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Eröffnung: 18. Dezember 2008, 19.00 Uhr

Der Künstler Martin von Ostrowski setzt sich in seinem Werk seit den achtziger Jahren immer wieder mit dem Thema schwuler Sexualität auseinander. Eine Serie sehr eigener Charakteristik stellen die mit Sperma gemalten Porträts von Männern dar. Auf den tiefschwarz grundierten Leinwänden heben sich die mit Sperma gemalten Silhouetten der Dargestellten geheimnisvoll vom Untergrund ab. In der Kontur bleibt die Charakteristik der Persönlichkeit wie bei einem Scherenschnitt ausdrucksstark erhalten, doch wird eben gleichzeitig auch das Genmaterial der Dargestellten gezeigt. Die Komplexität eines menschlichen Genoms ist dem Betrachter mit bloßem Auge nicht fassbar. Die milliardenfachen Aminosäuren, die die Geninformationen in einer Spermatozoe speichern, können wir mit unserem Sehsinn nicht wahrnehmen. Das Sperma ist in getrockneter Form lediglich als ein weißlicher, transparenter Film auf schwarzen Untergründen wahrzunehmen.

Bereits 1988 benutzte Ostrowski Sperma als Malmittel. Innerhalb einer Serie von Ölbildern, die Ejakulationen darstellen, wollte der Künstler auch Sperma als Material einbeziehen. Er onanierte auf grau grundierte Leinwände, so dass das Sperma sich als Spritzflecken auf dem Untergrund abzeichnen. Im Laufe von mittlerweile zwanzig Jahren verfärbten sich die zunächst weißlichen in heute gelblich aussehende Flecken. Für den Künstler war es damals wichtig, der psychoanalytischen Deutung von Kunst als Sublimierung eine andere Sicht entgegenzusetzen: Kunst als Mittel der Steigerung der eigenen Lebenskraft und Energie. Für Ostrowski war der Ansatz Freuds nur aus der Jahrhunderte langen, übermächtigen jüdisch-christlichen Tradition zu verstehen, Sexualität zu tabuisieren und im christlichen Sinne mit Sünde gleichzusetzen. Kunst besitzt aber auch eine starke Identität stiftende, eine die Sexualität bekräftigende Wirkung und kann enorme, sexuell positiv stimulierende Reize auf die Sinne ausüben.

Seit 2003 malt der Künstler mit Sperma Porträts in Silhouettenform, zunächst von sich selbst, dann auch von Freunden. Allein die Gewinnung des Malmaterials ist mit Lust verbunden, denn für ein Porträt benötigt der Künstler je nach Größe der Leinwand das Sperma von etwa 30 bis 50 Ejakulationen. Das Sammeln des Materials erfolgt über lange Zeiträume und setzt den Willen des Porträtierten voraus, sich mit seiner Sexualität auseinanderzusetzen. Mit Benutzung eines Kondoms beim Sexualakt kann das Material leicht geborgen, und durch sofortiges Einfrieren für das spätere Malen konserviert werden.

Die Porträts auf schwarzen Untergründen besitzen eine fast mystische Ausstrahlung, denn der weißliche bzw. leicht gelbliche Film wirkt wie die Darstellung einer Aura einer Person. Die vom menschlichen Auge nicht wahrzunehmende Komplexität des Genoms vermittelt sich in der kontemplativen Wirkung der Spermaflächen, die je nach Lichteinfall sich als hell spiegelnder Film oder als durchsichtiger Glanz auf den matten Untergründen abzeichnen.

Mehr als 30 Porträts konnte Ostrowski seit 2003 schaffen. Rechnet man für jedes Porträt etwa 40 Ejakulationen sind damit mehr als 1000 Orgasmen verarbeitet worden und können in der Ausstellung auch wahrgenommen werden. Für den Künstler ist jedes dieser Porträts eine große Herausforderung, denn mit dem Auftauen von so großen Spermamengen kommt ein besonderer Aspekt zutage. Über den Geruchssinn wirkt das aufgetaute Malmaterial wie ein archaischer Auslösemechanismus für eine sofortige sexuelle Betätigung. Größte Beherrschung ist notwendig, um dem nicht nachzugeben, sondern ein Porträt zu malen. Der Künstler erfuhr hier, dass das Herstellen dieser Spermabilder eine hohe Sublimierungskraft erforderte. Auch für den Betrachter ist dieses Faszinosum nachvollziehbar. Einerseits begegnet er hier gesammelten Orgasmen, gesammelter Lust, anderseits ist sie in eine strenge Form gebracht und wirkt in ihrer künstlerischen Fassung meditativ.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

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Martin von Ostrowski
Spermaportraits
Ausstellung im Kabinett des Schwulen Museums