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Eröffnung: Freitag, 13. Februar 2009, 20 Uhr Es sprechen Eckhard Schneider, Künstlerischer Berater Kunsthaus Bregenz Dr. Rudolf Sagmeister, Kurator Kunsthaus Bregenz

Thematisch geht es Markus Schinwald (*1973 in Salzburg) in seinen Arbeiten um die psychologische Auseinandersetzung mit Raum und Körper, um das Unbehagen und die irrationalen Tiefen des individuellen und kollektiven Seins. Spielerisch verschmelzen in seinem Werk die verschiedensten Medien – von beklemmenden Filmen zu marionettenhaften Skulpturen, von überarbeiteten historischen Gemälden zu prothetischen Design- und Kleiderentwürfen –, die subtil miteinander choreografiert werden. Mit seinen Filmen und gebauten Räumen erzeugt Markus Schinwald durch Fragmentierung und traumartige Brüche überraschende Lücken im narrativen Grundgerüst seiner Werke, die zu stark ästhetisierten Bildern und verrückten Verschiebungen der Realitätsebenen führen. In seiner bisher größten Einzelausstellung in Österreich wird Markus Schinwald mit einer neuen Werkfolge ein surreales Panoptikum unerfüllbarer Wünsche aus Körpern, Objekten, Filmen und gebauten Räumen inszenieren. Schinwald wird in den oberen drei Stockwerken des Kunsthauses jeweils eine Studiosituation wie für die Fernsehproduktion einer Sitcom einrichten. Diese Studiosituationen werden jeweils aus einer Publikumstribüne mit Sitzen für ca. 80 Personen bestehen; drei Flatscreens, drei Studio-Fernsehkameras und ein Bühnenhintergrund vervollständigen die Szene. In den Tagen vor der Ausstellungseröffnung und innerhalb der ersten Wochen der Schau werden nach Schinwalds Regieanweisungen und seinem Drehbuch ca. 20 Minuten lange sitcomartige Szenen mittels dreier Kameras aufgezeichnet, die dann während der Ausstellung über die Flatscreen-Monitore für die Ausstellungsbesucher abgespielt werden. Jedes Stockwerk wird unterschiedlich ausgestattet und von einer jeweils anderen etwa fünfköpfigen Protagonistengruppe bespielt. Bühnenausstattung, Möblierung, Objekte und Kostüme werden vom Künstler gestaltet.

Die Sitcom (kurz für »situational comedy«) ist ein ursprünglich US-amerikanisches Genre und wird meist als Fernsehserie ausgestrahlt. Typisches äußeres Kennzeichen der klassischen Sitcom ist die Aufzeichnung im Studio: Die Darsteller agieren auf einer Guckkastenbühne. Für die Handlung folgt daraus eine Beschränkung der Schauplätze auf wenige, stets wiederkehrende Orte. Verstärkt wird die Bühnenwirkung durch das Spiel der Darsteller zur Bühnenrampe und das für das Fernsehpublikum hörbare Gelächter des Studiopublikums. Üblicherweise wird mit drei Kameras gedreht, die in einem Graben zwischen Publikum und Bühne positioniert sind: Eine Kamera nimmt das Geschehen in einer Totalen auf, die anderen beiden konzentrieren sich auf die agierenden Figuren. Aus den drei Filmstreifen, auf denen dasselbe Geschehen aus drei unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen worden ist, wird später die Folge zusammengeschnitten. Aufgrund ihrer Ausrichtung auf triviale Situationen des Alltags wurde die Sitcom oft als »show about nothing« bezeichnet. Wegen der häufigen Thematisierung gesellschaftlicher Konventionen und Sitten, neurotischen und obsessiven Verhaltens und der rätselhaften Mechanismen menschlicher Beziehungen könnte man die Sitcom als ein Gesellschaftsstück in Serienform kategorisieren.

Im ersten Stockwerk des KUB kommen auf der guckkastenartigen Bühne, welche großflächig verspiegelt, mit einer begehbaren Trennwand und einem doppelten Schrank für Überraschungsauftritte versehen ist, die Schauspieler sprachlich und gestisch zum Einsatz.

Im zweiten Stockwerk wird die Bühnenarchitektur durchlässiger. Begeh- und benutzbare niedere Raumtrennwände, eine in zwei Teile zerschnittene Begräbniskutsche aus dem 19. Jahrhundert sowie fünf Tänzer spielen die Hauptrolle. Hier wird nicht mehr gesprochen, der Soundtrack besteht aus Musik. Im dritten Stockwerk des Kunsthauses verschwindet die Bühnenhintergrundarchitektur fast vollständig und wird durch drehbare Raumelemente ersetzt. Von Markus Schinwald umgebaute Turngeräte – Stufenbarren, Reck, Pferd, Ringe etc. – dienen fünf Turnern als Objekte für Spiel und Bewegung. Sprache und Musik werden durch die bei den Aktionen entstehenden Geräusche ersetzt.

Markus Schinwald, geboren 1973 in Salzburg, lebt und arbeitet in Wien und Los Angeles. 1993 – 2000 Hochschule für Gestaltung, Linz; Humboldt-Universität zu Berlin. Ausstellungen (Auswahl): Migros Museum, Zürich; ICA Boston (2008); Tate Modern, London; Witte de With, Rotterdam; Kunsthalle Wien (2007); Fotomuseum Winterthur; Berlin Biennale (2006), Frankfurter Kunstverein (2004); Haus der Kunst, München (2003); Moderne Museet, Stockholm (2001). In unterschiedlichen Medien setzt sich Schinwald in subtiler Verrückung mit Raum und dem menschlichen Körper auseinander und analysiert physische und psychische Unzulänglichkeiten des Menschen.