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Michael Elmgreen ( 1961) und Ingar Dragset ( 1969) arbeiten im Team. Die Kollaboration ist auch in größeren Zusammenhängen ihr Arbeitsprinzip. In Leipzig wirken an dieser Zusammenarbeit mehrere arbeitslose Maler mit, die die Räume der unteren Ausstellungsetage der Galerie während der Laufzeit des Projektes kontinuierlich immer und immer wieder weiß streichen. Die ansonsten für die Öffentlichkeit nicht sichtbare Phase des Ausstellungsumbaus und die damit verbundenen renovierenden Maßnahmen, kurz: eine Spanne zwischen zwei Ereignissen wird ausgedehnt und somit zum eigentlichen Ereignis. Die Renovierung, für die das Streichen der Wände ein signifikanter und symptomatischer Vorgang ist, wird für die Dauer von sieben Wochen selbst zu einem realen, ästhetischen und bildhaften Prozeß. Die Räume werden beständig rein und jungfräulich gehalten, der Arbeitsvorgang an sich wird durch die Präsenz der arbeitenden Maler sichtbar und steht im Kontrast zu den beobachtenden Besuchern, die sich dadurch möglicherweise auch ihrer Rolle und Bedeutung als wahrnehmende Subjekte bewußt werden.

Die beiden Künstler verstehen ihre Kunst generell als Plädoyer für die Veränderbarkeit vorhandener Strukturen. Ihr Arbeitsgrundsatz ist es, stets neue Handlungsformen für bereits existierende Gefüge zu finden oder aber mehr noch, alternative Plattformen zu schaffen, die sie selbst als machtfreie Strukturen („Powerless Structures“, so der Titel ihres Langzeitprojektes) bezeichnen. Oftmals zeichnen sich bereits durch geringfügige Veränderungen der bestehenden Strukturen potentielle Modifikationen sozialer, politischer oder architektonischer Verhältnisse ab. Im Leipziger Projekt werden sowohl institutionelle Ausstellungspraktiken als auch das soziale Umfeld thematisiert und miteinander kurzgeschlossen. Leipzig weist mit nahezu 20% Arbeitslosigkeit eine der höchsten Arbeitslosenquoten im Bundesgebiet auf. Wenngleich die temporäre Beschäftigung von Malern ohne feste Anstellung mitnichten als Lösungsansatz für dieses komplexe Problem begriffen werden kann, so stellt das Projekt zumindest eine reale Möglichkeit dar, Veränderungen im Kleinen zu bewirken, indem für die arbeitslosen Malern eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen wird. Die Künstler verweigern sich dabei den großen, in der Kunstgeschichte bereits verschiedentlich gescheiterten visionär-utopischen Gesten von den globalen Veränderungen in der Gesellschaft durch die Kunst. Vielmehr wird von Elmgreen & Dragset mit diesem Projekt eine einfache Möglichkeit der Unterstützung geschaffen, die in der scheinbar sinnlosen repetitiven Geste jedoch ebenfalls ein komplexes, fast meditatives ästhetisch und gleichzeitig kritisches Potential beinhaltet.

Katalog: Winkelmann , Jan (Hg.): Michael Elmgreen & Ingar Dragset. Zwischen anderen Ereignissen. Leipzig 2000

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Michael Elmgreen & Ingar Dragset
Zwischen anderen Ereignissen
Kurator: Jan Winkelmann