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Anfang der 1960er-Jahre entdeckten Rudolf und Barbara Fakler zeitgenössische Kunst für sich. Ihr besonderes Interesse galt jenen Künstlern, die sich in Karlsruhe um HAP Grieshaber, Herbert Kitzel und Wilhelm Loth formiert hatten. In den folgenden Jahren entstand in engem und freundschaftlichem Kontakt mit den Künstlern eine unverwechselbare Sammlung mit dem Schwerpunkt Neue Figuration aus dem Umkreis der Karlsruher Akademie. Eine erste Auswahl widmet sich den grafischen Werken der Sammlung Rudolf und Barbara Fakler, die in hervorragender Weise den Bestand Neue Figuration im Kunstmuseum Stuttgart ergänzt. In der Gegenüberstellung so unterschiedlicher Positionen wie Herbert Kitzel, Heinz Schanz, Hans Baschang, Walter Stöhrer, Dieter Krieg, Josua Reichert und Alfonso Hüppi wird das breite Spektrum neufigurativer Tendenzen der Nachkriegsmoderne deutlich.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts formierten sich weltweit figürliche Positionen, die allgemein als Neue Figuration bezeichnet werden. Die Künstler entwickelten ein bildformierendes Vokabular in Abgrenzung zu ungegenständlicher Kunst. Abstrakte Einflüsse lassen sich dabei ebenso erkennen wie der Rückgriff auf realistisch-neusachliche Positionen. Der Maler und Schriftsteller Hans Platschek lieferte bereits 1959 in seiner Publikation »Neue Figurationen. Aus der Werkstatt der heutigen Malerei« das kunsttheoretische Fundament: Die rein malerische Aktion des subjektorientierten Informel war zu überwinden, um dem Bild eine neue Funktion als Bedeutungsträger zuzuweisen. In Karlsruhe glaubten HAP Grieshaber und seine Weggefährten ungebrochen an die Wirkungskraft der figurativen Darstellung. HAP Grieshaber wurde zur Identifikationsfigur einer jungen Künstlergeneration und ihres modernen Menschenbildes. Ihr neues künstlerisches Selbstbewusstsein spiegelte sich in der Radikalität der bildnerischen Mittel. Diese wurden durch Werke der Cobra-Künstler und des amerikanischen Abstrakten Expressionismus beeinflusst, die seit Mitte der 1950er-Jahre in Deutschland zu sehen waren. War die Figur zunächst durch die nationalsozialistische Ideologie schwer belastet, wächst ihr nun im Zentrum des Bildgeschehens ein neuer Stellenwert zu. Sie wird zur Metapher existentieller Fragestellungen, die sich aus der Auseinandersetzung mit moderner Literatur wie aus archaischen Mythen ableiten.

Die Sammlung Rudolf und Barbara Fakler, die dem Kunstmuseum Stuttgart bzw. seiner Vorgängerinstitution bereits seit den 1990er-Jahren verbunden ist, setzt in der seit 2011 fortgeschriebenen Sammlerreihe nochmals neue Akzente. Kunst war Rudolf Fakler nie fremd. In seinem familiären Umfeld wurden Positionen des späten 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne gepflegt. Besuche in Museen und Galerien weckten sein Interesse an zeitgenössischer Kunst. An Werken von Dieter Krieg, denen Rudolf Fakler Mitte der 1960er-Jahre in Karlsruhe begegnete, entzündete sich die Leidenschaft des Sammlers. Der Fokus richtete sich in den folgenden Jahren auf Künstler der eigenen Generation, der in den 1930er-Jahren Geborenen, die in der südwestdeutschen Kunstlandschaft mit wesentlichen und eigenständigen Positionen hervortraten. Rudolf und Barbara Fakler waren dabei keinem Stil, keinem Konzept, keinem fremden Urteil verpflichtet. Werk und Künstler mussten sie nur gleichermaßen begeistern. Umfangreiche Briefwechsel dokumentieren den interessierten Austausch wie die enge Freundschaft zwischen den Sammlern und ihren Künstlern und ermöglichen uns heute einen anderen, privaten Blick auf zeitgenössische Kunstgeschichte.

Die Sammlung Rudolf und Barbara Fakler befindet sich inzwischen als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Stuttgart und ergänzt auf hervorragende Weise Schwerpunkte der eigenen Sammlung. Die Ausstellung versucht diese Synergien nachzuzeichnen, indem neben Werken der Sammlung Rudolf und Barbara Fakler auch Werke aus den eigenen Beständen gezeigt werden. Teil 1 der Ausstellung konzentriert sich auf grafische Arbeiten im Kontext neufigurativer Tendenzen. Einige Werke wurden bisher kaum oder noch nie präsentiert, wie zum Beispiel der großformatige Entwurf »Mutter« (1979) von Dieter Krieg. Neben Herbert Kitzel, Heinz Schanz, Hans Baschang und Walter Stöhrer vermittelt das Werk von Josua Reichert einen Eindruck über die vielfältigen Erscheinungsformen der Neuen Figuration. Er schöpft aus dem formalen Reichtum der Alphabete. Ins Monumentale übertragen, werden die Lettern zu typografischen Zeichen von bildbestimmender Körperlichkeit. Eine Auswahl von Lithografien und Siebdrucken nimmt Bezug auf den Werkkomplex von Dieter Roth in der Sammlung Rudolf und Barbara Fakler.

Das Ausstellungskonzept wird mit malerischen und plastischen Werken in Teil 2 der Ausstellung ab dem 23. Mai 2015 fortgesetzt.