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"Komm doch auch, sagte sie mit müder Stimme, komm doch mit in die rote Nacht!" Marie Madeleine, Der süße Rausch

Es gibt ohne Zweifel im Leben eines Menschen, heißt es irgendwo in Michel Tourniers "Erlkönig", nichts Erregenderes als die zufällige Entdeckung der Perversion, die in einem steckt und der man verfallen muss. In diesem Moment nämlich wird ein Märchen Wirklichkeit, verborgene Räume tun sich auf, Dornenhecken, Schlünde, Schluchten.

Ja, das Begehren geht oft seltsame Wege. Zumeist führen sie in künstliche Welten, entspricht die Wirklichkeit doch nur selten dem Wunsch.

Oft sind es Kopfgeburten, monströse Weiterungen des körperlich Leistbaren, aufregende, jede Realität sprengende Phantasien, Manifestationen wildester sich in und um sich selbst drehender Obsessionen.

Nein, in der Welt der Erotik ist nichts, aber auch gar nichts selbstverständlich. Vor allem ist nichts in ihr unmöglich: ob sanfteste Zärtlichkeit, aufwühlendste Leidenschaft, raffinierteste Liebestechnik - das Begehren der Menschen kennt keine Grenzen.

Im Übrigen, der uneingestanden Perverse (man möge sich nicht täuschen, er ist sehr verbreitet), der uneingestanden Perverse also, er liebt es nicht, mit seinen sexuellen Obsessionen konfrontiert zu werden. Er verfolgt sie, am liebsten bei anderen, mit seinem Hass, verlangt für sie fanatisch nach einem Deckmantel.

Ins Dunkel will er sie verbannt wissen, diese Schattenseiten seines Daseins. Und wünscht sie sich, verirrt, in die langen Korridore der Wissenschaft, von Moral umstellt. Oder zumindest als Reportage verkleidet, gewinnbringend vermarktet, missbraucht.

So leicht aber lässt sich das Begehren nicht maßregeln, bewegt es sich doch beständig, zwischen sogenannter Erfüllung und dem maßlosen Exzess der Phantasie, heimtückisch, ohne Ruhe. Und wenn es auch vergebens nach Verwirklichung sucht, ab und zu scheint es auf, in der Kunst - als Widerschein.

Und überall sind Spiegel aufgestellt. In ungeahnter Weise vervielfachen sie unsere Sehnsüchte, Lüste - gewähren Einblicke in die Geheimnisse der Liebe.

In den Spiegeln erwachen aber auch die Nachtseiten der Liebe zum Leben und Traumgesichte werden Realität.

Bücher sind solche Spiegel, aber auch Zeichnungen, Radierungen, Kupferstiche, Gemälde sowie Skulpturen, Photographien, Filme, Performances und, nicht zuletzt, Musik. Ihre Verfasser, Erschaffer, Produzenten führen uns immer wieder aufs Neue an außergewöhnliche Schauplätze, machen uns zu Zeugen von Wollust und lassen uns erleben, was wir kaum zu träumen wagen.

Michael Farin Dr. Michael Farin, geb. 1953 in Rotenburg/Wümme. Studium der Germanistik und Philosophie. Verleger, Herausgeber, Übersetzer, Hörspiel- und Drehbuchautor, Ausstellungsmacher. Publikationen: u. a. "Heroine des Grauens - Die Blutgräfin Elisabeth Bathory", "Leopold von Sacher-Masoch - Materialien zu Leben und Werk", "Ed Gein - A quiet man" (Sammelband zum realen Vorbild von Hitchcocks "Psycho"), "Die Haarmann-Protokolle" usw. Co-Autor von Romuald Karmakars Film "Der Totmacher" (drei Bundesfilmpreise), zahlreiche Hörspieladaptionen, u. a. Klaus Manns "Mephisto" oder Fritz Langs "Metropolis" (Hörspiel des Jahres 2001) sowie Ausstellungen: "Polizeireport München 1799-1999" und "Phantom der Lust" (Graz 2003).

Pressetext

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polymorph pervers - Die Nachtseiten der Liebe / The Nocturnal Sides of Love
Eine Ausstellung über das Phantasma des Begehrens
Kunstfest Weimar GmbH in Zusammenarbeit mit der ACC Galerie Weimar
Kurator: Michael Farin

mit Almin , Dimitrios Antonitsis, Katharina Arndt, Franz von Bayros, Tobias Bernstrup, Joseph Breitenbach, Günter Brus, Ernst Busch, Will Cotton, Salvador Dalí, Auguste Deveria, Raphael Dussan, Georg Oskar Erler, VALIE EXPORT/Peter Weibel, Michel Fingesten, Sylvie Fleury, Philipp Franck, Katrin Freisager, Javier Gil, Wilhelm von Gloeden, Eric Godal, Otto Greiner, August Hasemann, Walter Helfenbein, Louis Igout, Horst Janssen, Joachim John, Allen Jones, Richard Klein, Susanne Klein, Walther Klemm, Max Kleppitz, Katharina Kranichfeld, Martina Kügler, Ina Lambert, Max Liebermann, Martin van Maele, André Masson, Paul McCarthy, Hans Meid, Stefan Panhans, Martin Erich Philipp, Pierre et Gilles, Guigielmo von Plüschow, Sandro Porcu, Felicien Rops, Steffen Schäffler, Otto Schoff, Reinhard Springer, Gerhard Ullrich, Tomi Ungerer, Marcel Vertes, Matthias Vorbeck