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Die Kunststiftung NRW vergibt zum dritten Mal ihren internationalen Medienkunstpreis, den Nam June Paik Award. Das Kölner Museum für Angewandte Kunst präsentiert vom 2. September bis 12. November 2006 die acht nominierten Arbeiten. Einer der Ausgestellten erhält am 5. November 2006 die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung. Außerdem verleiht die Kunststiftung den Förderpreis NRW 2006 in Höhe von 15.000 Euro an einen jungen Künstler aus Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen der Ausstellung kommt am 15. September 2006 die mit dem Förderpreis 2004 ausgezeichnete Digitale Oper „Beguiling Orpheus“ zur Uraufführung.

Die Bandbreite der Ausstellung, die im Dialog mit der Architektur des Museums steht und sich über alle Stockwerke erstreckt, bewegt sich zwischen interaktiven Installationen, Projektionen und ortsbezogenen Arbeiten:

Jennifer Allora und Guillermo Calzadilla waren unter anderem auf der Biennale in Venedig, der Tate Modern und im Walker Art Center vertreten, aber auch auf dem weltweit wichtigsten Dokumentarfilmfestival IDFA Amsterdam. Sie zeigen das Video „Returning a Sound“, die Dokumentation einer subversiven Aktion am Rande eines militärischen Sperrgebiets der USA in ihrer Heimat Puerto Rico. Die Arbeit interpretiert politische Wahrnehmungs- und Kommunikationssysteme und problematisiert die Erfahrung von Kunst.

Auch der US-Amerikaner Matthew Buckingham pendelt zwischen Film- und Kunstwelt. Bereits in einer ganzen Reihe von Arbeiten hat er sich mit kollektiver Erinnerung auseinandergesetzt, so auch in Muhheakantuck – everything has a Name.“ Der anspielungsreiche und poetische 16mm-Film, ein Hubschrauberflug um die Insel von Manhattan, entdeckt vergessene und verschüttete Geschichte. Buckingham beschreibt seine Arbeit so: "Vergangenen Ereignissen Bedeutung zu- oder abzusprechen ist eine Art, die Gegenwart zu definieren. In diesem Sinne fungiert Erinnerung weniger als Instrument der Rückkehr und Erforschung der Vergangenheit, sondern als ein Theater, in dem wir vergangene Ereignisse hier und jetzt zur Aufführung bringen."

"Der nüchterne Blick auf die Realität, aber auch seine Verzerrung ins Absurde, wie der Umgang mit den Publikumserwartungen" (Artist Kunstmagazin) sind Kennzeichen der minimalistischen Arbeiten der britischen Künstlerin Ceal Floyer. Sie interessiert sich für verborgene Potenziale, das nicht Sichtbare. Dennoch schließen sich Reduktion und Poesie bei ihr nicht aus, wie etwa bei „Apollinaris“ zu beobachten: Die Spritzer über einem Glas mit Sprudelwasser werden zu Hauptdarstellern einer Videoarbeit. Ebenfalls in Köln zu sehen ist „Unfinished“, eine Videoschleife über das Däumchendrehen.

Marcellvs L. aus dem brasilianischen Minas Gerais, mit dem Logo-artigen V im Namen, lässt mit minimalen Mitteln für den Betrachter kleine Geschichten entstehen. Häufig bildet er in seinen Arbeiten auf sehr eindringliche Art soziale Realitäten ab. Um die singuläre Wirkung des Moments zu verstärken, nutzt er vor allem Eingriffe auf der Ebene der Zeit. In Köln zeigt er eine assoziationsreiche Videoarbeit: Seile, die sich im Wasser bewegen, sind in einer Doppelprojektion scheinbar über eine Raumecke gespannt. Die Installation bezieht ihren Reiz aus dem effektvoll-minimalen visuellen Ausgangsmaterial.

Robert Langh aus Ungarn schuf zunächst Videoarbeiten und künstlerische CD-Roms, bevor er sich Computer-Installationen zuwandte. Seine neueste und sehr komplexe interaktive Installation „Image Surfer – Montage Builder“ nutzt das Internet als Bildgeber: Der Besucher manipuliert ein Panoramabild, indem er eine Art Steuer mit Bildschirm im Raum bewegt. Der Computer sammelt Massen von Bildern im Netz, die er in visuelles Material verwandelt. So verlieren sie ihre Unversehrtheit und Identifizierbarkeit und fügen sich in das Panoramabild ein. Es entsteht eine neue Welt der Bilder, ein zufälliger Konzeptualismus der im Hintergrund programmierten Begriffe, die die Suche nach den Ausgangsbildern leiten.

Die Gruppe „ressentiment“ aus Japan wird in Köln zunächst einmal ausführlich shoppen gehen, bevor sie sich an die Gestaltung ihres Raumes machen. Die Kölner Version von „Ikisyon 18“ macht Gegenstände aus Ein-Euro-Läden und aus der Sammlung des Museums zu Hauptakteuren eines automatischen Videos, bei dem der Computer Aufnahme, Schnitt und Vorführung kontrolliert. Die Künstler von „ressentiment“ sind an der Verschiebung vorhandener Bedeutungen und Werte interessiert, um den Betrachter zu überraschen. Die Gegenstände, die sie aussuchen, um ihre eigenen Mythologien zu erzählen, dienen als Metaphern der beobachteten Gesellschaft.

Abu Ali alias Toni Serra lebt in Barcelona und dem marokkanischen Duar Msuar. Seine Arbeiten sind sowohl in Museen wie dem Centre George Pompidou in Paris, bei Medienkunst- und Filmfestivals, aber auch im Popkontext, wie etwa beim Sonar Festival, zu sehen. Im Museum für Angewandte Kunst zeigt er drei DVDs mit mehreren Filmen zum jeweiligen Themenkomplex: „ El Hamdulillah Tapes“, „1991 Next hundred Years“ und eine DVD mit einer Auswahl aus „TV Code Series“ und „Babylon Archives“ – ein Themenblock, der unter anderem digitale Trainings- und Simulationssysteme für den Kriegseinsatz dokumentiert.

Stephen Vitiello aus den USA ist ein Sound- und Medienkünstler, der auch als Ausstellungskurator wirkt, eine umfangreiche Diskografie aufzuweisen hat und unter anderem mit Tony Oursler, Joan Jonas, Julie Mehretu, Scanner, Pauline Oliveros und Nam June Paik zusammengearbeitet hat. In seiner Arbeit interessiert ihn vor allem der physische Aspekt von Sound und dessen Potenzial, die Form und Atmosphäre eines Raumes zu definieren. In Köln stellt er „Fear of high Places and natural Things“ aus: Große Basslautsprecher hängen von der Decke herab und kreuzen die Stockwerke des Museums. Für den Menschen akustisch nicht unmittelbar wahrnehmbare Niederfrequenztöne lassen die Boxen pulsieren und werden so optisch erfahrbar.

Eine Jury unter Vorsitz von Udo Kittelmann, Direktor des Museum für Moderne Kunst Frankfurt, hat die Arbeiten für die Ausstellung zum Nam June Paik Award 2006 ausgesucht. Mitglieder waren darüber hinaus Antoni Muntadas (Barcelona/New York), Solange Farkas (Sao Paulo), Yukiku Shikata (Tokio) und Miklos Peternak (Budapest). Eine zweite Jury unter der Leitung von Prof. Dr. Raimund Stecker (Münster) wählt aus dieser Vorrunde den Nam June Paik Award und den Förderpreis NRW 2006 aus.

Die Digitale Oper „Beguiling Orpheus“ von Gleb Choutov, Maxim Tyminko und Maja Ilic, die den Förderpreis NRW 2004 im Rahmen des Nam June Paik Award bekam, wird am Freitag 15. September 2006, uraufgeführt. Weitere Vorstellungen folgen am 16. und 17. September. Der Eintritt kostet zehn, ermäßigt sechs Euro, Karten gibt es unter Telefon (0221) 221-23860 und an der Abendkasse.

In Planung sind darüber hinaus ein internationales Symposium zum Thema „Kunsttechnologie – Technologiekunst“ und ein umfangreiches Begleitprogramm, das die Ausstellung ergänzt.

Die Ausstellung für den Nam June Paik Award nominierten Arbeiten entstand als Kooperation der Kunststiftung NRW mit dem Museum für Angewandte Kunst und der SK Stiftung Kultur. Dr. Birgitt Borkopp-Restle, Direktorin des Museums für Angewandte Kunst, sieht den Medienkunstpreis als große Chance für ihr Haus, experimentellen Projekten eine Plattform zu geben, neueste Tendenzen aufzugreifen und diese spielerisch, aber auch kritisch im Sinne Paiks zu untersuchen. "Der Gestaltungswille erobert immer weitere Bereiche. Vom kreativen Impuls einer Utopie bis zur konkreten Ausarbeitung setzt sich das Museum für Angewandte Kunst mit diesen aktuellen Positionen künstlerischen Wirkens auseinander. Es will dabei selbst für Präsentation und Diskurs neue Konzepte entwickeln, die sich mit den Begriffen „Labor“ und „Forum“ umreißen lassen.

Pressetext

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Nam June Paik Award 2006
Internationaler Medienkunstpreis der Kunststiftung NRW
Kurator: Michael Staab

Nominierte Arbeiten:
Allora & Calzadilla, Matthew Buckingham, Ceal Floyer, Marcellvs L., Robert Langh, ressentiment Group, Abu Ali alias Toni Serra, Stephen Vitiello

www.namjunepaikaward.de