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Paul Thek (1933–1988) gilt als Künstler mit Kultstatus. Die bislang umfassendste Werkschau des Künstlers befasst sich mit der phänomenalen Wirkung seines Werks in der Gegenwartskunst und bestimmt Theks geschichtliche Bedeutung: vom legendären Außenseiter zum Mittelpunkt und Begründer einer Kunstströmung. Es ist gelungen, über 300 Werke Theks zusammenzutragen, die sich zum Großteil in Privatbesitz befinden und daher in der Öffentlichkeit bisher nur selten gezeigt wurden.

Against Interpretation In seiner anti-heroischen Vielstimmigkeit und Multimedialität und mit seinen Referenzen auf Kunst, Literatur, Theater und Religion gehört sein Werk (Malerei, Zeichnung, Fotografie, Video, Skulptur und raumgreifende Environments) zu den zentralen Quellen des Auf- und Ausbruchs der Kunst der 1960er Jahre. Nicht zuletzt deswegen ist ihm eines der frühen theoretischen Meisterwerke dieser Epoche, »Against Interpretation« (1962) von Susan Sontag, gewidmet. Die Abgüsse auch eigener Körperteile, Wachs-Repliken von menschlichem Gewebe, Haaren, Zähnen und Knochen in Plexiglaskästen, die er zwischen 1964 und 1967 unter dem Titel »Technological Reliquaries« herstellte, haben in ihrer Mischung aus Begehren und Abstoßung, aus Verfall und Pathos, der Welt der Ware und der Verklärung des Alltäglichen wie der Idealisierung und der Theatralisierung der korporativen Minimal Art die Wahrheit des Körpers entgegengehalten. Thek hat damit nicht nur Zeitgenossen wie Vito Acconci und Bruce Nauman, sondern auch Künstler der Gegenwart beeinflusst. Seine obsessiven, oft mystischen Inhalte, die ihn zu einem Begründer der Abject Art und Environments, bzw. Ensembles machten, wurden auf eine formale Weise vorgetragen, die den Weg öffnete für die Mischung aus Ateliersituation und totaler Raumgestaltung, aus privaten und allgemeinen Ikonen, aus profanen und religiösen Gegenständen, aus Alltag und Mythos, von beschädigten Objekten zur fragmentarischen Anhäufung gefundener Materialien, wie sie KünstlerInnen von Anna Oppermann bis Thomas Hirschhorn vorangetrieben haben.

Thek und die zeitgenössischen Künste Paul Thek ist der Inbegriff eines »Künstler-Künstlers«, dessen Einfluss bis in die jüngste Künstlergeneration reicht. Unsere Auswahl konzentriert sich – mit Ausnahmen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf die Werke jüngerer KünstlerInnen, die in einem engen Bezug zu Theks vielfältigem Schaffen stehen. Ausgehend von seinen Ansätzen zeigen sich deren Arbeiten als selbstständige Positionen im gegenwärtigen Kunstbetrieb. Vor diesem Hintergrund wird das Werk Theks aus einer aktualisierten Perspektive in den Blick genommen. Damit dienen die präsentierten Arbeiten Theks zugleich als Ausgangspunkt zur Erkundung der Arbeiten der anderen in der Ausstellung vertretenen KünstlerInnen.

Körper ohne Organe Als Amerikaner im Exil in Europa, wie schon die Lost Generation und die Beat Generation, fand Thek nach Ausstellungen in der New Yorker Stable Gallery 1964 und 1967 rasch die Anerkennung in Europa. Inspiriert vom Baustil ägyptischer Pyramiden und europäischer Kathedralen versuchte er Umwelten zu schaffen, die einerseits auf Blut und Eingeweide, Fleisch und Knochen verwiesen, sich also auf die Aura christlicher Reliquien beriefen. Andererseits sah er mit großer Schärfe die Zerstückelung des Körpers in Körperorgane, d.h. in Körper ohne Organe und Organe ohne Körper, im Zeitalter der medialen und gentechnischen Reproduktion voraus, wie sie in der Philosophie von Gilles Deleuze später formuliert werden sollte. Kunst und Leben verschmolzen in Theks Werk, das er als ein »work in progress« aus ephemeren Objekten, unstabilen Materialien und zeitlich begrenzten Installationen verstand und in dem das Band zwischen natürlicher, organischer und künstlicher, technischer Welt neu geknüpft wurde. Die Ausstellung wird auch in den Phoenix-Hallen der Sammlung Falckenberg in Hamburg (10.05.–14.09.08) gezeigt.

Kuratiert von Roland Groenenboom, freier Kurator und Thek-Spezialist, Gregor Jansen, ZKM | Museum für Neue Kunst und Harald Falckenberg, Hamburg, unter Mitarbeit von Axel Heil und Margrit Brehm.

Zu den Ausstellungen erscheint eine Monografie von Axel Heil sowie im April 2008 eine umfangreiche wissenschaftliche Publikation, herausgegeben von Harald Falckenberg und Peter Weibel.

Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung Paul Thek und Franz Ackermann, Kai Althoff / Robert Elfgen, Cosima von Bonin, Björn Dahlem, Sebastian Hammwöhner / Dani Jakob / Gabriel Vormstein, Rachel Harrison, Axel Heil / John Isaacs, Thomas Hirschhorn, Andreas Hofer, Mike Kelley, Jon Kessler, Suchan Kinoshita, Martin Kippenberger, Jonathan Meese, William Pope.L, Gregor Schneider, Zeger Reyers / Lee Ranaldo, Bob & Roberta Smith, Edwin Klein und Peter Hujar

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Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst
Kooperation: Sammlung Falckenberg, Hamburg
Kuratiert von Roland Groenenboom, freier Kurator und Thek-Spezialist, Gregor Jansen, ZKM / Museum für Neue Kunst und Harald Falckenberg, Hamburg, unter Mitarbeit von Axel Heil und Margrit Brehm

Künstler: Paul Thek und Franz Ackermann, Kai Althoff / Robert Elfgen, Cosima von Bonin, Björn Dahlem, Sebastian Hammwöhner / Dani Jakob / Gabriel Vormstein, Rachel Harrison, Axel Heil / John Isaacs, Thomas Hirschhorn, Andreas Hofer, Mike Kelley, Jon Kessler, Suchan Kinoshita, Martin Kippenberger, Jonathan Meese, William Pope L, Gregor Schneider, Zeger Reyers / Lee Ranaldo, Bob & Roberta Smith, Edwin Klein, Peter Hujar

Stationen:
15.12.07 - 30.03.08 ZKM, Karlsruhe
17.05.08 - 14.09.08 Sammlung Falckenberg, Hamburg