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Die Ausstellung Consciousness . Meditation . Watcher On The Hills im Kunstverein Braunschweig zeigt eine Auswahl der wichtigsten Werkkomplexe von On Kawara – die Serien Today, I am still alive und One Million Years – Serien, die innerhalb seines Oeuvres den Fokus auf die Natur des menschlichen Bewußtseins lenken. Die Ausstellung ist eine Kooperation der Ikon Gallery, Birmingham, und des Le Consortium, Dijon, die seit November 2002 durch die bedeutendsten Institutionen der Welt tourt.

On Kawara wurde bekannt durch zahlreiche Arbeiten, die die einfache Tatsache seiner Existenz dokumentieren – Telegramme und Postkarten, die er seit 1969 bis heute immer wieder an Freunde und Kollegen schickt, und sein bislang bekanntestes Werk, die Today-Serie, die insgesamt mehr als zweitausend der Date Paintings [Datumsbilder] umfaßt. Der Künstler selbst meidet die Öffentlichkeit. Er gibt keine Interviews, er läßt sich nicht fotografieren und erscheint nie zu den Eröffnungen seiner Ausstellungen. Jede auffindbare Biografie über ihn meidet sein Geburtsdatum und verweist nur auf seinen Geburtsort in Japan. Indem er sich auf diese Weise selbst innerhalb einer Kunstszene, die besonders großes Interesse am Künstler und seiner Person zeigt, isoliert, verlagert sich der Nachdruck auf die einfache, jedoch bedeutsame Wahrnehmung des Verstreichens der Zeit und auf andere Mittel der Kommunikation.

Die Ausstellung zeigt die bislang selten ausgestellte und vielfach in der Kunstkritik rezipierte Zeichnung Sundays of 100 Years von 1964, die insgesamt 100 Sonntage aufzeichnet. Eine zweite Serie umfaßt eine Auswahl von Date Paintings, die jeweils einen Sonntag im Jahr seit 1966 bis 2003 aufzeichnen. Date Paintings sind zumeist kleine Gemälde auf Leinwand, die im Hinblick auf Größe und Farbe jedes Jahr leicht variieren und auf denen das aktuelle Datum ihrer Entstehung mit weißer Farbe aufgemalt ist. Der Künstler fertigt die Date Paintings in über einhundert Städten überall auf der Welt an. Die Sprache der Bilder bestimmt sich jeweils nach dem Ort, an welchem das Bild entsteht, mit der Ausnahme von Orten wie beispielsweise Japan oder Hongkong, wo das römische Alphabet nicht als erste Sprache gebraucht wird (On Kawara gebraucht anstelle dessen Esperanto). Der vielleicht wichtigste Aspekt bei der Herstellung der Date Paintings ist der Zeitraum von acht bis neun Stunden, die für jedes von ihnen benötigt werden. Die Buchstaben und Zahlen werden nicht mit Hilfe einer Schablone, sondern in unendlicher Geduldsarbeit und sichtbarer Genauigkeit von Hand gemalt.

Kawaras Medium ist weniger Pinsel und Farbe als vielmehr die langsam verstreichende Zeit. Jedes Bild beansprucht die physische und mentale Substanz des Tages, an dem es entsteht. Die Bilder sind in ihrer Herstellung von ausgesprochener Präzision: Vier bis fünf Schichten Farbe fügen sich zu einer weichen, geschlossenen Oberfläche, die jeglichen individuellen Ausdruck verweigert. Sie stehen metaphorisch für die Erinnerung an die Zeit, die der Künstler benötigte, sie anzufertigen.

1969 schickte On Kawara einem Freund ein Telegramm: "I am not going to commit suicide – Don’t worry" [mach Dir keine Sorgen, ich begehe keinen Selbstmord]. Seitdem versendet er von Zeit zu Zeit Telegramme an seine Freunde und Kollegen mit der Nachricht: "I am still alive" [ich lebe noch]. Diese Art der Einfachheit läßt sich auch in weiteren Arbeiten des Künstlers finden, die alltägliche Handlungen mit Titeln wie beispielsweise I Read mit detaillierten Angaben zu dem jeweilig vom Künstler in der Tageszeitung Gelesenem und I Met mit Listen von denjenigen Personen, die der Künstler getroffen hatte, zelebrieren. I Got Up besteht aus einer großen Anzahl von Postkarten, die der Künstler mit der genauen Uhrzeit, zu welcher er aufgestanden ist, gestempelt hat: "I got up at 9.39 a.m." Ursprünglich in ihrer Funktion für die Kommunikation von wichtigen, eiligen Nachrichten gedacht, vermitteln Telegramme eine Dringlichkeit. Vor der Erfindung von Fax und Email waren sie der schnellste Weg, geschriebene Worte zu senden, und obwohl nicht länger üblich, bleibt ihr symbolischer Charakter bestehen. Die sich konstant durchziehende Nachricht auf den Telegrammen korrespondiert dabei mit der Einförmigkeit der Date Paintings. Jede Variation innerhalb dieser Arbeit bringt Erleichterung. Bei den Telegrammen variiert beispielsweise Form und Sprache der einzelnen Dokumente, ebenso wie Datum und Ort der Transmission und Name sowie Adresse des Empfängers.

One Million Years - Past und One Million Years - Future sind zwei sich ergänzende Arbeiten, die das Medium von maschinengeschriebenem Text berühren. Jede der zehn Volumen umfassenden Arbeiten beinhaltet zwanzigtausend Seiten von Jahreszahlen, jeweils 500 auf jeder Seite. One Million Years - Past beginnt mit 998.031 BC (vor Christus) und endet im Jahr 1969. Die Serie One Million Years - Future beginnt mit dem Jahr 1980 und endet mit dem Jahr 1.000.980 AC (nach Christus) mit der Widmung: for the last one [für den Letzten]. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen ist gleichwertig mit ein paar Zeilen, die Geschichte der Menschheit wird auf ein paar Seiten reduziert.

Die Ausstellung wird von einem Katalog begleitet, der von der Ikon Gallery und Le Consortium herausgegeben wurde. Ergänzend dazu erscheint eine Broschüre mit einem einführenden Text von Lucy R. Lippard. Prseetext