Kunsthalle Bremen

KUNSTHALLE BREMEN & KUNSTVEREIN BREMEN | Am Wall 207
28195 Bremen

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Der Kunstverein in Bremen stellt mit der Ausstellung Paco Knöller – Meerische Arbeit. Drucke und Zeichnungen zwei Seiten aus dem breiten Schaffen von Paco Knöller vor: Zum einen werden Knöllers monumentale Papierarbeiten gezeigt, mit denen er dem Bildmedium des Farbholzschnittes eine überraschend neue Gegenwärtigkeit zu geben versteht. Darunter befinden sich die programmatische meerische Arbeit und ausgewählte Beispiele aus den Werkfolgen der großen Schränke und der riskanten Euphorien sowie Knöllers jüngste Werkgruppe der Fraktale. Zum anderen werden knapp zwanzig seiner eindringlichen Bleistiftzeichnungen kleineren Formats präsentiert.

Die Kunsthalle Bremen führt mit dieser Ausstellung die Kooperation mit dem Berliner Kupferstichkabinett fort, das bereits unter Alexander Dückers im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin, eine Werkschau zu Paco Knöller ausrichtete. Zur Person

Paco Knöller, geb. 1950 in Obermarchtal/Donau, studierte von 1972 bis 1978 an der Kunstakademie Düsseldorf. 2001 trat er eine Professur an der Hochschule für Künste Bremen an. Er lebt und arbeitet in Berlin und Bremen. Zu den ausgestellten Werke

Die meerische Arbeit II, die unserer Ausstellung den Titel gibt, lässt den Betrachter ganz in einen blau-grünen Farbraum eintauchen. Paco Knöller hat die vier Papierbögen, aus denen er das ungewöhnlich große Bildformat von über drei mal fünf Metern montierte, zunächst in Farbfenster gerastert, die in ihrer Größe der Umdrehung der Walze entsprechen, mit der die leuchtende Offsetfarbe aufgetragen ist. Die Graduation der Farbe suggeriert zugleich deren zeitliche Bewegung und erweckt darüber hinaus den Eindruck einer gewissen Tiefenräumlichkeit. Tiefe gewinnt die meerische Arbeit II auch in den großen, überlappenden Farbblöcken, die sich am Bildgrund abgelagert haben und dort hochtreppen. Aus den streng begrenzten, schwarz eingefärbten Holzstöcken hat Paco Knöller zarte Linien geschnitten, die sich runden, zaghaft vortasten oder verästeln und im Druck den Untergrund durchscheinen lassen.

Auch wenn der Betrachter in dem blau-grünen Farbvolumen ein Wassergefilde oder ein Stück Himmel, das heißt eine Landschaftserfahrung, assoziieren mag, macht doch bereits der Bildtitel deutlich, dass Paco Knöller keine Verortung des Bildgeschehens intendiert. Mit der Wortschöpfung „meerisch“ ist der Bildraum allein konnotiert: Dieser beschreibt eine geheimnisvolle Tiefe, in der Verborgenes schlummert, sich unbestimmte Energien freisetzen und an dessen Oberfläche Dinge geschwemmt werden. Die Meerische Arbeit II bildet gleichsam eine unendliche (Traum)Sphäre, in der sich der Geist entgrenzt und ganz der Kraft des Unbewussten überlässt. Im Sichtbarmachen dieser Sphäre wird der Betrachter zum Zeugen an der Arbeit des Gedächtnisses, das „meerisch“ verfährt.

Das gilt auch für Knöllers Zeichnungen, darunter die sechs Magmatischen Blätter aus dem Kupferstichkabinett Berlin, in denen Knöller ebenfalls die Erfahrungsform der Erinnerung zur Anschauung bringt – das allmähliche Absinken, unversehene Auftauchen oder nebulöse Ineinanderschieben von Reminiszenzen.

Wie bereits in der meerischen Arbeit sucht Knöller auch in den großformatigen Werkgruppen der mehrteiligen großen Schränke und riskanten Euphorien die Entgrenzung des Individuellen in eine kosmisch-transzendente Welt von sublimer Schönheit. Dabei findet er zu einer ganz eigenen Form der Abstraktion, die sowohl von konstruktiven wie eruptiven Elementen geprägt ist. Auch in diesen Werkgruppen erschließt sich die Bedeutungsebene des Werkes im Nachvollziehen des künstlerischen Erlebnisses und Werkprozesses, und auch hier besteht dieser in einer immer wieder variierten Mischtechnik aus Malerei und Farbholzschnitt, die Knöller im spielerischen Wechsel sowohl emotional als auch intellektuell organisiert. Knöller gibt sich einem unbeschwerten Umgang mit dem Material hin, überrascht sich selbst in seiner Spontaneität und reagiert impulsiv auf die eben erst gesetzte Notation, auf „das, was vor ihm ist“ und dessen „plötzliche Gegenwart“ (P. K.).

Immer lässt Knöller Farbe und Linie in einen unmittelbaren, bisweilen symbiotischen Dialog treten, insofern die Linie mit der Farbmaterie als dem sie tragenden Grund verbunden bleibt und dadurch in ihrer Farbgebung wechselt. Obwohl das Kolorit im Vergleich zur Linie einen emotional stimulierenderen und damit suggestiveren Eigenwert besitzt, kann sich die Linie bei Knöller ihr gegenüber stets behaupten. Die Linie wird in ihrem freien Lauf selbst zur Farbe, ebenso wie die Farbe zur Linie wird.

Bei seiner jüngsten Werkgruppe der Fraktale hat Knöller zunächst in kräftigen Schlägen die Farbe – in zumeist geometrischen Formen – auf den Bildgrund gebracht. In einer zweiten Arbeitsphase folgt er dann dem dialektischen Prinzip des Aufdeckens im Verdecken, indem er die Farbmaterie mit einem streng begrenzten, monochrom eingefärbten Holzstock – oder auch einem Versatzstück davon – bedruckt. Diesen bearbeitet er im Weißlinienverfahren, so dass die mit Messern und Nägeln aus dem weichen Caibaholz geschnittenen Linien und Punkte im Druck das Farbspiel des Untergrundes wieder offen legen, während sie sich in unterschiedlichsten Arten frei durch das Raumkontinuum bewegen. Erscheinen Knöller seine Bildeuphorien zu riskant, löscht er sie in einer kurzentschlossenen Kursänderung durch eine abschließende monochrome Farbsetzung. Für die Fraktale hat Knöller bisweilen Druckstöcke eingesetzt, die er schon für die großen Schränke und die riskanten Euphorien verwandte – mal im ganzen Plattenformat, mal als Versatzstücke. Die Fraktale stehen damit in einem übergreifenden Werkkontext. Sie sind gleichsam „mehrfach gebrochen“, weisen gleichzeitig aber immer eine hohe „Selbstähnlichkeit“ auf. Aufgrund dieser Eigenschaften hat sich Knöller während des Arbeitsprozesses der Titel Fraktale aufgedrängt, ein Begriff aus der Chaostheorie und der fraktalen Geometrie. Hier bezeichnet ein Fraktal ein Objekt, das auch im kleineren Maßstab stets dieselben Grundelemente aufweist, wie oft am Beispiel des Blumenkohls aufgezeigt wird, der sich in immer kleinere „selbstähnliche“ Rosen zerlegen lässt.

Knöller hat für sich erkannt, dass sein künstlerisches Werk in seiner noch so großen Komplexität und bei aller Emphatie im Vorgehen nicht frei ist von ganz spezifischen Strukturen und dass er aus einem ihm eigenen, fraktalen Bildspeicher schöpft, der zugleich seine künstlerische Identität ausmacht.

Zur Ausstellung erscheinen eine Edition eines Farbholzschnittes (100 x 70 cm) in einer exklusiven Auflage von zwölf Exemplaren zum Preis von 880,- Euro (Bestellungen bitte z.Hd. von Sabine Heuß/Museumsshop: F. 0421/329 08-47 oder heuss@kunsthalle-bremen.de) und der KatalogPaco Knöller – Fraktale (80 Seiten, 40 Farbabb.) Pressetext

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Paco Knöller – Meerische Arbeit. Drucke und Zeichnungen