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Homeless Berlin besteht aus einer Serie transfigurativer Porträits Obdachloser Männer in Berlin. Neben einer Grossinstallation im öffentlichen Raum werden acht einzelne Bilder in der Galerie Kai Hilgemann präsentiert.

"Mein Name ist Dieter Binder, ich lebe am Potsdamer Platz, Berlin."

Sie leben unsichtbar unter Brücken, in U-Bahnschächten, sie bauen ihre Hütten auf Brachflächen und Hinterhöfen – die Obdachlosen Berlins. Der Künstler Milovan Markovic hat sie aufgesucht, interviewed und gemalt.

So entstand eine Serie beeinduckender Portraits, die Auskunft geben nicht nur über den Lebensweg eines Menschen, sondern auch über die sozio-kulturellen Bedingungen seines Umfeldes. Beide Elemente einzufangen in einem intensiven Portrait ist das Ziel seiner transfigurativen Malerei.

Ob in den Ruinen Belgrads, auf den Brachflächen Berlins oder unter Tokios Brücken - so unterschiedlich wie die persönlichen Lebensgeschichten der Portraitierten und der Bedingungen ihrer Gesellschaften sind, so sehr ähnelt sich ihre Präsenz innerhalb des sozialen Gefüges der Städte: Sie sind unsichtbar. Ökonomisch spielen sie keine relevante Rolle und sind daher gesellschaftlich nicht sichtbar. Während erfolgreiche Werbegesichter im Großformat tausendfach von den Häusern und Billboards der Metropolen strahlen und dabei die Fahne der kapitalistischen Produktions- und Verwertungsgesellschaft tragen, finden sich keine Images der Gescheiterten dieser Gesellschaft.

Markovic dreht diese Politik der Repräsentation um. Durch seine transfigurativen Portäits erhebt er den seiner sozialen Stellung beraubten Mensch zur Ikone und stellt ihn den allgegenwärtigen Prototypen der Erfolgsgesellschaft gegenüber. Aus dem transkribierten Lebensberichten des obdachlosen Mannes wird eine Textpassage ausgewählt, die die Persönlickeit des Menschen, die Umstände seines Scheiterns und den Einfluss der Kultur und Gesellschaft des Landes erfasst. Mit Pigmentfarben auf Leinen aufgetragen werden die Texte zu transfigurativen Porträits unsichtbarer Menschen moderner Großstädte. Auf einem riesigen Bannern im Herzen der Stadt präsentiert, erzählt das Porträit von einem anderen Leben und hinterfragt dabei die Funktionsweisen und Repräsentationsmechanismen unserer Gesellschaft.

Die Transfigurative Malerei Milovan Markovics Durch die Beschäftigung mit ikonografischer Malerei der Religionen des Balkans entwickelte Markovic früh eine skeptische Haltung zum figurativen Portrait. Auf der Suche nach einer neuen Form der Darstellung entstanden von 1994 seine bisher bekanntesten Arbeiten, die "Lipstick Porträits". In dieser Serie portraitierte Markovic 12 weltbekannte Frauen unterschiedlicher Herkunft und Profession und ließ ihre bekannten Gesichter hinter glänzenden monochrom-roten Flächen verschwinden. Als Farbe dienten bis zu 100 Lippenstifte ostdeutscher Produktion, deren Ton den Charakter der Porträitierten widerspiegeln. Die glänzenden und satten Farbflächen auf chinesischer Seide werden von schweren goldenen Rahmen gefasst, auf denen Bronzeplaketten auf die Dargestellten verweisen. So entstanden geheimnisvolle Porträits von Hillary Clinton (pink), Aung San Suu Kyi (Malve) bis Catherine Deneuve (dunkelrot). Während wir das vertraute Gesicht suchen, bewegen die Bilder den Betrachter zur Reflexion über den Menschen und sein medienvermittelte "Image".

Die Portraits der Serie Homeless Berlin folgen einem anderen Ansatz. Dem satten Make-Up ikonenhafter Frauen folgen pigmentierte Textfragmente unbekannter Randexistenzen, wobei die Textfarbe der Hautfarbe des Porträitierten nachempfunden ist. Textausschnitt und Farbgebung vermitteln dem Betrachter einen tiefen Einblick in den Charakter des Menschen. In den Räumen der Galerie werden neben den acht Porträits aufgezeichnete Videointerviews, sowie Fotografien ihrer derzeitigen Heimat zu sehen sein. Konnte ein Betrachter der Lipstick Porträits noch das allgegenwärtige weil mediale vermittelte Image der gemalten Frauen im monochromen Rot suchen, so geben ihm die Interviews mit den Obdachlosen einen Einblick in das echte Leben eines gesellschaftlich unsichtbaren Menschen. Hierbei offenbart sich der treffende Blick des Porträitisten. Die Interviews und Fotos, welche begleitend in der Galerie gezeigt werden, ergänzen lediglich das Bild der Menschen - deren Charakter und sozio-kulturellen gesellschaftlichen Hintergrund Markovic in seinen Bildern intensiv eingefangen hat.

Pressetext

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Milovan Markovic: Homeless Berlin 2006
Transfigurative Malerei im öffentlichen Raum und in der Galerie Hilgemann