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Es liegt mehr als ein Jahr zurück, dass die städtische Galerie gegenstandsfreie Positionen gezeigt hat. Mit dem Maler Peter Kampehl wird ein Künstler aus der Metropolregion präsentiert, der seit langer Zeit eine nicht figürliche Malerei auf hohem Niveau kultiviert. Zwischen geometrischer oder gestischer Abstraktion hat er einen eigenen Weg gefunden, der keiner Schule, keiner bekannten Richtung angehört.

1947 in Fürth geboren, studierte Kampehl Ende der 1960er Jahre an der Nürnberger Kunstakademie. Nach einigen längeren Aufenthalten in Paris und London etablierte er sich in seiner Heimat und gehört hier zu den bekannten Malern. Er lebt und arbeitet in Nürnberg.

Ende der 1990er Jahre verloren sich langsam die „traumentsprungenen Bildmetaphern“, wie sie der Feuilletonist Walter Fenn einst genannt hatte, aus seinen Bildern. Peter Kampehl hatte sie abgeleitet aus den kleinen Einheiten der Natur, aus Blättern und Früchten und Samen und Pantoffeltierchen. Es war noch einfach gewesen, diese Formen in Analogie zu setzen zu, sagen wir einmal, Ernst Haeckels Aquarellen und Skizzen der „Kunstformen der Natur“, gleichermaßen zu organischen Grundformen von (Kleinst-)Lebewesen, als auch zu anorganischen Gebilden wie insbesondere Kristallen. Damals fand sich immer wieder mehr oder weniger deutlich die Schönheitslinie (figura serpentinata).

Mit den Bildern, die er bis etwa vor 15 Jahren malte, bezog sich Kampehl auf etwas sublim Gegenständliches in der äußeren Natur, worauf er als Maler aufmerksam machte, wofür er die Betrachter sensibilisierte, und was er durch seine kreative Arbeit begreifbar machte. Der Abstraktionsvorgang bestand darin, aus der Unendlichkeit an Wahrnehmungen Wesentliches zu extrahieren. Das war natürlich ein poetisches Unterfangen. Und diese Poesie hatten die meisten Betrachter verstanden. Wenn diese Poesie etwas Surreales hatte, dann lag das einfach in der Natur der Sache - oder war Sache der Natur, die offenbar jede noch so skurrile Form hervorbringt.

Mit Beginn der Nuller-Jahre waren solche Bildideen für Kampehl auserzählt und weggemalt. Von den kleinen Einheiten der Natur ging er zurück auf kleinere, das heißt gestalterisch noch bescheidenere Einheiten. Konkret: Der Serie der „Punkte“ folgte sogleich die der „Netze“ und die der „Linien und Bänder“.

Wie einfach sich das sagt, wie simpel sich das anhört. Dabei wurden seine Möglichkeiten aber viel größer. Die assoziative Bandbreite der Punkte, Netze, Linien, Streifen, Ringe und Bänder bei Peter Kampehl könnte man auch beschreiben als das unbeschreiblich weite Feld, das sich dem Kunstliebhaber auftut zwischen der Écriture Automatique, ganz speziellen Spielarten der informellen Kunst oder des Graffitis, technischer Zeichnung aus dem nichtdigitalen Zeitalter, Ornamentalem an und für sich und einem dingfreien Allover im Speziellen, Analogien zu den Songlines der Aborigines und den hypersensiblen Paul Klee`schen Abstraktionen. Die bildhaften Anspielungen können vielfältig sein: Von Schlangenhaut über den Blick aus der Vogelperspektive auf eine Felderlandschaft oder dem auf ein Ultraschallbild oder durch ein Elektronenmikroskop - für die Betrachter, die Assoziationen suchen…

Für die anderen Betrachter bleibt es eine Schau auf ein sanftes Chaos, von dem sie wissen, dass irgendeine Ordnung ihm eingeschrieben ist, auch wenn sie sie nicht begreifen. Das Bild als eine Wirklichkeit, die unvermittelt sie selbst ist, ohne dass sie enträtselt werden müsste. Die bildhaften Anspielungen sind nur Möglichkeiten, die durch das Gestaltsehen des Betrachters selbst aufgerufen werden, sie sind nicht mehr von Peter Kampehl intendiert, so wie das früher der Fall gewesen war. Bei den Bildern der letzten Jahre ist der Ausgangspunkt nicht mehr der Wunsch, etwas aus der sichtbaren Welt zu extrahieren, sondern es ist der intuitive, kreative Impuls als Reaktion auf eine leere Leinwand, auf ein leeres Zeichenpapier. Dann entsteht ein Dialog, ein sich selbst fortschreibender kommunikativer Prozess zwischen dem Maler und den Farben und Linien, die er auf die Leinwand aufbringt. Das erinnert stark an Barnett Newman`s Behauptung in seinem Essay „The Sublime is Now“ (1947): „Wir schaffen Bilder, deren Realität selbstverständlich ist und die ohne die Stützen oder Krücken auskommen, die Assoziationen mit veralteten Bildern, den sublimen und schönen, hervorrufen. […] Das Bild, das wir hervorbringen, ist das Selbstverständnis einer Offenbarung, real und konkret, ein Bild, das von allen, die es nicht durch die nostalgischen Brillengläser der Geschichte anschauen, verstanden werden kann.“

Wenn die Arbeiten bis vor knapp zwei Jahrzehnten Bildmetaphern waren, die Träumen entsprangen, so verzichtet Kampehl inzwischen auf alle Metaphern, zeigt uns nur noch das Träumen. Er schafft eine textlose skripturale Malerei, als würde man beim Träumen mit den Wimpern den Traum aufschreiben - in einer nicht zu enträtselnden Schrift mit einem völlig unbekannten Vokabular. Oder weniger blumig gesagt, Kampehl plädiert für ein bewusst unschuldiges Sehen.

Seinen Ausstellungstitel „Between the Eyes“ darf man getrost als eine rhetorische Frage verstehen: Wo, wenn nicht zwischen den Augen, geschieht etwas im Menschen, der Malerei betrachtet? Die Leinwand ist für uns ein Spiegel und für den Maler ein Impuls. Wenn etwas passiert beim Betrachten von Malerei, dann passiert es im Kopf des Betrachters.

(c) Hans-Peter Miksch