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Roy Lichtensteins Bilder der frühen 1960er-Jahre sind geradezu ein Synonym für die amerikanische Pop-Art. Diese übergroßen, von Reklamen in Tageszeitungen und Comicheften inspirierten Abbilder der Alltagskultur werden in der Kunstgeschichte als Prototypen für die Faszination des Künstlers für die neue Verbindung zwischen Kunst und Alltagskultur gewürdigt. Damit wurde Roy Lichtenstein mit seinem Werk zu einer der Schlüsselfiguren der amerikanischen Kunst der Nachkriegszeit des letzten Jahrhunderts.

Mehr als drei Jahrzehnte lang gelang es Roy Lichtenstein (geboren 1923 in New York, gestorben 1997 in New York), seinen eigenen künstlerischen Quellen treu zu bleiben und gleichzeitig die verschiedenen thematischen Sets stilistisch auszubauen, vielfältig zu kombinieren und zu variieren. Dass er von sich selbst sagte: „Ich versuche, einen kommerzialisierten Picasso oder Mondrian zu machen“, zeigt die gesamte Spannbreite seiner künstlerischen Absichten. Es war sein Ziel, Werke der Kunstgeschichte als wertvolle Objekte einer Hochkultur und einfache Alltagsobjekte als Teil einer banalisierten Massenkultur derselben visuell prägnanten Bildstrategie zu unterwerfen. Es gelang ihm damit, sie zum Fait accompli, zu Komplizen derselben Schönheit zu machen. Ähnlich wie Picasso benutzte Lichtenstein den scheinbaren Widerstreit zwischen Hoch- und Alltagskultur als stimulierendes künstlerisches Drehmoment für sein Werk. So entstanden Bilder von Alltagsobjekten, Haushaltsgegenständen, von der Wohn- und Lebenskultur des normalen amerikanischen Bürgeralltags. Gleichzeitig paraphrasierte und reflektierte Lichtenstein immer wieder Bilder der klassischen Moderne. Mit seiner unverwechselbaren Art, die Alltags- und Kunstvorlagen als Produkte rein mechanischer Handlungen zu malen, wurde er zum Herold einer neuen, humanen Sicht der Welt und einer neuen Klassik der Schönheit des Alltäglichen.

Dieser alles verbindenden Idee einer „Klassik des Neuen“ widmet das Kunsthaus Bregenz mit 40 Werken aus den Jahren 1961–1995 eine große Ausstellung. Sie ist in drei Kapitel gegliedert. Der erste Teil der Ausstellung im ersten Stockwerk des Kunsthauses gilt den frühen Ikonen seines Werks, mit denen Lichtenstein seine elementare Bildgrammatik begründete und die europäische und amerikanische Maltradition der Moderne als feste Bezugsgröße seines Werks definierte. Die frühen Schwarzweißbilder der Jahre 1961–1965 mit ihren Objekten, Haushaltsszenen und Kunst-reflexionen eröffnen ein neues Kapitel der Kunst.

Dem Frühwerk der 1960er-Jahre wird im letzten Stockwerk dialogisch mit den Interieurs der 1990er-Jahre das Spätwerk gegenübergestellt. Die großformatigen Bilder aus den Jahren 1990–1995 repräsentieren ein Stück amerikanischer Alltagskultur jener Jahre. Ähnlich wie die Bildserien mit den zahlreichen Künstlerateliers immer wieder Ideale reflektierten künstlerischen Schaffens formulieren, sind die Interieurs perfekte Bildreflektoren gesellschaftlicher Klischees ihrer Zeit und Demonstration artistischer Unabhängigkeit. Sie sind Ergebnis einer sowohl emotionalen wie kühl temperierten Bild- und Formstrategie. Die Polychromie der Werkgruppe „Interieurs“ kontrastiert zur Monochromie der frühen Bilder. Gleichzeitig scheinen die Arbeiten die Summe des bisher Erarbeiteten zu zeigen und darüber hinaus zahlreiche frühere Bildelemente zu zitieren.

Die Werke im zweiten Stockwerk stammen aus den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren. Zusammengefasst unter dem Thema des Frauenbildes als eines von Lichtenstein bevorzugten Motivs seines gesamten Œuvres konzentriert sich die Auswahl auf die berühmten Mädchenbilder der 1960er-Jahre und vielfältigen Paraphrasen europäischer Malerei zum selben Thema. Während die Werke im ersten und dritten Stockwerk die konzeptuelle Stringenz eines malerischen Kalküls der kulturellen Versöhnung demonstrieren, bietet das Zwischenkapitel im zweiten Stockwerk einen differenzierten Blick auf den artistischen sinnlichen Reichtum des Werkes.

Mit 34 Gemälden, fünf Collagen und einer Skulptur – überwiegend Schlüsselwerken aus amerikanischen und europäischen Museen sowie Privatsammlungen – zählt die Schau im Kunsthaus Bregenz zu einer der umfangreichsten Einzelausstellung eines der Heroen und Mitbegründer der Pop-Art sowie eines der einflussreichsten Künstler des ausgehenden 20. Jahrhunderts in Österreich. Gleichzeitig ist es das erste Mal, dass sich eine europäische Ausstellung derart facettenreich mit einer so reichen Auswahl von Spitzenwerken dem dialogischen Blick auf das Früh- und Spätwerk Lichtensteins widmet. So erlaubt die Präsentation eine profunde Befassung mit der Bildsprache dieser neuen Klassik des Alltags im Dialog mit klassischen Bildthemen der Moderne.

Für das Kunsthaus Bregenz, das sich seit Jahren mit seinem Programm als Ort der Kunst und des Diskurses versteht, in dem die Gegenwart des Werks zeitgenössisch wichtiger Künstler eine entscheidende Rolle spielt, ist der erste historische Blick auf einen wichtigen Impulsgeber zeitgenössischer Kunst von großer Bedeutung. Der Paradigmenwechsel in der Kunst, wie er auch im Werk von Roy Lichtenstein vollzogen wurde, ist als künstlerische Vision Impuls für die im Haus gezeigten radikalen Kunstpositionen. Besonders die transatlantische Programmatik des Kunsthauses, in der die gemeinsamen Wurzeln europäischer und amerikanischer Traditionen eine tragende Rolle spielen, erfüllt sich im Werk Roy Lichtensteins aufs Glücklichste.

Die Ausstellung entsteht in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung der Verwalter des Roy-Lichtenstein-Nachlasses sowie den Galerien Sonnabend und Gagosian als Hauptleihgebern wichtiger Werkgruppen.

Publikation Begleitet wird die Ausstellung von einer umfangreichen Publikation mit grundlegenden Texten amerikanischer und europäischer Autoren zu den zentralen Aspekten der Schau. Mit farbigen Abbildungen aller ausgestellten Werke, ergänzt durch wichtige vergleichende Abbildungen sowie umfangreiches Bild- und Textmaterial zur Person und zum Werk, wird das Buch sich sowohl an ein breites Publikum richten als auch einen wichtigen Beitrag zum Stand der Forschung über das Werk von Roy Lichtenstein leisten.

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Roy Lichtenstein
Classic of the New