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Nach der Übersichtsschau All Creatures Great and Small mit Tierdarstellungen in der zeitgenössischen Kunst im letzten Herbst werden nun im Rahmen der jährlich stattfindenden Wunderkammerpräsentationen Petits Fours im Salon angerichtet. In dichter Petersburger Hängung werden wieder ca. einhundert meist kleinformatige Arbeiten von etwa siebzig Künstlern in allen denkbaren Techniken und Materialien gezeigt. Das Menue umfaßt kritische, humorvolle, anregende oder auch eher unappetitliche künstlerische Kommentare zu Ernährung, Essritualen, Alkohol- und Drogenkonsum, Kannibalismus, Fast Food, Slow Food, Fehlernährung, Produktions-, Vertriebssystemen, globale Nährmittelmonopolisierung, etc.

Zu den bekanntesten Vetretern der Künste, die sich mit Kochen und Essen befassen, wie Daniel Spoerri, Dieter Roth oder Joseph Beuys gesellen sich in dieser Schau auch jüngere Kolleginnen wie Sim&Nic, Athena Kokoronis oder Dana Sherwood. Zusätzlich zu den aufgelisteten Künstlern werden noch Georg Herold, Stephan Balkenhol, Jonathan Meese und Andy Warhol mit Objekten vertreten sein.

In diesem Jahr erweitert sich der Aktionsradius des 15 qm kleinen Galerieraums auf verschiedene kooperierende Austragungsorte. So haben Frank Herzog und Berhard Peters je eine Vitrine der Spezialbuchhandlung BuchGourmet (www.buchgourmet.com) in der Passage Hohenzollernring 16-18, mit eigens dafür geschaffenen Installationen gestaltet, die über drei Monate weiter verändert werden. In der Eifeler Dépendance laden am Sonntag, dem 25. September, Sonja Alhäuser zu einem Landbankett und Ralf Witthaus in den Egggarden. Anja Dreschke und Anna Jacobsen betreuen eine kleine Filmreihe zum Thema, über die wir gesondert per mail informieren werden. Das Antiquariat Bücherparadies am Eigelstein (Tel. 0221-12 15 93) plant eine Lesung mit literarischen Delikatessen. Kulinarische Abend-veranstaltungen zum Thema finden in der Restauration Die Zeit der Kirschen, Venloerstraße, bis in den Dezember hinein statt (www.dzdk.de)

Pressetext

Kölns kleinste Galerie bietet künstlerisch-kulinarische Häppchen von Joseph Beuys über Andy Warhol bis Jonathan Meese Von Johanna Di Blasi

In ihrer Eifeler Dependance hat die Kölner Galeristin und Salon-Betreiberin Karin Barth an einem der letzten milden Sommertage in diesem Jahr zu einem Landbankett geladen. Eine Künstlerin tischte nach tage- und nächtelangen Vorbereitungen in einem zugewucherten Bauerngarten ein Gesamtkunstwerk aus Pilzen, Gartengemüse und Forellen auf. Der Glanz und die Melancholie des ausklingenden Sommers lagen über dem Festbankett, das an den Film „Babettes Fest“ erinnerte. Übrig blieben Erinnerungen an das Werden und Vergehen verdaulicher Werke und ein Stapel schmutzigen Geschirrs.

Die Schmauserei war Zutat einer kulinarischen Präsentation, die noch bis Weihnachten in Barths Salon d’Art angerichtet bleibt. Dieser befindet sich im uralten, von mittelalterlichen Mauerresten und einem dichten Gefüge von Antiquitätenläden, Schmuckgeschäften und Döner-Buden geprägten Eigelstein-Viertel. Durch eine unscheinbare Tür in einem Altbau betritt man Kölns kleinste Galerie. Wenig mehr als ein Sofa, ein Schreibtisch und ein Sessel finden darin Platz. Mit seinen zartrosa Wänden hat der „Salon d’Art, Comme ci Comme ca“ so gar nichts vom üblichen „White Cube“. Die Hausherrin lädt Besucher zum Verweilen, Teetrinken und Plätzchenessen ein. Fast könnte man vergessen, dass es sich um eine kommerzielle Galerie handelt, die auf den Verkauf der ausgestellten Bilder und Objekte angewiesen ist. Ihre alljährlichen Gruppenausstellungen gestaltet die erfahrene Kunsthändlerin und einstige Filialleiterin bei der Porzellanfirma Rosenthal in London als Wunderkammern. In „Petersburger Hängung“ sind sie dicht an dicht mit Werken von meist kleineren Formaten bestückt. Etwas anderes ließen die Räumlichkeiten gar nicht zu. Ihre diesjährige Themenausstellung rund ums Speisen, Schlemmen und Verdauen mit – durchaus erscheinglichen – Werken von rund 70 Künstlern hat die Saloniere „Petits Fours“ genannt. Petits Fours seien die „Juwelen der Backkunst“, sagt Barth. „Es sind zuckrige Törtchen mit pastellfarbenen oder silbrigen Ornamenten und kleinen, feinen Tüllen“.

Diese zu Meisterwerken verdichtete Backform ist ein treffendes Bild für eine Ausstellung, die ebenfalls große Fülle auf kleinem Raum vereint. Werke, deren Inspirationsquelle intime Einverleibungsprozesse sind und Gedanken beim wohligen Verdauen, geben überraschend Einblicke in das Temperament, die Haltungen und Manieren von Künstlern. Manche können nicht genug kriegen, einige picken sich die Rosinen heraus, wieder andere kümmern sich um die Reste.

Vom früh verstorbenen Kölner Meister der Ironie, Martin Kippenberger, ist die „Schlecht belegte Studentenpizza gepollockt“ zu sehen (leider unverkäuflich). Das „gepollockt“ ist eine Anspielung auf den amerikanischen Künstler Jackson Pollock und dessen Gewohnheit, Leinwände mit Farbe zu bespritzen. Von Andy Warhol hält Barth eine 500 Euro teure signierte Weinflasche und eine Ausgabe seines vergriffenen Kochbuchklassikers „Schmatz, Schmatz, Schmatz“ parat. Von Sigmar Polke stammt ein Auflagenwerk mit dem schwyzerdütschen Titel: „Dr Pabscht het z’Schpiez s’Schpäckbschteck z’schpät bschteut“ („Der Papst hat in Spiez das Speckbesteck zu spät bestellt“).

Dieter Roth hat Schokolade überkochen lassen, Schmutz und Schimmel geduldet und das Chaos zur Kunst erklärt. Wenn eine Kochstelle zugebreit war, hat er eine Glasplatte und einen neuen Kocher draufgestellt. Barth zeigt Roths „Selbstporträt“ von 1969: ein gerahmtes Schokoplätzchen, das seit Jahrzehnten leise vor sich hinmodert. Als eigentlicher Erfinder der „Eat Art“ gilt Daniel Spoerri. Er hat dem Salon einen Besuch abgestattet und einen Katalog mit Schokolade signiert.

Der für heftige Aktionen bekannte Shootingstar Jonathan „Erzernährer“ Meese war diesen Sommer auf Heilfastenkur in Travemünde und hat währenddessen eigens für die Salonausstellung vier „Nährgedichte“ verfasst. In ihnen klingt Verlangen nach Nahrung an und leise Verzweiflung: „Ich sitze hier so lang (aus Seide)/ mir wird’s bald bang (Getreide)/ ohne Nahrung in den Kiemen (Honig)/ reiß’er sich doch stark am Riemen (Mohn)/ bald ein Kirscheninsekt erscheine (Reis)/ zu füttern sein Gebeine (Käse)“. Zu Barths Entdeckungen zählen die wundersamen Holunderelle (Aquarelle aus Holundersaft) von Gunther Keusen und die manierlichen „Presskuchen“ der Amerikanerin Dana Sherwood. Die Künstlerin aus Pennsylvania backt Küchlein mit Kokosnüssen und Marshmallows, Ingwer und Honig, Erdbeergelee und Orangen, presst sie wie Schmetterlinge und klebt sie samt Motten, Ameisen und Hummeln, die sich an den Süßigkeiten gütlich getan haben, in Alben.

Nirgends sind die Übergänge von Kunst und Ekel fließender als in der Eat-Art. Wo mit Essen gearbeitet wird, da sind üble Gerüche nicht weit – und sei es als Imagination. Genau hier ist Thomas Rentmeisters Verbeugung vor Duchamp angesiedelt: Eine mit mehreren Kilogramm Nutella gefüllte Toilette („Mr. Clever“). Die künstlerisch entfremdete Sanitäreinrichtung nimmt im Salon den Platz neben dem Sofa ein. Bei der Vernissage musste ein mitgebrachtes Hündchen heftig am Riemen gerissen worden, um es vom ungenierten Naschen abzuhalten.

Bis in die Kölner Spezialbuchhandlung „BuchGourmet“, zu deren Stammkunden internationale Starköche zählen, ist die Ausstellung übergeschwappt. Künstler haben die Außenvitrinen des Buchladens gestaltet, während in Barths Salon auf einem Servierwagen ausgewählte Bände zum Thema Künstler und Kochen ausliegen. Neben Prachtbänden für Sternenköche und exotischen Kochbüchern in vielerlei Sprachen hält Dieter Eckel im BuchGourmet auch Bücher zu Insekten, Quallen, Kannibalismus und Kochen für Haustiere parat.

Ein Novum ist die Edition von Meisterköchen im Büstenformat für 80 Euro. Je nach Wunsch werden die Gießharzbüsten mit Pfeffer oder anderen Gewürzen überzogen. Der smarte Fernsehkoch Jamie Oliver lacht bereits vom Bücherregal herab. Die kochende Bohème-Lady Alice B. Toklas, bei der einst die Pariser Künstlerprominenz ein- und ausging, hat Eckel in den Salon entliehen. Dort passt sie bestens hin, denn auch sie war eine begnadete Salondame. Bei tristem Winterwetter hat sie nach dem Seezungenfilets in Hummersauce oder den Tauben auf Croutons Haschischkonfekt serviert.

Salon d’Art, Comme ci Comme ca, Weidengasse 55, Eingang Plankgasse, Köln, bis 16. Dezember, Jour fixe donnerstags 15-20 Uhr. (www.cccc2.de.) „BuchGourmet“, Hohenzollernring 16-18, Köln, (www.buchgourmet.com).