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Die Weserburg zeigt auf der 3. Etage der alten Speicherhäuser Werke aus den Beständen ihrer Sammlungen, ergänzt durch einzelne Leihgaben aus Privatbesitz. Im übertragenen Sinne meint „Nach der Sprache“ einen Bereich innerhalb der bildenden Kunst, welcher sich nicht ohne Weiteres in Worte fassen, formal leicht taxieren oder hinreichend beschreiben lässt. Es geht um Bilder, Skulpturen und Installationen, die auf den ersten Blick hermetisch erscheinen, sich aber schon auf den zweiten Blick direkt an den Betrachter wenden und eine besondere Dialogsituation ermöglichen. Da ist zum Beispiel das Werk „Pictures at an Exhibition“ von Jochen Gerz, in dem es um das Zusammengehen von Bildvorstellungen und Klängen geht. Man kann auf zehn Bildtafeln „Sieh mich nicht an“, „Beschreibe mich nicht“, „Komm mir nicht zu nahe“ u.a. lesen. Es liest sich beinahe wie ein Dekalog striktester Bilderverbote und zielt doch auf unsere unveräußerlichen „inneren Bilder“, also Erinnerungen, Vorstellungen, Sehnsüchte und Träume.

Auch Modest Mussorgskys berühmte Klavierkomposition ist mit im Spiel, die direkt neben dem Werk über Kopfhörer zu vernehmen ist: Sie ist Teil des Werkes von Gerz und ihre Klänge bereichern die auf den ersten Blick so apodiktisch wirkenden Texte. Das was die Bilder verweigern, malt die Musik auf ihre Weise aus und bereichert so die Phantasie.

Thomas Lehnerers Figurenkreis hingegen konfrontiert den Betrachter mit 74 kleinen Skulpturen, allesamt figurative „Menschenbilder“, die hier augenfällig das alle Kulturen dieser Welt übergreifende Bedürfnis nach Selbst-Darstellung unter Beweis stellen. Darunter findet man afrikanische, ozeanische und ägyptische Gestalten und Idole, aber natürlich auch solche aus dem europäischen Kulturkreis und viele vom Künstler handgemachte und in Bronze gegossene Figuren. Man kann in den Kreis eintreten und ein Teil des Ganzen werden, ohne dass dabei die für eine Betrachtung notwendige „ästhetische Distanz“ und das Vermögen zu unterscheiden, verloren gehen.

Daneben gibt es beeindruckende „ungegenständliche“ Bilder von Gotthard Graubner, Rolf Rose, Günter Umberg, Stephan Baumkötter und Gaylen Gerber. Diese Werke konfrontieren die Besucher mit Farbräumen, changierenden, irritierenden, das Sehen selbst zum Thema machenden ästhetischen Erfahrungen. Es lohnt sich, diese wirklich nur auf den ersten Blick monochrom erscheinenden Bilder aus mehreren Perspektiven zu betrachten, um die Vielfalt der farblichen Valeurs, die raumbildenden Eigenschaften von Farbe und damit auch die Spannbreite der Möglichkeiten, ein Bild auf die eine oder andere Weise sehen zu können, zu erleben.

James Lee Byars‘ beinahe erhabene Goldskulptur „Figure of Man“ steht dem trügerisch glitzernden Folienwerk „Blister“ von Christian Haake gegenüber. On Kawaras 102 Postkarten aus einer Bremerhavener Privatsammlung werden mit Byars‘ schneeweißer Marmorkugel „The Head of Plato“, Yuji Takeokas schwarzglänzendem „Corner Work Kuro“ und Christian Boltanskis „Les Regards“ konfrontiert: 13 Augenpaare, die den Besucher aus der Ferne intensiv zu beobachten scheinen, während gegenüber Jochen Gerz in seinem Video „Rufen bis zur Erschöpfung“ auf tragische Weise Kontakt mit uns aufnehmen möchte.

Die ausgestellten Werke gehen aufeinander ein, sie bilden Beziehungsgeflechte untereinander und schaffen dadurch permanent Dialogsituationen – natürlich auch mit und vor allem in Hinblick auf den Betrachter, mit dem sie als Dialogpartner rechnen. Auf diese Weise ergeben sich immer wieder neue Querverweise, Achsenbezüge, Einsichten und Interpretationsmöglichkeiten, die weit über ein rein interesseloses Wohlgefallen hinausgehen.

Die von Peter Friese zusammengestellte Werkschau zeigt ausgewählte Arbeiten aus den Beständen der Weserburg, der Sammlung Böckmann, der Sammlung Sylvia und Ulrich Ströher, der Sammlungen der Bremer Landesbank, der Sammlung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Stiftung Bremer Bildhauerpreis, des Studienzentrums für Künstlerpublikationen und mehreren Privatsammlungen.

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: Martin Assig, Robert Barry, Stephan Baumkötter, Christian Boltanski, Gaylen Gerber, Jochen Gerz, Michael Gitlin, Gotthard Graubner, Kristján Gumundson, Christian Haake, On Kawara, Dieter Kiessling, Thomas Lehnerer, Jean-Luc Mylaine, Norbert Radermacher, Rolf Rose, Norbert Schwontkowski, Yuji Takeoka, Günter Umberg.

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Kunstwerke aus den Sammlungen
Nach der Sprache

Künstler:
Martin Assig, Robert Barry, Stephan Baumkötter, Christian Boltanski, Gaylen Gerber, Jochen Gerz, Michael Gitlin, Gotthard Graubner, Kristjan Gudmundsson, Christian Haake, On Kawara, Dieter Kiessling, Thomas Lehnerer, Jean-Luc Mylayne, Norbert Radermacher, Rolf Rose, Norbert Schwontkowski, Yuji Takeoka, Günter Umberg.

Kurator:
Peter Friese