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Eröffnung Freitag, 21. November, 20 Uhr

Der Kunstverein Hannover präsentiert die erste umfassende Einzelausstellung des israelischen Künstlers Omer Fast (*1972) in Deutschland. Der in Berlin lebende Künstler gehört zu den markantesten Film- und Videokünstlern der jüngeren Generation. In seinen zumeist als Mehrkanal angelegten Filminstallationen erweist sich Narration als untrennbare Verbindung aus Erinnerung und Fiktion, Tatsachen und Imagination. Anhand von sechs zentralen Arbeiten bietet die Ausstellung einen facettenreichen Einblick in sein bisheriges Schaffen. Ein Großteil der Arbeiten wird erstmals in Deutschland gezeigt.

Fast war bereits in wichtigen internationalen Ausstellungen vertreten, darunter allein in diesem Jahr auf der Whitney Biennale, der Liverpool Biennale und der Manifesta 7 in Trentino sowie 2007 im Museum moderner Kunst, MUMOK in Wien. Für seinen Film The Casting (2007) wurde er im Rahmen der Whitney Biennale des New Yorker Whitney Museum of American Art im April 2008 mit dem Bucksbaum Award ausgezeichnet. Am 29. Oktober wurde Fast in Berlin für den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst nominiert.

In seinen aufwändig konstruierten Filmen stellt Fast unterschiedliche Erzähl- und Zeitebenen nebeneinander und verschränkt persönliche Erinnerung und rekonstruierte Geschichte, Dokumentation und Fiktion in fast unauflösbarer Weise miteinander. In ihnen untersucht Fast die Transformation von Erinnerung in Geschichte und die Struktur medialer Wahrheitsmodelle. Dabei dekonstruiert er die Darstellungskonventionen der Film- und Fernsehindustrie und vermeidet es, Erinnerung und Erfahrung als lineare Erzählung wiederzugeben. Ausgangspunkt seiner Arbeiten sind häufig präzise Ereignisse, die Fast anhand von Recherchen, Interviews oder vorgefundenem Material rekonstruiert. Sein Interesse gilt der Formbarkeit von Bedeutung: Aufgezeichnetes Ton- und Bildmaterial unterschiedlicher Herkunft wird fragmentiert, rekombiniert und das Geschehen in eine Vielzahl von Bedeutungsebenen aufgesplittet.

Für das Video CNN Concatenated (2002) zerlegte Omer Fast unzählige CNN-Nachrichtensendungen in einzelne Worte und setzte daraus eine neue Sendung Wort für Wort zusammen. Die Konstruktion des neu entstandenen Textes bleibt auf der visuellen Ebene sichtbar, indem mit jedem Wort auch der Sprecher wechselt. Aus unzähligen Sprechern formt sich eine neue anonyme Stimme, die die Notwendigkeit des Sehens und Erlebens gegenüber dem Wissen und Verstehen betont. Die Videoinstallation Glendive Foley (2000) zeigt sogar die dokumentarische Aufnahme von Häuserfronten einer amerikanischen Vorortsiedlung in Glendive, Montana als Konstruktion: Auf einem gegenüber aufgestellten Monitor ist Omer Fast selbst zu sehen, wie er sämtliche Hintergrundgeräusche der Vorstadtidylle synchronisiert.

In De Grote Boodschap (2007) verwendet Fast den schlichten Aufbau von Fernsehserien, um aus mehreren Szenen in drei verschiedenen Räumen eine sich wiederholende Geschichte ohne Anfang und Ende zu konstruieren. In jeder Szene versucht ein Paar, vergangene Ereignisse zu erinnern oder aus unbestimmten Hinweisen Zusammenhänge herzustellen. Ein Vorgang, der sich beim Betrachter wiederholt: Die filmisch schlüssige Präsentation behauptet einen narrativen Zusammenhang der einzelnen Szenen, der für den Betrachter dennoch rätselhaft bleibt.

Deutlich sichtbar ist dagegen die Montage in der Mehrfachprojektion The Casting (2007). Zwei Erzählungen eines US-Soldaten vermischt Omer Fast zu einer Erzählung und illustriert sowohl den Prozess des Erzählens als auch die Geschichten mit detailreichen „Tableaux vivants“. Die neue Geschichte springt visuell zwischen Handlungsorten in Bayern und im Irak und verknüpft persönliche Erfahrungen und Traumata im privaten wie militärischen Leben des Soldaten. Oszillieren die visuell brillanten Darstellungen zwischen scheinbar authentischer Dokumentation und ihrer Inszenierung, so deckt die Rückseite der Projektionen die Konstruktion auf. Die Vermischung der zwei zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefundenen Gespräche des Künstlers mit dem Soldaten wird durch eine grobe Schnittfolge offensichtlich und entzieht dem Gezeigten jegliche Grundlage von Authentizität und Wahrheit. Die Arbeit schafft mühelos ein verwirrendes Geflecht aus Dokumentation und Narration, Erinnerung und Phantasie oder Realität und Fiktion.

Mit Take a Deep Breath (2008) begibt sich Omer Fast ästhetisch in den Bereich der Hollywood-Filmproduktion. Dabei wird der Prozess des Filmens und damit die Produktion von Fiktion zum Gegenstand der Handlung und der Illusionsmaschinerie. In selbstironischer Weise wandelt Omer Fast einen dokumentarischen Augenzeugenbericht in eine filmische Dokumentation über einen Film, in dem ein Selbstmordattentat nachgestellt wird, und zieht den Betrachter in einen spannenden und verblüffenden Kreislauf einer Erzählung über die Erzählung selbst.

Stehen bei den bisherigen Filmen Omer Fasts die Montage, Produktion und Konstruktion von Fiktion und Narration im Vordergrund, so wird bei Looking Pretty for God (2008) die Form der Dokumentation auf eine fiktiv-metaphorische Ebene gehoben. Ohne jemals tatsächlich einen Leichnam zu zeigen, berichten Bestatter aus dem Off von ihrer Arbeit, Verstorbene für ihre letzte Präsentation vorzubereiten. Neben Innenaufnahmen von US-amerikanischen Bestattungsunternehmen sind aber im Wesentlichen Kinder bei einem Fotoshooting zu sehen. Den dokumentarischen, scheinbar neutralen Blick verlässt Fast endgültig, wenn die Kinder den Off-Text der Interviewten zu sprechen scheinen. Tod und Leben, Schein und Sein fließen ineinander über und werden austauschbar.

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Omer Fast
Kurator: Rene Zechlin