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«Tracking Happiness» ist der Titel der vom 28. August – 8. November 2009 im Kunsthaus Zürich laufenden Ausstellung des jungen Rumänen Mircea Cantor. Sie handelt vom Spuren legen und verwischen im Zeitalter von Computer-Kommunikation und elektronischer Überwachung. In Videos, Fotos, Objekten und Installationen stellt Cantor die digitale Informationsgesellschaft auf den Prüfstand. Und er tut dies mit viel Poesie.

Die Idee des Spurenlegens ist eine Grundmetapher von Mircea Cantors Kunst. In der Ausstellung «Tracking Happiness» reflektiert er eine Gesellschaft, in der immer mehr persönliche Informationen gespeichert werden: Biometrische Datenbanken kreieren Profile, die Aufenthaltsorte der Menschen und ihre Reisewege lassen sich per Handy-Satelliten bestimmen, die Konsumgewohnheiten dank Kassenscanner und den Einsatz von Kredit- und Mitgliederkarten problemlos nachvollziehen.

DAS «AUS» DER SPUREN Was Cantor fasziniert und was er auf subtile Weise aufdeckt, ist die Tatsache, dass trotz dieser sich stetig verdichtenden Registrierung aller Aktivitäten die digitalisierten Daten wenig dauerhafte Spuren hinterlassen. Kaum ein Brief der noch geschrieben oder aufgehoben wird und in Zukunft Aufschluss geben könnte, wie wir gelebt haben; E-Mails, SMS und die digital gespeicherte Informationsfülle können jederzeit ganz einfach per Knopfdruck gelöscht oder durch Systemwechsel in der IT unlesbar werden. Der Künstler spürt diesem vermeintlichen Paradoxon des dauernden Spurenaufzeichnens und -verwischens in einer speziell für die Ausstellung entstehenden Videoarbeit nach. Die Idee des Spurenlegens ist aber für Cantors Werk insgesamt zentral. Mit feinen, fast unsichtbaren Gesten schleicht er sich in unseren Alltag ein, bringt bekannte Zeichen und Symbole ins Wanken und inszeniert eine sich ständig verändernde Realität, die sich kaum verorten lässt. In der Arbeit «Landscape is changing» (2003), in der eine kleine Gruppe «Demonstrierender» durch die Strassen Tiranas zieht, tragen die Teilnehmer anstelle von Transparenten mit politischen Forderungen, wie man es in einem Demonstrationszug erwarten würde, Spiegel, die die Umgebung wie Splitterwerk reflektieren und kaleidoskopartig verzerrte Bilder erzeugen. Wofür wird demonstriert? Wird jemandem ein Spiegel vorgehalten? Mircea Cantor lässt die Antwort offen. Je nach Betrachter kann die gelegte Spur anders interpretiert werden. Cantor setzt auf Irritation, auf Themen wie Grenzen und deren überschreiten. Er tut dies sowohl in realem wie auch übertragenem Sinn, beispielsweise in der Arbeit «Chaplet» (2007). Dort sieht der Betrachter von weitem etwas, das aussieht wie ein Stacheldraht der über die Ausstellungswände gespannt wurde. Erinnerungen an provisorische Grenzziehungen oder militärische Absperrungen werden wach. Doch bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass der Stacheldraht aus Fingerabdrücken des Künstlers besteht. Cantor spielt auch hier mit der Idee von Kontrollieren, Registrieren und Spurenlegen, öffnet mit dem Titel («Chaplet» heisst Rosenkranz) aber auch eine neue Lesart.

STAATLICHE MACHT UND LEERE Das «Ausschneiden von Bedeutung» und das Thema der Leere, die Raum für neue Interpretationen schafft, ist ein wiederkehrendes Motiv in Cantors Werk. Der Inkjet-Print «All the directions», eine frühe Arbeit aus dem Jahr 2000, zeigt den Künstler beispielsweise autostoppend am Strassenrand mit einem leeren Schild in der Hand, das er den Autofahrern entgegenhält. Der 16mm-Film «Shadow for a While» (2007) – der den Schatten einer Fahne zeigt, die verbrannt wird – ist ein eindrückliches Bild für das Auflösen von Ideologien und bestehenden (nationalen) Gemeinschaften, wie sie der 1977 in Rumänien geborene und heute in Paris arbeitende Cantor selber miterlebt hat. Politische und ökonomische Machtstrukturen sind ebenfalls ein wiederkehrendes Thema im Werk des Rumänen. Dies zeigt beispielsweise die 2009 entstandene Arbeit «Dimensions variable» – eine überdimensionierte Reitpeitsche, aus den Flaggen der G8-Staaten geknüpft. Sie gibt einerseits einen prägnanten Kommentar ab zur Debatte um die Machtorgane, die die heutige Welt regieren, ist andererseits aber auch ein stofflich feines, fast romantisches Kunstwerk, das unterschiedliche Interpretationen zulässt.

VIELSEITIGER KÜNSTLER Mircea Cantor arbeitet je nach Kontext mit unterschiedlichen Medien: von Video, Foto über Objekte und Installationen bis hin zu eher ephemeren Erscheinungsformen wie Aktionen oder Zeitungsinseraten. Trotz seines jungen Alters kann er bereits auf eine eindrückliche Karriere zurückblicken. Er hatte Einzelausstellungen im Camden Arts Centre (London), im Centre Pompidou (Paris), wurde im Hirshhorn Museum Washington und dem Philadelphia Museum of Art ausgestellt und nahm an wichtigen internationalen Veranstaltungen wie der Manifesta, der Berlin Biennale und der São Paolo Biennale teil. Das Kunsthaus Zürich zeigt die erste Einzelausstellung Cantors in der Schweiz. Sie wird von Mirjam Varadinis kuratiert, die den Künstler bereits für die Gruppenausstellung Shifting Identities 2008 ans Kunsthaus einlud. Cantor produziert für das Kunsthaus mehrere neue Arbeiten, darunter zwei Videos in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach und der Edition Bewegte Bilder. In einem Künstlerbuch wird der Ausstellungsgegenstand und Cantors Werk vertiefend dokumentiert. Die Publikation wird am Kunsthaus-Shop erhältlich sein.

Unterstützt durch die Dr. Georg und Josi Guggenheim–Stiftung

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Mircea Cantor
Tracking Happiness