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Chaïm Soutines Oeuvre nimmt sich neben dem weitaus besser bekannten Werk seiner Freunde und Weggefährten Amedeo Modigliani oder Marc Chagall immer noch wie eine Entdeckung aus. Das Kunstmuseum Basel zeigt eine repräsentative Überblicksausstellung Soutines, in der seine malerische Position vor dem Horizont grösserer künstlerischer Zusammenhänge des 20. Jahrhunderts neu bewertet wird. 1893 in der weissrussischen Provinz geboren, musste sich Soutine mit seinem Wunsch, Künstler zu werden, gegen heute unvorstellbare, zum Teil religiös bedingte Vorurteile durchsetzen und ging das Wagnis eines Kunststudiums in Wilna ein. Sein Weg führte ihn 1913 nach Paris, in die Hochburg der europäischen Avantgarden. Wie viele jüdische Neuankömmlinge aus Osteuropa richtete Soutine sich im Soziotop der Ateliergemeinschaft La Ruche, später in der Cité Falguière ein, wo er Seite an Seite mit Künstlern wie Marc Chagall, Amedeo Modigliani oder Jacques Lipchitz arbeitete. Jenseits dieses kleinen Kreises blieb Soutine jedoch weitestgehend isoliert. Während die zum Teil originär in Paris entstandenen Strömungen von Kubismus, Futurismus, Dadaismus und Surrealismus europaweit Wellen schlugen, zeigte sich Soutine von diesen Erscheinungsformen der Moderne vergleichsweise unbeeindruckt und entwickelte eine eigenständige, intensive Malerei, in der ein bis dahin ungekannter Grad emotionaler Steigerung spürbar wird. Kollabierende Perspektiven und eine hyperbolisch verzerrte Gegenständlichkeit laden die Bilder mit Spannungen auf, die von einer kraftvollen gestischen Pinselschrift getragen werden. Das revolutionäre Potenzial, das dieser Malerei innewohnt, sollte weit ins 20. Jahrhundert hinein ausstrahlen und Künstlerpersönlichkeiten wie Francis Bacon oder Willem de Kooning entscheidend prägen. Paradoxerweise ist Soutine jedoch im gleichen Masse Visionär wie Traditionalist: Aus einer der grössten Errungenschaften der Moderne, der Freiheit des Bildsujets, macht er sich nichts: er beschränkt sich zeitlebens rigoros auf die Trias von Stillleben, Landschaft und Porträt. Kein Bildthema Soutines ist bekannt, für das sich kein Muster aus dem 17. Jahrhundert benennen liesse. Es scheint fast, als ob die kunsthistorisch sanktionierten Gattungen ihm die Sicherheit vermittelt hätten, die er brauchte, um mit seiner Malerei in unerforschtes Territorium vorzustossen. Die Ausstellung umfasst rund sechzig Werke Soutines, einen Ausgangspunkt bilden die als Deposita im Kunstmuseum Basel befindlichen Werke aus der Sammlung Im Obersteg. Durch erhellende Gegenüberstellungen mit Bildern von Soutines Freunden – Modigliani, Chagall, Utrillo – und Künstlern wie Picasso, Braque oder Munch wird gleichzeitig der künstlerische Kontext Soutines exemplarisch aufgezeigt. So wird deutlich, dass Soutine vor demselben Horizont künstlerischer Fragestellungen wie seine Zeitgenossen arbeitete, auch wenn er zu hochgradig eigenständigen Bildfindungen kam, die keiner Strömung zugerechnet werden können. Die Ausstellung zeichnet so ein neues Bild von Soutine, in dem er als zentrale Figur im Geflecht verschiedener künstlerischer Tendenzen seiner Zeit erscheint.

Die Ausstellung wurde unterstützt von: Novartis International AG / Bank Sarasin & Cie AG / Stiftung Im Obersteg

Katalog Soutine und die Moderne / Soutine and Modernism : Dumont, Köln mit Beiträgen von Sophie Krebs, Henriette Mentha, Nina Zimmer, und einem kommentierten Quellenverzeichnis von by Patrick Hirt, ca. 288 Seiten

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Soutine und die Moderne
Chaim Soutine
Kuratorin: Nina Zimmer
Kunstmuseum