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In einer umfassenden Einzelausstellung zeigt die Sammlung Goetz mehr als 40 Werke des amerikanischen Künstlers Mike Kelley. Das Spektrum reicht von frühen Gemälden aus dem Jahr 1976 bis zu großen Installationen aus seiner Kandors-Serie von 2007 und zeigt das vielfältige mediale Schaffen des Künstlers in ausgewählten Einzelpositionen. Mehrere große Rauminstallationen, zum Teil mit aufwändigen Videoprojektionen, werden ergänzt von Zeichnungsserien, einer Audioinstallation, Skulpturen sowie zahlreichen Videos. Bereits im Jahr 2000 wurden Arbeiten von Mike Kelley gemeinsam mit denen von Peter Fischli und David Weiss in der Sammlung Goetz gezeigt. Durch weitere Ankäufe in den letzten Jahren hat Ingvild Goetz weltweit eine der größten Konvolute von Werken Mike Kelleys in einer Privatsammlung zusammengetragen. Dadurch ist es nun möglich, einem der bedeutendsten Künstler der Gegenwart eine umfassende Einzelwerkschau zu widmen, deren kuratorisches Konzept von ihm selbst entwickelt wurde.

Kelleys Werken liegt seit Beginn seines künstlerischen Schaffens die Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Gesellschaftssystem zugrunde. Er arbeitet konzeptuell und multimedial. Kelleys Denken und Handeln wurde geprägt von einer Künstlergeneration, zu denen Joseph Beuys, Vito Acconci, Dennis Oppenheim, Bruce Nauman und Chris Burden gehören. Seine intensiven Auseinandersetzungen mit Sprache werden ergänzt durch sein Interesse für Sound und Musik und sind ursprünglich beeinflusst von dadaistischen Künstlern wie Kurt Schwitters und Raoul Hausmann. Bands wie MC5 oder die Stooge und auch die Gegenbewegung der Sechziger Jahre, weckten im jungen Kelley das Interesse an der bildenden Kunst. Die Quellen für seine Werke reichen von der amerikanischen Hippie- und Punkbewegung, Karikatur und Folklore bis hin zur christlichen Ikonografie und historischen Recherchen. Nach der Abkehr von eigenen Performances, wurde Kelley einem größeren Publikum ab 1987 durch seine Serie Half a Man bekannt. Darin verwendet er erstmals Alltagsobjekte, vor allem second-hand Objekte.

In seinen auf den ersten Blick spielerisch wirkenden Installationen wird der Betrachter bei eingehender Auseinandersetzung auf die Ebenen des eigenen Unterbewusstseins verwiesen, auf verdrängte Erinnerungen und sexuelle Konditionierung. Kelley setzt sich intensiv mit psychologischen Prozessen, wissenschaftlichen Modellen, Verhaltensmustern und sexuellen Identitäten auseinander.

In der Ausstellung der Sammlung Goetz werden diese Ansätze in den beiden Installationen Citrus and White (1991) sowie Unisex Love Nest (1999) untersucht. In der erstgenannten Installation wird ein von der Decke hängendes Knäuel abgenutzter Stofftiere in regelmäßigen Abständen mit Fichtennadelduft aus Düsen zweier futuristischer Wandskulpturen besprüht, der eine vermeintlich reinigende, neutralisierende Wirkung haben soll. Die zweite Installation ist die Neuschaffung eines amerikanischen Vorzeigekinderzimmers nach dem Vorbild eines Frauenmagazins. Der Werktitel Unisex Love Nest sowie das auf dem Fernsehmonitor gezeigte Video Cross Gender/Cross Genre weisen den Betrachter jedoch in eine andere Richtung: Die Infragestellung der traditionellen Geschlechterrollen. Ebenfalls mit tradiertem Rollenverhalten befasst sich die Rauminstallation Alma Pater (Wolverine Den) von 1990. Sie bezieht sich auf die Sportästhetik von Kelleys eigener Alma Mater, der University of Michigan in Ann Arbor. Er kritisiert die typische Haltung amerikanischer Universitäten, die dem Sport den Vorrang gegenüber der liberalen Kunsterziehung geben. Der Raum folgt einer hauptsächlich männlichen Ästhetik mit dunklen Farben und den typischen Sportmotiven.

Die Extracurricular Activity Projective Reconstruction Serie (2000-heute) ist eine geplante Serie von 365 Einzelvideos und Videoinstallationen. Dabei handelt es sich um nachgestellte Szenen von Fotografien, die Kelley in Highschool-Jahrbüchern gefunden hat und ihm dazu dienten, erfundene Geschichten zu konstruieren. Die Bilder haben häufig eine karnevaleske, sexuelle oder künstlerische Anmutung. Unter dem Titel Day Is Done wurden die Nummern 2 – 32 der Serie zusammengefasst. Mit den großen Installationen Woods Group, Lonely Vampire und Joseph Supplicates (alle 2005) zeigt die Sammlung Goetz drei der wichtigsten Werke aus dieser Serie.

Räumlich und chronologisch bilden die Skulptur und Projektion Kandor 7 (2007) den Abschluss der Ausstellung und präsentieren exemplarisch Kelleys jüngste Arbeit. „Kandor“ heißt die Hauptstadt des Planeten Krypton aus der Comicserie „Superman“. Kelley hat unterschiedliche Darstellungen derselben Stadt als Skulpturen rekonstruiert.

Mike Kelley wurde 1954 in der Gegend um Detroit geboren. Er studierte zunächst an der University of Michigan, Ann Arbor, und 1978 schloss er mit einem MFA (Master of Fine Arts) am renommierten CalArts (California Institute of the Arts) in Valencia sein Studium der Kunst ab. Seitdem lebt er in Los Angeles. Bis etwa 1987 machte er häufig Performances und erweiterte seine Auftritte parallel mit Ausstellungen von Bildern. Er arbeitet in unterschiedlichen Medien, wie Installation, Zeichnung, Malerei, Video, Musik und Skulptur. Er ist Mitglied der Band Destroy All Monsters (Hauptmitglieder sind Cary Loren und Jim Shaw), die internationale Auftritte geben. Kelley hat mit angesehenen Künstlern wie Tony Oursler, Bruce und Norman Yonemoto, Raymond Pettibon und Paul McCarthy zusammen gearbeitet.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (dt./engl.) mit einer Einführung von Ingvild Goetz sowie Texten von Mike Kelley und Rainald Schumacher, einem Künstlerinterview von Karsten Löckemann und Stephan Urbaschek, einem erstmals für das Werk von Kelley zusammengestellten Glossar von John Welchman sowie einem von Katharina Vossenkuhl erstellten Werkverzeichnis.

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Mike Kelley