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"mode of art", so der Ausstellungstitel, meint Modalitäten der Kunst, meint Arten und Weisen der Kunst, meint Kunstweisen. Wie Kunst auftritt, will gezeigt werden, wie Kunst sich zeigt; welche Ausdrucksmittel zur "Aufführung" kommen, welche Medien Verwendung finden ... und wie diese Arten und Weisen spezifische Träger sind von Aussagen, die eben diese erfordern, wie sie evident werden im dialektischen Verhältnis von Form und Inhalt ... Dies ist der thematische Horizont, unter dem diese Ausstellung stattfindet.

Dass alles geht, wie es uns seit nunmehr Jahren und Jahren die Protagonisten der ideologieüberwindenden Postmoderne vorbeten, dass nun alles möglich und erlaubt sei, hat in Ermangelung profunder Fragehorizonte dazu geführt, dass gleichsam re-ideologisiert alles gehen muss, dass alles möglich und erlaubt sein muss. Aus dem Blick geraten ist so die Bereitschaft, nach der Notwendigkeit der Ausdrucksmittel als adäquatem Medium des Ausdruckswillens zu fragen. Nur weil Erweiterungen von Bildkonzeptionen erfunden worden sind, ist doch nicht zu folgern, dass dadurch hermetische Bildkonzepte obsolet geworden wären. Nur weil Installationen den gesamtkunstwerklichen Ansprüchen offensichtlich eher genügen, ist doch nicht eine Installatitis zu rechtfertigen, die zeitweise unheilbare Auswüchse annimmt. Und nur weil die elektronischen Medien unseren Alltag immer mehr bestimmen und weil Wirtschaft und Politik – übrigens ein knappes Jahrhundert nach der Avantgarde in den Künsten – ihre globale Herausforderung endlich auch erkannt haben, ist es doch nur als eine fatale Bloß-Mode (fashion) zu begreifen, wenn sich der Kunstbetrieb diesem Mainstream der Ideologiekommunikation unterwirft. "mode of art" kann diesen Irrtümern nicht Einhalt gebieten. "mode of art" kann diese kunstbetrieblichen Geschwüre nicht stoppen. Aber "mode of art" möchte seinen Teil dazu beitragen, dass über diese Auswüchse als Auswüchse diskutiert wird.

In welche technologischen und finanziellen Abhängigkeiten begibt sich eigentlich die Kunst, wenn zu ihrer Produktion und Design-Pomp-Ausführung Apparate bewegt werden müssen? Wo existieren noch die so notwendigen nonkonformen Anarchismen, wenn nicht in der Kunst? Welche Schöpfungspotentiale gibt eine Gesellschaft eigentlich auf, wenn sie den Elfenbeinturm ausdörrt, in dem nur ein Individuum noch zu denken und zu arbeiten vermag (welch' Vermögen!)? Der Marsch durch die Instanzen ist mittlerweile so etabliert, dass neue Märsche organisiert oder neue Strategien entwickelt werden müssen, um dem besitzstandssichernden Establishment der ehemaligen Vorhut (Avantgarde) ein retrogardes Gouvernement unmöglich zu machen. Die Avantgarde hat sich in den Akademien eingenistet und gebiert avantgarde-akademistischen Kitsch oder eben – und der Titel unserer Ausstellung spielt im Deutschen selbstverständlich mit dieser Ambivalenz – nur noch absatzorientierte Moden.

Einzig, so meine ich, kann aus diesem Dilemma der rechte Weg gefunden werden, indem die Form – die Weise, wie die Kunst sich zeigt – in eine dialektische Beziehung gestellt wird zu ihrem Ausdruckswillen, zu ihrem Inhalt. Wenn sich das vom Künstler zur Anschauung zu bringende Interesse im Medium der Zeichnung ausdrücken läßt, dann wäre jedweder weitere materielle Aufwand redundanter Ballast. Wenn die Komplexität seines Interesses sich hingegen nicht auf Papier reduzieren lässt, dann – und nur dann! – sind Installationen und Skulpturen, Film- und Videoprojektionen wie Malereien notwendig und ökonomisch (hier nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch und rationalistisch verstanden). "mode of art" stellt signifikante Beispiele für diese künstlerische Konsequenz und Stringenz vor. Wobei selbstverständlich diese Kriterien der Evidenz und Ökonomie nicht nur konzeptuell, sondern auch – wenn nicht gar: vor allem – sinnlich verstanden sein wollen. Überbordende Sinnlichkeit als verstärkendes Moment für den kunstwerklichen Gehalt nämlich ist künstlerisch höchst ökonomisch. Denn Sinnlichkeit ist das Fundament künstlerischer Ausdrucksweisen, dasjenige, das das Konzeptuelle erst zum Aufscheinen bringt – evident zum Aufscheinen!

Raimund Stecker

mode of art - offene Grenzen Die Grenzen scheinen offen. Es ist wieder en vogue, Künstler zu sein. Mit der Aura der Künstlerschaft schmücken sich heute viele: Kochkünstler, Modekünstler, Gestaltungskünstler, Designkünstler, Werbekünstler ... jeder, der das Dasein als kreativen Prozeß empfindet, nennt sich Lebenskünstler. In den letzten Jahren feierten auch mehrere Ausstellungen unter der Parole des Crossover das Ineinandergreifen von Lifestyle – von Mode, Design, Musik, Medien – und bildender Kunst als die Innovation und die kulturelle Leitlinie der neunziger Jahre. Ausstellungen wie "Art&fashion", "Jam. style+music+ media", "Mode&Art", "Looking at fashion" propagierten das "Anything goes".

Foto: Ohne Titel 1999 von Thomas Rentmeister (im Vordergrund) Abgesehen davon, dass diese Grenzen schon seit Beginn der Moderne durchlässig sind, die Künstler sich kaum je auf ein Medium und Thema beschränken wollten, und abgesehen davon, dass – wie Raimund Stecker zuvor beschrieben hat – auch die Produktion im "Kunstbetrieb" von Moden nicht unberührt bleibt, bilden der angewandte Bereich und die Kunst fundamentale Gegensätze. Bereits die Produktions- und Rezeptionsbedingungen sind unterschiedlich. Die Mode etwa – auf diesem Gebiet kokettiert man in letzter Zeit verstärkt mit dem Status der Kunst – zielt letztendlich auf den kommerziellen Erfolg. Sie kann vordergründig subversiv sein, bleibt im Kern jedoch immer "affirmativ" (wenn man eine unmodische, von Theodor W. Adorno verwendete Bewertungskategorie aufgreift). Sie unterliegt Bedingungen, Zwängen und Ansprüchen, die auf Kunst nicht anwendbar sind. Wenn Künstler scheinbar leichtfüßig die engen Grenzen zum Lifestyle überschritten haben, dann, weil sie grundsätzlich Grenzen überschreiten.

Doch hat Kunst keine Funktion, richtet sich nicht auf ein benennbares Ziel hin aus, sondern ist Selbstzweck, subjektiv, auf den ersten Blick asozial. Ihr Wert mißt sich nicht an kommerzieller Verwertbarkeit, der Maßstab entwickelt sich aus sich selbst – aber auch im Umgang mit anderen künstlerischen und kulturellen Phänomenen: Auch Künstler sind Kinder ihrer Zeit, lediglich ihr Blick ist ein anderer. Den Maßstab bilden Experiment, Innovation, Selbstbefragung und die Fähigkeit zur Reflexion der sinnlich erfassbaren Realität. Kunst entsteht immer mit dem Risiko, im Atelier zu scheitern.

"mode of art" will daher keine These visualisieren oder ästhetisch belegen, vielmehr ein Spektrum fruchtbarer künstlerischer Positionen vorstellen, die mehrschichtig oder zumindest ambivalent auftreten. "mode of art" stellt Arbeiten vor, die sich an Realitätsphänomenen orientieren.

Diese Arbeiten fußen in unserer Zeit, scheinen leicht erfassbar zu sein; doch ihnen eignet allen eine weitere Dimension. Der gläserne Designtisch von Johannes Wohnseifer erweist sich als hintergründige Replik eines Stealth-Bombers, einer jener hochgezüchteten Kriegsmaschinen, wie sie im Kosovo vom Himmel gefallen sind. Eine vereiste Platte von Ralf Berger, kunstimmanent in die Tradition der Arte povera oder als Überschreitung des Tafelbildes einzuordnen, erweist sich als gefrorener Speichel der Besucher. Esra Ersen lässt Fingerabdrücke auf Wänden und Türen der Kunsthalle, Spuren von Künstlern und Besuchern, von der Düsseldorfer Kriminalpolizei mit erkennungsdienstlichen Methoden ermitteln, als ob kriminelle Handlungen stattgefunden hätten. Jårg Geismar findet Groteskes, indem er menschliche Silhouetten in Modezeitschriften aufdeckt und wendet. Solche Wirkungen erzeugen auch Cary S. Leibowitz' schmerzhaft selbstentäußernde Zeichnungen und Parolen (sie sind im übrigen lange vor den Frivolitäten einiger "Young British Artists" entstanden).

Michael Ashkins Spielzeuglandschaften stellen eine desaströse Welt am Tag nach der Katastrophe vor. In Saskia Niehaus' Zeichnungen setzt ein ganzer Kosmos kreatürlicher Wesen, der wie bei Goya die menschlichen Abgründe spürbar macht, die psychologische Reflexion, aber auch die Phantasie in Gang. Auch Sonja Alhäusers Position erscheint nur vordergründig heiter: Ihre Schokoladenmaschine – ein Becken flüssigsüßer Masse, in der eine menschliche Figur versinkt – evoziert archetypische Ängste. Wenn Claus Goedicke Gemüse photographiert, entkleidet er seine Motive der appetitanregenden Wirkung, erzeugt trotz Nähe Distanz und produziert das Künstliche im Natürlichen. Umgekehrt erzielt Thomas Rentmeister mit skulpturalen Kriterien gesteigert artifizielle Objekte, die ihresgleichen eher im Designbereich finden – das hochtechnoide Äußere ist Folge eines handwerklichen Schaffensprozesses im Atelier.

Sumi Maro erschafft in altmeisterlicher Feinmalerei seine subjektive Sicht, interpretiert seine Passionen nicht ohne Humor zu modernen Devotionalien um. Rowena Dring monumentalisiert urbane Sichten, wie sie uns von Kinderbuchillustrationen bekannt sind. Richard Patterson mischt in seinen Darstellungen der Musikgruppe Spice Girls virtuos die verschiedenen Stile des Farbauftrags. Indem die dritte Malerin, Heike Kati Barath, die liebenswert zu Archetypen der Kindheit transformierten Motive gekonnt überspitzt, befreit sie sich von jeder kunsthistorischen Determinierung des Farb- und Formenvokabulars. Rebecca Bournigault zeigt sich selbst in einer besonderen emotionalen Situation, entblößt sich nicht nur körperlich vor dem Betrachter. Fiktionalität und Reales, Persönliches und Ästhetisches, die herkömmlichen Ebenen von Kunstproduktion und -rezeption verschmelzen. Anders hingegen der Umgang von Eulàlia Valldosera mit dem Medium Video: Trotz avancierter Stilisierung und formaler Prägnanz erzählt ihre Installation eine alltäglich erscheinende Geschichte. Der Zuschauer selbst wird mit seiner Silhouette Akteur ihres Schattentheaters.

Als Exempel künstlerischer Handlung zeigen diese Künstlerinnen und Künstler, dass Kunst nicht aufgrund einer formalen Aufgabe, nicht als kommerzielle Strategie, nicht auf den intellektuellen Inhalt reduziert, sondern zuvorderst mit dem Risiko des Scheiterns entsteht. Kunst bleibt nicht nur im Atelier ein Risiko.

Michael Krajewski

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mode of art
Modalitäten der Kunst
Kurator: Michael Krajewski

Künstler: Sonja Alhäuser, Michael Ashkin, Heike Kati Barath, Ralf Berger, Rebecca Bournigault, Rowena Dring, Esra Ersen, Jarg Geismar, Claus Goedicke, Cary S. Leibowitz, Saskia Niehaus, Richard Patterson, Thomas Rentmeister, Sumi Maro, Gavin Turk, Eulalia Valldosera, Johannes Wohnseifer