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Der in Berlin lebende Künstler Michael Stevenson (*1964) präsentiert eine Ausstellung, die die Entstehungszeit des Museums Abteiberg nochmals in Erinnerung ruft. Es gilt, die Frühzeit der Postmoderne zu betrachten, in der dieses Museum entworfen wurde. Stevensons Projekt gleicht einer Zeitmaschine. Das Museum wird gleichermaßen in die Zukunft und in die Vergangenheit versetzt. Vergänglichkeit, Fragment und Ruine, drei zentrale Begriffe der Postmoderne, werden in Stevensons monumentaler Raumarbeit zum besonderen Moment der Wahrnehmung.

Als zentrales Projekt seiner Ausstellung wird Stevenson unter dem Titel ‚Art of the Eighties and Seventies‘ eine Rauminstallation im großen Wechselausstellungssaal realisieren, die eine architektonische Überraschung im Innern des Museums Abteiberg sein wird.

Im Maßstab 1:1 wird die oberste Etage des Museumsturms nachgebildet. Sie wird als ein begehbarer Ort inszeniert, dessen Form dem Originalturm entspricht, jedoch im Zustand eines archäologischen Platzes, einer Ruine erscheint. Reisfelder und Schutt überlagern das Gebäude, von dessen Architektur nur mehr rohe Mauerreste geblieben sind.

Michael Stevenson, der in den vergangenen Jahren u.a. durch komplexe thematische Werke für die Biennalen in Venedig (2003) und Sydney (2002) bekannt wurde, recherchierte in den vielfältigen Dokumenten des Museums Abteiberg. Er beschäftigte sich mit den Entwurfsideen des Architekten Hans Hollein (‚Flugzeugträger‘, ‚Reisterrassen‘, ‚gebrochener Kristall‘) und deren damals neuartiger Zeichensprache. Bemerkenswerter Weise ist die Ruinen-Metaphorik ein charakteristisches Motiv in Holleins frühem künstlerischen Werk gewesen, das seinen Gebäudeentwürfen voraus ging: Das Projekt ‚Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod‘ im Jahr 1970 im Städtischen Museum Mönchengladbach, in deren Zentrum Hans Hollein die Rauminszenierung eines begehbaren Grabfelds setzte, war gar der Auslöser für den folgenden Bauauftrag (Holleins ersten großen Architekturauftrag) des Museumsdirektors Johannes Cladders und der Stadt Mönchengladbach an ihn.

Stevenson vergegenwärtigt verborgene bzw. fast vergessene Aspekte der Kultur in den 1970er Jahren. So entdeckte er den heute kaum mehr bekannten Planungsauftrag für den italienischen Sammler Graf Panza di Biumo, dessen Sammlung ursprünglich den Höhepunkt des neuen Museums bilden sollte. Der Blick zurück zeigt, dass die heute vieldiskutierte Macht privater Sammler einen extrem prägnanten Vorläufer in Mönchengladbach hatte: einen Museumsentwurf, der in seinem obersten – nun von Stevenson nachgebildeten - Stockwerk zeitweilig eine privates Appartment für den leihgebenden Sammler vorsah und diesem rund um die Uhr ein freies Zugangsrecht zu den Sammlungsräumen gewähren sollte. Anekdoten und planungshistorische Zusammenhänge lassen das damalige Geschehen als eine vielsagende Geschichte erscheinen. Es handelt sich um eine fast klassische Story zwischen mächtigem Sammler und öffentlichem Museum, welche das Verhängnis musealer Abhängigkeiten frühzeitig andeutete und das Museum Abteiberg auch in kunstmarktpolitischer Perspektive zu einem Prototypen für die Museen der Gegenwart werden ließ.

Umfangreiche Forschungsarbeiten erscheinen in den Werken Michael Stevensons und sie decken vielfach verborgene Zusammenhänge der Kunstwelt auf. So handelt eine zweite Rauminstallation im Museum Abteiberg, ‚The Smiles are not Smiles‘ (im Frühjahr 2005 erstmalig präsentiert in der Vilma Gold Gallery London), ebenfalls von den 1970er Jahren und fügt sich als ein reliktträchtiger Raum in die Sammlungspräsentation des Museums ein. Stevenson baut die Situation der Galerienausstellung ‚Gold Bricks‘ in Teheran nach, die 1978 während des Ausbruchs der Revolution kurzfristig zu sehen war – eine skulpturale Arbeit des armenischen Künstlers Zadik Zadikian, die durch Plünderung spurlos verschwand. Diese Ausstellung war erste und einzige Schau einer Galerie, die der später in New York erfolgreichen Galerist Toni Shafrazi zuvor 1978 in Teheran eröffnete. Shafrazi war - nach seinem Graffiti-Anschlag auf Picassos ‚Guernica‘ in den frühen 1970er Jahren, der ihn zunächst als Kunst-Vandalisten bekannt gemacht hatte - auch als künstlerischer Berater des Schahs von Persien engagiert. Seine Tätigkeit in Teheran wurde zum Zeichen für die westliche und höchst liberale Orientierung dieses bald gestürzten Herrschers und ist zugleich ein frühes Indiz für die seither weit fortgeschrittene Globalisierung des Kunstmarkts. Stevensons fiktional inszenierter Raum evoziert wiederum eine Vergangenheit. Er zeigt Überreste einer geplünderten Ausstellung und einer Galerie, deren Erscheinung einer archäologischen Stätte gleichkommt. Zum Ausstellungsprojekt erscheint im November 2005 ein Katalog, der als umfassende Projektdokumentation die Installationen des Künstlers sowie vielfältige historische Dokumente enthalten wird. Entwürfe und Modelle des Museums Abteiberg, Interviews mit Hans Hollein und den Bauherren, ebenso Stevensons Recherchen seiner Reise nach Teheran werden zu einem Kompendium zusammengebracht, welches die von Stevenson initiierte Neubetrachtung der Kunst- und Museumsgeschichte eingehender darstellt und dem interessierten Publikum zur eigenen Auseinandersetzung anbietet.

Das Projekt wird von der Kunststiftung NRW gefördert und durch eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Thema ‚Museum und Stadt‘ ergänzt, die am 19. November 2005 im Museum Abteiberg stattfinden wird. Das Programm der Veranstaltung wird im September bekannt gegeben.