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Das Nationalmuseum ist der Ort, an dem sich politisch gewonnene oder erzwungene Einheit kulturell herstellen soll. Ihm kommt die Aufgabe zu, unterschiedliche Ethnien, Kulturen und Sprachformen eines Landes zu Vorstufen einer nationalen Verschmelzung umzuwerten.

Durch den fortschreitenden Prozess der Globalisierung und damit einher gehenden Rückbau des Nationalen wird das Nationalmuseum als Reflexionsort einer Gesellschaft mehr und mehr durch das Kunstmuseum abgelöst. War das Nationalmuseum lange Zeit der zentrale Ort kultureller Selbstvergewisserung innerhalb einer Nation, so präsentiert sich heute die Kunst als das System, in dem gegenwärtig das avanciertesten Verständnis von Internationalität zu finden ist. Den quasi öffentlichen Auftrag, Reflexionsort einer postnationalen Gesellschaft zu sein, instrumentiert die Kunst auch dort, wo politische und gesellschaftliche Realitäten wenig bis gar nicht thematisiert werden ("Louvre Abu Dhabi").

Der Ausstellungstitel National Museum Neverland leitet sich ab von einem zentralen, groß-formatigen Fotoprint einer Collage Sebestyéns. Aussenansichten des anlässlich der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten Ghanas gegründeten National Museum Accra finden sich hineinmontiert und überwuchert von üppiger Vegetation. Maya-Städten gleich versinkt das Exportgut Architektur in der Collage und wird zurück in die biologische, soziale und architektonische Wildnis geholt. In Anlehnung an Joel Coens Film "The Hudsucker Proxy", in dem eine Skyline von Manhattan zu sehen ist, die zwar alle realen Wolkenkratzer beinhaltet, diese aber in einer frei erfundenen Konstellation zueinander zeigt, findet sich das Material der Collagen weitgehend auch in der beim Fotografieren vorgefundenen Wirklichkeit, die einzelnen Elemente jedoch gegenüber der Realität in ihrer Position zueinander verschoben.

Das Re-Arrangement der Collage bildet den Hintergrund für die Inszenierung eines temporäres Museums, in dem eine Gruppe von Skulpturen ihre eigene Bedeutung fortwährend kurzschliesst: Eine Auswahl von handgefertigten Glasvasen changiert zwischen den Zuständen "Gebrauchsgegenstand" (Nationalmuseum) und "Kunstwerk" (Kunstmuseum). Präsentiert auf einem mannshohen weissen Cuboid verwandeln sie sich schließlich in eine Skyline, während sich die cuboide Skulptur durch die auf ihm abgestellten Vasen von einer Skulptur in einen Sockel verwandelt. Weitere Vasen und Schalen sind auf einer Gruppe weisser Bänke platziert, die sich, ihren Gebrauchswert aufgebend, zu einer dynamisierten Skulpturen-Gruppe arrangieren und wie Blöcke eingestürzter Gebäude übereinander lagern.

Der Schwindel der sich über die Uneindeutigkeit des Arrangements zwischen Design, individualistischer Handwerkskunst/Tribal Art und Post International Style legt, ist dabei weniger den Projektionen auf das Fremde geschuldet, sondern dem Niemandsland im den sich individuelle und nationale Identitätskonstruktionen heute befinden.

Nada Sebestyén ist 1968 geboren und in Griechenland und Deutschland aufgewachsen. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Mehrere Reisen führten sie nach China, in die Mongolei, nach Indien, Pakistan, Ghana, in die USA und in die Türkei. Mobilität und Sesshaftigkeit sind Gegenstand der Arbeiten von Nada Sebestyén. Für das von ihr gegründete Modelabel NADA hat Sebeytyén unter anderem Schutzkleidung für Nicht-Sesshafte entworfen. In NaPerformances, Plastiken, Fotocollagen und Diaserien thematisiert sie die Frage: Wo, wann und wodurch wird der Mensch heimisch?