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Beide Künstler haben scharfe Kritik provoziert: Der bedeutende zeitgenössische Kunstkritiker Julius Meier-Gräfe bezeichnete Max Klinger abfällig als „Kunstgewerbler geringen Umfangs“, Julia Voss, Kunstkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sieht das Leitmotiv der Stahlhelme bei Lüpertz „irgendwo zwischen Beleidigung und Gag“. Wenn Klinger (1857 – 1920) und Lüpertz (geb. 1941), der sich gerne als Malerfürst inszeniert, in Leipzig aufeinandertreffen, dann wird es auch um die Frage nach dem Provokativen und Anstößigen gehen, das mit ihrem Werk verbunden wird. Als im Dezember 2015 die Bronzeskulptur „Beethoven“ von Lüpertz vor dem Eingang des Museums der bildenden Künste aufgestellt wurde, veröffentlichte eine Gruppe von Leipziger Künstlern ein wütendes Protestschreiben gegen dieses Werk. Als Max Klinger 1890 seine „Kreuzigung Christi“ in München ausstellte, wurde sie als „ruchlose Karikatur des Heiligen, als Beleidigung des christlichen Gefühls“ verurteilt. Klinger hatte Christus mit nacktem Penis gemalt.

Die Ausstellung ist eine künstlerische Installation im Museum der bildenden Künste, in das Lüpertz mit rund 30 Skulpturen, 20 Gemälden und Bild-Zyklen sowie 50 Zeichnungen einzieht. Er tritt auf zwei Museumsetagen, vor allem in der zentralen Halle im ersten Geschoss, in einen Dialog mit dem in der Dauerausstellung präsenten Werk von Max Klinger. Lüpertz ist ein großer Verehrer von Klinger. 1970 erhielt Lüpertz das 1905 von Max Klinger initiierte Villa Romana-Stipendium in Florenz, den ältesten deutschen Kunstpreis. Das Museum der bildenden Künste Leipzig verwahrt eine große Sammlung von Gemälden, Skulpturen, Grafiken sowie den Originalgipsen Klingers, gleichsam die plastischen Entwürfe für seine großen Skulpturen aus Marmor und Bronze. Schließlich wird in der Graphischen Sammlung die weltweit größte Sammlung an Zeichnungen Max Klingers aufbewahrt. Eine Auswahl von Zeichnungen beider Künstler wird in einer Kabinettausstellung präsentiert.

Beide Künstler sind als Maler und Bildhauer tätig. Max Klinger hat mit der farbigen, polychromen Skulptur experimentiert und neue ästhetische Wege beschritten. Er kombinierte unterschiedliche Materialien zu komplexen Skulpturen wie dem „Beethoven“ (1902) und Monumentalgemälden wie „Christus im Olymp“ (1897), die in keine kunsthistorische Schublade passen. Es sind Mischwesen aus Malerei und Skulptur, die man als künstlerische Installationen bezeichnen könnte. Der Künstler hing der Vorstellung vom „Gesamtkunstwerk“ an, das alle Sinne erfasst. Ein ähnlich freies und zugleich absolutes Denken zeigt sich in den farbigen Skulpturen von Markus Lüpertz. Der Künstler schert sich noch viel weniger um traditionelle Vorstellungen von Skulptur, sondern modelliert, bearbeitet und bemalt die Figuren in zum Teil irritierender Handschrift. Wie Klinger sucht auch Lüpertz für seine weit ausholenden Bildgedanken eine Expression jenseits der engen Gattungsgrenzen von Malerei und Skulptur. Die Skulpturen von Lüpertz verletzen Tabus und klassisches Schönheitsempfinden. Aber gerade hierdurch konfrontieren sie uns, wie Durs Grünbein bemerkt hat, mit einer „tief sitzenden Triebhemmung […], die regelmäßig durchbricht bei den als grotesk und häßlich empfundenen, allzu menschlichen Formen. […] Die Figuren des Markus Lüpertz strahlen eine so drollige Hoheit und Heiterkeit aus […], weil sie um all das Niedrige und Kleinmenschliche wissen.“

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Ulf Jensen, James Lawrence, Jan Nicolaisen, Hans-Werner Schmidt, ca. 240 Seiten, zahlreiche Farb- und s/w-Abbildungen, deutsch/englisch, hrsg. von Hans-Werner Schmidt und Jan Nicolaisen, Verlag Walther König, Köln, Erscheinungstermin Frühjahr 2017 .

Gefördert durch die Birkelsche Stiftung für Kunst und den Freundeskreis Max Klinger e.V., Leipzig.