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Eröffnung: Sa 29. September 2007, 20 Uhr

Die Ausstellung mit Werken aus der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof und Leihgaben aus dem Besitz des Künstlers ist die erste umfassende Vorstellung des Künstlers Roman Signer in Berlin.

Mit Objekten, Zeichnungen, Fotografien, Super-8-Filmen und Videos gibt die Ausstellung einen repräsentativen Einblick in sein bis in die frühen 1970er Jahre zurückreichendes Gesamtwerk. Anläßlich seines Auftritts in Berlin hat der Künstler im Sommer 2007 eine Aktion im Landschaftspark von Wörlitz durchgeführt; der in Wörlitz entstandene Film ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Die in enger Zusammenarbeit mit Roman Signer konzipierte Ausstellung wird in Halle 2, Halle U 2 und im Korridor der Rieckhallen gezeigt; im Innenhof des Hamburger Bahnhofs realisiert der Künstler die Außenskulptur „Kieskegel und Kajak“, 2006/2007.

Das Werk des 1938 in Appenzell geborenen Künstlers Roman Signer zeichnet sich vor allem aus durch seine ungewöhnliche Arbeit an dem, was wir Skulptur nennen. Er hat mit seinen Objekten, Aktionen und Filmen dem Begriff der Skulptur, der sich seit den 1960er Jahren im Zuge der Entgrenzung traditioneller Auffassungen ohnehin auf ungewöhnliche Materialien und Bewegungsvorgänge ausgedehnt hat, eine weitere Möglichkeit hinzugefügt: er hat die Grundelemente Feuer, Wasser und Luft auf ihre plastischen Qualitäten hin untersucht, und zwar nicht im Sinne der Land Art, die in der Landschaft mit Naturmaterialien gearbeitet hat. Obwohl Signers Arbeiten ebenfalls oft im Freien stattfinden, sind sie vielmehr Versuchsanordnungen, die sich die physikalischen Gesetze der verwendeten Materialien temporär zunutze machen – etwa die Schubkräfte von Raketen, von Ventilatoren, von Gebläsen oder die des Wassers. Seine Aufführungstechnik rechnet mit der zeitlich äußerst gerafften Sensation, wie sie beispielsweise Explosionen am effektivsten hervorzubringen verstehen. Die meisten seiner Aktionen finden ohne Publikum statt, was bleibt sind Filme oder Fotografien, die aber nicht nur Dokumente sind, sondern als Kunstwerke für sich stehen.

Wenn etwa eine von ihm gezündete Rakete durch den Wald fliegt, muß ihre Flugbahn so berechnet sein, dass sie nicht am nächsten Baum zerschellt, was in einem Wald nicht so einfach sein dürfte. Derartige Unternehmungen sind als öffentliche Aufführungen undenkbar. Erst die Fotografie, die lediglich den waagerechten Kondensstreifen festhält, zeichnet die Poesie einer solchen Aktion auf („Rakete“, 1978). Sie ist selbst rätselhaftes und zugleich ästhetisches Bild. Viele Werke von Roman Signer ironisieren auf eine poetische Weise unser physikalisches Normalempfinden. Das Absurde erfährt in seinen Arbeiten einen poetischen Sinn nicht zuletzt deshalb, weil das Unmögliche nicht nur geplant und ausgeführt wird, sondern auch funktioniert. Wir alle wissen, dass man Fensterläden, wenn man sie innen mit Feuerwerksraketen bestückt und diese gleichzeitig zündet, nicht nur durch deren Triebkraft öffnen könnte, sondern auch noch einen Feuerregen dazu bekäme („Aktion Kurhaus“, 1992), aber niemand außer Roman Signer kommt auf die Idee, dies wirklich zu tun. Welcher Physiker würde die Abriebkräfte in einem von einem Auto über die Schweizer Landstraßen gezogenen Kajak so weit testen, bis er in dem bis zur Hälfte herunter geriebenen Boot auf dem Asphalt sitzt? Oder wer würde über die heißen Gase des aktiven Vulkans Stromboli rote Seidenbänder schießen, nur um sie für einen kurzen Augenblick als eine Art Luftschrift bewundern zu können? Der Vulkan und seine eruptiven Prozesse – seine spannungsreiche Dramatik, das stete Warten auf einen Ausbruch und die Großartigkeit dieses geologischen Schauspiels – sind im Werk von Signer Schlüsselfiguren. Es ist ganz natürlich, dass ihn diese sensationellen Feuerberge angezogen haben und dass er ihre Prozesse in einer kleinen Vulkanologie als Skulpturen nachgestaltet hat.

Als die Ausstellung im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart – Berlin geplant wurde, lag es deshalb nahe, den Künstler auf einen besonderen Vulkan aufmerksam zu machen. Es handelt sich um ein am Ende des 18. Jahrhunderts nicht weit von Berlin errichtetes, mit Naturstein verkleidetes Ziegelbauwerk, das als Krönung den Kegel des am Golf von Neapel liegenden Vesuv nachbildet. Erbaut wurde dieser künstliche Vulkan im berühmten Wörlitzer Landschaftsgarten von einem in seinem künstlerischen Erfindungsreichtum und seinem Interesse für Vulkanologie wie ein Wahlverwandter Signers erscheinender Geist, vom Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817). An diese wunderbare Geschichte über zweihundert Jahre später mit einem Künstler wie Roman Signer anzuknüpfen, erschien so selbstverständlich, dass die Kulturstiftung Dessau Wörlitz dankenswerterweise ohne zu Zögern einwilligte, dem Künstler eine „schreckbare Explosion“ am Vesuv zu gestatten.

Im Frühjahr 2008 wird die Ausstellung im Rochester Art Center in Rochester, Minneapolis/USA, gezeigt. Zur Ausstellung erscheint eine Ausgabe des Magazins „Museum für Gegenwart“, in dem die verschiedenen Arbeiten des Künstlers zum Thema Vulkan in Bild und Text umfassend vorgestellt werden. Abgedruckt wird ein Gespräch, das Eugen Blume und Roman Signer im Sommer 2007 in Berlin über „Vulkandenken“ geführt haben. Roman Signer. Museum für Gegenwart 9/2007, dt./engl., 48. S., Preis an der Museumskasse und unter www.MuseumShop.de ca. 20 €, Vertrieb über DuMont Literatur und Kunst Verlag

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