press release only in german

Die Ausstellung Shandyismus. Autorschaft als Genre bezieht sich auf Laurence Sternes Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman aus dem 18. Jahrhundert. Sie wird den Shandyismus als Phänomen bzw. als Position in der Fülle seiner intermedialen Bezugspunkte thematisieren. Es wird eine Reihe von bereits existierenden künstlerischen Werken gezeigt, die das methodische Vokabular des Shandyismus artikulieren. Gleichzeitig sind einige KünstlerInnen eingeladen, explizit eine Art „shandyistische Intervention“ für die Ausstellung zu entwickeln.

„Shall we for ever make new books, as apothecaries make new mixtures, by pouring only out of one vessel into another?” Laurence Sterne, 1760

In Laurence Sternes Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman aus dem 18. Jahrhundert gibt es schwarze und marmorierte Seiten, fehlende Kapitel, freien Platz für den Leser, seine eigenen Auffassungen einzubringen, jede Menge diagrammatische Einschübe, die entweder dazu dienen, den performativen Aspekt der Rede graphisch zu verdeutlichen oder die extrem verschlungenen Erzählmuster des Romans aufzuzeigen. Einzelne Zeichen werden typografisch so hervorgehoben, dass sie als solche nicht mehr artikulierbar sind. Der Erzählstrang wird aus einer Reihe von Abweichungen entwickelt, und endet zeitlich vor seinem Beginn. Immer wieder wird der Leser, manchmal als Mann, dann wieder als Frau, adressiert. Tristram Shandy, die dramatisierte Erzählfigur, tritt dabei weniger als Handelnder der Erzählung auf, denn als Autor des Romans, den man gerade liest.

Kaum je ist das Buch als Medium mit mehr selbstreflexivem Witz und Ironie thematisiert worden, kulminierend in der Frage, warum überhaupt so viele Bücher geschrieben werden. In einem gewissen Sinn hätte dieses eine auch gereicht. Gleichwohl begründet dieser Ansatz eine heimliche Tradition der Moderne über alle Gattungs- und Denktraditionen hinweg. Der Shandyismus findet sich in allen künstlerischen Disziplinen, hat aber auch in Philosophie und Politik seine Spuren hinterlassen. Speziell sein Einfluss auf die bildende Kunst ist bisher kaum untersucht.

Die Ausstellung Shandyismus. Autorschaft als Genre stellt daher thesenhaft den Shandyismus sowohl in seinen historischen Dimensionen als auch als neu zu entdeckende, aktuelle Strategie vor. Aspekte einer thematischen Ausstellung werden deshalb mit einer aktuellen Gruppenausstellung in Verbindung gebracht. Eine Reihe von Werken sind zu sehen, die das methodische Vokabular des Shandyismus in erster Linie als Konstruktionen zwischen Autor- und Leserschaft artikulieren. Dazu gibt es einige thematische Blöcke insbesondere zu Narration und Diagrammatik, die, in Vitrinen präsentiert und eher historisch orientiert, die intermedialen Aspekte zwischen Kunst, Literatur, Film, Comics, Philosophie und Plattencovern adressieren. Zusätzlich wurden einige KünstlerInnen zu einer Art „shandyistischer Intervention“ eingeladen, die Ausstellung selbst als Medium anzusprechen. Auch das Design der Ausstellung arbeitet mit shandyistischen Elementen und baut gleichzeitig einen Referenzraum zu früheren Ausstellungen in der Secession auf, wie der Wittgenstein-Ausstellung von Joseph Kosuth von 1989 bis hin zu den jüngeren Ausstellungen von Michael Krebber, Christopher Williams und Constanze Ruhm Fate of Alien Modes.

KünstlerInnen, die speziell für die Ausstellung eine Arbeit konzipieren: Bernadette Corporation, Künstlerkollektiv, gegründet 1994, arbeiten vorwiegend in New York Gareth James, geb. 1970, lebt und arbeitet in New York Sergej Jensen, geb.1973, lebt und arbeitet in Berlin David Jourdan, geb.1974, lebt und arbeitet in Wien Olia Lialina und Dragan Espenschied, geb. 1971, leben und arbeiten in Stuttgart Josef Strau, geb. 1957, lebt und arbeitet in Berlin Robert Frank, Washington D.C., 1957, Sammlung Fotomuseum Winterthur

Einzelne Leihgaben: Louise Lawler, Woman with Picasso (1912), 1986 Chuck Jones, Duck Amuck, 1953 Marcel Duchamp, La Boite en Valise, 1938 Marcel Broodthaers, Le Drapeau Noir. Tirage illimité, 1968 Max Bill, Plakat für Duchamp-Ausstellung, 1960 Robert Frank, Washington D.C., 1957 Martin Kippenberger, Hängt die Verräter an die Wand, 1983 Michael Krebber, o.T., 1989 Franz West, Wittgensteins Kritzel, 1985 Jack Goldstein, o.T., 1986 Georg Baselitz, o.T., 2002 Jutta Koether, A Subject is the Local Occurance of a Process of Truth, 2001 Monika Baer, o.T., 1998 Michael Schuster, Fünf Minuten mit der Tour d’Autriche, 1979 Christian Philipp Müller, Plakat: Vergessene Zukunft, 1993 Plakat zu Robert Bresson, Pickpocket, 1959

Zeichnung aus: Laurence Sterne, The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentlemen, Penguin Books, London, 1967 Zeichnung aus: Laurence Sterne, The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentlemen, Penguin Books, London, 1967

Thematische Blöcke (Vitrinen und Texte): Franz Reitinger: Intellektualisierung des Bildes im Licht der Literatur Astrit Schmidt-Burkhardt: Der Witz im Diagramm André Rottmann: Marcel Duchamps Shandyismus Drehli Robnik: Hitchcock, Shandyist Michael Dreyer: Konzeptuelles Plattencover Design (Introspection) Clemens Krümmel: Analogien zwischen Denken und Handeln Tanja Widmann: o.T. (Das Gesicht zu Boden, alle zugleich, Begeisterungstaumel, Chorgesang, Gestammel ...) Diedrich Diederichsen: Kippenberger, Shandyist David Jourdan, Fry my hide (That's the first time I ever heard the expression...), 2005

Filmvorführung am Sonntag, 15. 4. 2007, 13 Uhr, Filmcasino Wien: Michael Winterbottom, Tristram Shandy: A Cock and Bull Story, 2005

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (dt./engl.) mit Texten von Diedrich Diederichsen, Helmut Draxler, Michael Dreyer, Clemens Krümmel, Franz Reitinger, Drehli Robnik, André Rottmann, Astrit Schmidt-Burkhardt und Tanja Widmann.

only in german

Shandyismus. Autorschaft als Genre
kuratiert von Helmut Draxler

mit Bernadette Corporation, Gareth James, Sergej Jensen, David Jourdan, Olia Lialina / Dragan Espenschied, Josef Strau, Robert Frank, Louise Lawler, Marcel Duchamp, Marcel Broodthaers, Max Bill, Robert Frank, Martin Kippenberger, Michael Krebber, Franz West, Jack Goldstein, Georg Baselitz, Jutta Koether, Monika Baer, Michael Schuster, Christian Philipp Müller ...