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Der Kunstverein Braunschweig holt den international bekannten Künstler Matti Braun (*1968) zurück nach Braunschweig, dem Ort seiner künstlerischen Wurzeln. Denn er studierte Anfang der 1990er Jahre an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste. Die Ausstellung, zu sehen vom 4. September bis 14. November 2010 im Haus Salve Hospes, umfasst Rauminstallationen, Objekte, Fotografien, Batiken, eine Videoarbeit und Möbelstücke.

Schon der Ausstellungstitel ist bezeichnend für Brauns künstlerische Strategie, kulturelle und interkulturelle Zusammenhänge zu erkunden und historische und persönliche Wahrheiten neu zu verflechten. ‚Salo’ impliziert mehrere Bedeutungsebenen: In Frankreich, wo Ende des Jahres Parts dieser Ausstellung gezeigt werden, hat es eine beleidigende Konnotation, in Finnland – das einen Teil von Brauns biografischen Hintergrund ausmacht – wird es mit ‚Einöde’ übersetzt und ist ebenfalls Name einer Stadt. Gleichzeitig ist es der Titel von Pasolinis letztem Film ‚Salo’ oder die ‚120 Tage von Sodom’ (1975), der sich auf Ereignisse in der norditalienischen Stadt Salo kurz vor Ende des 2. Weltkrieges bezieht, die als Hauptstadt der Italienischen Sozialrepublik von Mussolini ambivalenten Ruhm genoss.

Perspektiven werden in Brauns Werk verschoben und geöffnet, Fakten neu zusammengestellt und in der Kombination mit mehrdeutigem Sinn gefüllt. Brauns Werke reichen von kleineren Objektarbeiten, die teilweise wie volkskundliche Stücke anmuten, wie etwa Keramiken, Batiken oder mundgeblasene Glasobjekte, über Fotografie bis hin zu raumgreifenden Installationen. In seinem Vorgehen verdichten sich meist heterogene Fakten, Bedeutungen, Bilder und Formen zu einem komplexen Assoziationsgeflecht, bei dem jedes Objekt, jedes eingesetzte Material über sich hinaus weist. Teile davon sind Recherchen, bei denen er historischen, kulturellen oder biografischen Zusammenhängen nachgeht, die sich assoziativ zusammenfügen. Braun führt durch das Erzählen und Aneinanderfügen einzelner „Geschichten“ das Entstehen von Historie als fragilen Prozess kultureller Sinnproduktion eindrücklich vor Augen. Dabei bleiben seine Assoziationen stets bewusst spekulativ und instabil, ohne Zusammenhänge zu fixieren.

Dementsprechend vielfältig sind auch die Themenfelder und Materialien der Braunschweiger Ausstellung: Darunter befinden sich indonesische Batiken, archäologische Fundstücke aus der Türkei, Schmetterlingssammlungen und ein mit hochglänzenden Messingplatten ausgelegter Raum. Den Gartensaal der Räume in Braunschweig lässt Braun mit zentimeterdickem Estrich befüllen und beleuchtet die selbstleuchtende Wandfarbe mit Schwarzlicht, woraus sich eine surreale Stimmung ergibt. Eine weitere Arbeit ist die zehnteilige Serie schwarz-weißer Offset-Drucke (‚Pierre, Pierre’). Sie zeigt Motive unterschiedlichen Ursprungs. So ist die Fotografie einer afrikanischen Maske das Plakatmotiv für das erste „Festival des Arts Nègres“, das 1966 in Dakar stattfand, und verweist auf die ambivalente Persönlichkeit Léopold S. Senghors. Senghor, Lyriker und von 1960 bis 1980 erster gewählter Präsident Senegals, prägte bereits in den 1930er Jahren die weltweite Bewegung der so genannten négritud, die auch ein Beispiel für vielfältige gegenseitige und widersprüchliche Einflüsse zwischen Europa und Afrika ist.

Matti Braun, geboren 1968 in Berlin, lebt und arbeitet in Köln. Er studierte an der Städelschule in Frankfurt/Main und der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig unter anderem bei Emil Cimiotti. Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein Katalog (dt./frz.) mit Textbeiträgen von Paola Jacoub, Marianne Lanavère, Abdellah Karroum, Jakob Vogel, Rudolph Smend, Mika Hannula, Sarah Frost und Hilke Wagner. Ab Dezember 2011 präsentiert der Kunstverein Braunschweig Matti Braun im Rahmen des deutsch-französischen Austauschprojektes Thermostat in La Galerie - Centre d’Art Contemporain Noisy-le-Sec bei Paris.

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Matti Braun
Salo