus Klingenhäger hat sich bei dem Lakota-Stamm in der Pine-Ridge Indian Reservation auf die Suche nach der Schnittmenge von indianischer Tradition und der Lebensweise des weißen Amerika begeben. Neben größter Armut, gravierender Entwurzelung und dem stetigen Kampf um Anerkennung zeichnet er in seinen Fotografien ein aktuelles, differenziertes Bild der Indianer – auch voller Stolz und Würde.

Seit der Neuentdeckung Amerikas durch die Europäer sind die Ureinwohner zu Wandelnden zwischen zwei Welten und Verlierern einer kulturellen Transformation geworden. So lag die Arbeitslosigkeit in der Pine-Ridge Indian Reservation zuweilen bei 85 Prozent, die durchschnittliche Lebenserwartung bei 44 Jahren. 31 Prozent dieser Minderheit leben heute unter der Armutsgrenze. Alle Indianer-Reservate sind von Bundesmitteln abhängig. In den konservativ-christlichen Bundesstaaten Nord- und Süddakota kommen zur sozialen Verelendung rassistische Diskriminierung seitens der weißen Mehrheitsbevölkerung hinzu. Die Lakota eroberten in den letzten 25 Jahren jedoch ihre soziale Autonomie unter Rückbeziehung auf ihre kulturellen Traditionen zurück.

Markus Klingenhägers fotografische Serie gliedert sich in zwei Teile – Porträts und Landschaften mit unterschiedlichen Bildästethiken. Beide Stränge unterstreichen den Kontrast der unterschiedlichen Lebenswelten und verweisen zugleich auf die Ambivalenz der Dokumentarfotografie. Die Porträts folgen einem konstruiert-dokumentarischen Duktus und zeigen Menschen in ihrem persönlichen Lebensumfeld. In ihrer Inszenierung nehmen sie Bezug auf die Arbeit des Fotografen Edward S. Curtis, der vor gut 100 Jahren mit einem umfassenden Werkzyklus ein archaisches Bild der Indianer verfestigte. Von ihm übernimmt Markus Klingenhäger zwar die Bühnensituation, interpretiert jedoch seine Bilder ästhetisch neu und überführt das veraltete Bild des Kriegers in einen zeitgemäßen Kontext.

Demgegenüber stehen ruhige Landschafts- und Architekturaufnahmen, die auf jegliche Inszenierung verzichten und damit in der klassichen Tradition der Dokumentation stehen. Sie zeigen mit nüchternem Blick Plätze und Orte, die als Synonym für die jahrhundertelange Repression der Native Americans stehen. Verweise auf die vernichtende Schlacht am Wounded Knee oder die Missionierung durch europäische Siedler sind hier ebenso zu finden wie das National Monument Mount Rushmore, welches unter Missachtung der vertraglich zugesicherten Landrechte durch die US-Regierung auf geheiligtem indianischen Grund errichtet wurde.

Markus Klingenhäger, geboren 1976 in Calw, studierte von 2001 bis 2009 Fotografie und Medien an der Fachhochschule Bielefeld. Seine Diplomarbeit „DarkWhite“ entstand unter der Betreuung von Prof. Axel Grünewald. Markus Klingenhäger lebt und arbeitet als freier Fotograf in Hamburg.

Christin Krause, geboren 1981, studierte Kunstgeschichte und Romanistik in Berlin und Paris. In ihrer Abschlussarbeit beschäftigte sie sich mit der Konstruktion von Erinnerung in der Fotografie der Gegenwart. Als Stipendiatin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Programm Museumskuratoren für Fotografie realisierte sie verschiedene Ausstellungsprojekte im Museum Folkwang in Essen, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und im Münchner Stadtmuseum. Ab November 2010 wird sie im Jeu de Paume in Paris tätig sein.

Nachwuchs fördern und ihm eine erste Chance für die Zukunft geben – Talents ist kreativer Campus für junge internationale Gegenwartsfotografie und Kunstkritik. Seit 2006 fördert der C/O’s e.V. mit dieser Ausstellungsreihe angehende Fotografen und Kritiker, die sich an der Schwelle zwischen Ausbildung und Beruf befinden. Begleitet wird jede Einzelausstellung von einer Publikation, in der Bild und Text einen Dialog eingehen. Talents ist ein internationaler Wettbewerb, der jährlich ausgeschrieben wird. Aus den eingereichten Bewerbungen wählt eine Fachjury jeweils vier Fotografen für einen Jahrgang aus. Mit Hilfe starker Partnerschaften schickt C/O Berlin die Fotografen und Kunsthistoriker in die Welt; denn dieses in Europa einzigartige Programm ist für viele junge Künstler der Ausgangspunkt für Ausstellungen, z.B. in den Goethe-Instituten Stockholm, New York oder Santiago de Chile.

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Talents 21 - DarkWhite
Markus Klingenhäger / Christin Krause