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In der Auseinandersetzung mit Körper, Zeit und Raum entwickelt der Künstler Olaf Nicolai (*1962 Leipzig) seit 1997 unterschiedlichste interdisziplinäre Arbeiten. Sein neuestes Projekt, »Escalier du Chant«, ist eine Soundinstallation, die speziell für den großen Treppenaufgang in der Pinakothek der Moderne entstanden ist. Im Zentrum der Arbeit steht die menschliche Stimme– in ihrer sinnlichen Ausdruckskraft und politischen Dimension.   Olaf Nicolai hat zwölf internationale Komponisten und Komponistinnen eingeladen, Lieder zu aktuellen politischen Ereignissen des laufenden Jahres zu schreiben - Ereignissen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenso wenig absehbar sind wie die Kompositionen selbst. Als A Cappella-Stücke werden diese Lieder an zwölf Sonntagen auf der großen Treppe der Pinakothek der Moderne uraufgeführt. Es gibt keine festgelegten Aufführungszeiten, die Lieder werden zu unterschiedlichen Zeiten mehrfach am Tag wiederholt. Es singen die Neuen Vocalsolisten, Stuttgart.   Die Liedbeiträge des Komponisten Rolf Riehm (»Zwei Frauen«) befassen sich mit zwei gegensätzlichen Persönlichkeiten unserer Gegenwart: mit der Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani, die in ihrem Land wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, und mit der US-amerikanischen Popsängerin Lady Gaga. Riehms Lieder beziehen sich, mit den Worten des Komponisten, auf »Zwei öffentliche Körper, in denen sich auf diametrale Weise manifestiert, welche Formen heutzutage die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper und damit über die eigene Existenz annehmen kann. (…) Bei Frau Ashtiani ist es ein mit menschenrechtsverletzenden Methoden operierender totalitärer Staat, bei Lady Gaga ist es eine alle Grenzen bisheriger Inszenierungsformate übersteigernde Selbstinszenierung (…) Frau Ashtiani sind alle Möglichkeiten der Selbstbestimmung aus der Hand genommen, Lady Gaga hingegen hat sie alle mit souveräner Raffinesse an sich gezogen.« (Rolf Riehm)     Bei den Kompositionen von Elliott Sharp handelt es sich um Balladen, die sich zwei kürzlich verstorbenen Persönlichkeiten – dem Mathematiker Benoît Mandelbrot und dem unter dem Pseudonym Captain Beefheart bekannten Musiker Don Glen Van Vliet – widmen. Ein Lied thematisiert Bradley Manning, einen amerikanischen Angehörigen der US-Streitkräfte, der im Mai 2010 unter dem Verdacht verhaftet wurde, der Internetplattform WikiLeaks Daten zugespielt zu haben.

Mika Vainio nimmt die Nachricht über Chinas neue Technologie zur Wiederverwertung abgebrannter Uran-Brennstäbe in der Wüste Gobi zum Ausgangspunkt für seinen Beitrag. James Saunders macht die Selbstorganisation der Proteste gegen den Sparkurs in der Bildungspolitik der neuen britischen Regierung zum strukturbildenden Prinzip seiner Komposition.    James Saunders ist während der ersten Performance am 30.01. anwesend.   Olaf Nicolai verwandelt mit seinem Werk die Treppe der Pinakothek der Moderne in eine Bühne, auf der sich die Besucher als Akteure wiederfinden. »Bei meiner Arbeit geht um die Bedeutung des Klangs – auch im Titel der Arbeit: Durch das Aussprechen des französischen Werktitels »Escalier du Chant« ergibt sich eine Anspielung auf Marcel Duchamp. Dessen vor 100 Jahren entstandenes Gemälde »Akt, eine Treppe herabsteigend« erweiterte radikal die traditionelle Vorstellung des unbewegten Bildes um die Seh-Erfahrungen des bewegten. Das Gemälde von Duchamp lässt Zeit sichtbar werden. Auch meine Arbeit verbindet eine Treppe mit einer Zeiterfahrung.«

Erste Performance:                                              30.01.2011 mit Liedern von Rolf Riehm, James Saunders, Elliott Sharp und Mika Vainio   Weitere Performances: 27.02. /  27.03. / 17.04. / 29.05. / 26.06. / 31.07. / 28.08. / 25.09. / 30.10. / 27.11. / 18.12.

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Olaf Nicolai
Escalier Du Chant
Kurator: Bernhart Schwenk

12 Performances mit Liedern von Tony Conrad, Georg Friedrich Haas, Georg Katzer, Liza Lim, Samir Odeh-Tamimi, Enno Poppe, Rolf Riehm, James Saunders, Rebecca Saunders, Elliott Sharp, Mika Vainio, Jennifer Walshe