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„Meine Fotos entstehen aus Beziehungen, nicht aus Beobachtungen.” Nan Goldin

Ihre Fotos berühren und schockieren – heute ebenso wie vor 30 Jahren. Sie faszinieren jedoch nicht unbedingt aufgrund der Themen zwischen Glamour und Gosse mit raren Momenten von Normalität und Glück, sondern wegen ihrer radikalen Intimität. Nan Goldin nähert sich mit der Kamera nur denen, die ihr nah stehen und fängt so sensibel das alltägliche Leid aus Krankheit, Abhängigkeit, Gewalt und Exzess ein. Sie nimmt nicht nur Anteil am harten Leben ihrer Freunde und Familie, sondern ist selbst elementarer Teil. Immer wieder verweisen ihre fotografischen Innen- und Außenansichten auf die Verflechtung mit ihrem eigenen Schicksal. Das akute Elend der anderen wird gleichsam zum Bild ihrer eigenen elenden Befindlichkeit.

Die Unmittelbarkeit ihrer Bilder ist darin begründet, dass ihr Voyeurismus auf den Exhibitionismus ihrer Umwelt trifft. Drogenmissbrauch, sexuelle Hörigkeit, diffuse Geschlechterrollen und die Folgen von AIDS konnte Goldin als eine der ersten so direkt dokumentieren. Mit diesem höchst politischen visuellen Tagebuch durchbricht sie immer noch Tabuthemen. Auch in ihrer Bildsprache ist diese persönliche Nähe, Lebenslust und menschliche Wärme stets präsent. Ihre Fotografien sind keine perfekten Bilder, sondern Schnappschüsse. Zum Teil farblich unausgewogen und verschwommen sind sie Bekenntnisse zu einem professionellen Dilletantismus. So stellt sich bei ihren Bildern die klassische Frage nach der Authentizität oder Konstruktion von Realität durch das Medium Fotografie nicht. Denn näher als Goldin kann man am abgebildeten Geschehen kaum teilhaben.

C/O Berlin präsentiert fünf Dia-Projektionen zum Teil erstmals in Berlin: „The Ballade of Sexual Dependency” (1981), „All By Myself” (1995/96), „Heartbeat” (2003), „The Other Side” (2008) und „New Kids Show” (2008). Diese Dia-Serien sind stark verdichtete Erzählungen und Erinnerungen, die musikalisch mit einem von Goldin zusammengestellten Soundtrack unterlegt sind. Sie werden für jeden Präsentationsort erweitert und neu geordnet, um veränderten Stimmungen, Gefühlen, Eindrücken und Erinnerungen gerecht zu werden. Goldin hat ein besonderes Gespür, ihre Dia-Shows so zu arrangieren, dass sich statische Bilder zu bewegen scheinen und in ihrer Abfolge filmisch-narrativen Charakter bekommen.

Nan Goldin, geboren 1953, gilt als eine der einflussreichsten Dokumentarfotografinnen des späten 20. Jahrhunderts. Sie wächst in Boston auf. Nach dem Selbstmord ihrer Schwester 1965 beginnt Goldin mit dem Fotografieren, um ihre Erinnerungen unauslöschlich zu machen. Nach dem Studium an der School of the Museum of Fine Arts und an der Tufts University in Boston wechselt sie zur Farbfotografie. 1974 entsteht Goldins erstes Ausstellungsprojekt an der Universität in Cambridge. 1977 schließt sie ihr Studium ab und zieht ein Jahr später nach New York. Ihr Freundeskreis, dem sie als Familienersatz große Bedeutung beimisst, liefert die Motive für Goldins Bilder in den späten 1970er und frühen 80er Jahren. 1988 muss Goldin sich einem Drogenentzug unterziehen und beginnt dabei mit einer Serie von Selbstportraits, in denen sich ihre emotional erlebte Situation deutlich widerspiegelt. Durch den Verlust mehrerer Freunde in den folgenden Jahren aufgrund von AIDS-Infektionenen rücken Anfang der 1990er Jahre wieder andere Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Goldin verbringt auf Einladung des DAAD ein Jahr in Berlin und wird 1995 am Institute of Contemporary Art in Boston zusammen mit Künstlerkollegen als Teil der neuen „Boston School" ausgestellt. Bereits ein Jahr später wird ihr eine Retrospektiv-Ausstellung im Whitney Museum of American Art in New York gewidmet. Goldin lebt und arbeitet in Paris.

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Nan Goldin. Poste Restante. Slide Shows/Grids