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Die Baukunst Galerie eröffnet am 2. September 2009 von 18 bis 20 Uhr eine große Einzelausstellung mit Werken des amerikanischen Künstlers Mark Tobey, dessen Œuvre erstmals 1971 und nun bereits zum achten Mal in der Galerie ausgestellt wird. Die ausgewählten Originale mit dem Schwerpunkt auf den 50er und 60er Jahren werden durch wichtige Leihgaben aus nationalen und internationalen Privatsammlungen ergänzt. Der Georg-Büchner-Preisträger Arnold Stadler wird eine Einführung in die Ausstellung geben, die bis zum 23. Oktober 2009 in der Galerie zu sehen sein wird.

Mark Tobey, 1890 in einer ländlichen Gegend am Mississippi in Wisconsin geboren und 1976 in Basel gestorben, war wie kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts ein Reisender zwischen Kontinenten, Kulturen und Religionen. Früh begann er die Metropolen der USA von Chicago nach New York bis Seattle zu bereisen. Später führte ihn seine Suche nach neuen künstlerischen Impulsen nach England, Frankreich, Israel, Mexiko und immer wieder nach China und Japan, bevor er sich 1960 schließlich auf die Einladung von Ernst und Hildy Beyeler in Basel niederließ. Sein internationaler Ruhm manifestierte sich 1956 in der „International Guggenheim Award“ in New York und kulminierte 1958 in der Auszeichnung mit dem Preis der Malerei der Biennale von Venedig, den er als erster amerikanischer Künstler nach James Whistler erhielt. 1961 folgte eine große Retrospektive im Palais du Louvre in Paris und 1962/63 eine umfassende Einzelschau im Museum of Modern Art in New York. Seitdem wurden Tobeys Werke mehrfach auf den Biennalen in Venedig und Sao Paulo und der documenta in Kassel und weltweit in Museen wie dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid, dem Centre Georges Pompidou in Paris und der Fondation Beyeler in Basel präsentiert. 2009 bis 2010 werden seine Arbeiten unter anderem im Solomon R. Guggenheim Museum in New York zu sehen sein.

Tobeys Werk zeichnet sich durch einen spannungsvollen Dialog zwischen der westlichen Kultur Amerikas und Europas und der Kunst und Spiritualität Asiens aus. In der Auseinandersetzung mit chinesischer Kalligraphie (1922) und japanischer Zen-Meditation (1934) gelingt ihm 1935 in dem Gemälde „Broadway“ der Durchbruch zu seinem universellen Stil. Im produktiven Bezugsfeld mit der westlichen Thematik des Großstadtlebens erhält Tobey den für seine Pinselführung charakteristischen „kalligraphischen Impuls“ und die für sein künstlerisches Schaffen prägende Einsicht in den dynamischen Charakter der Welt. In allem Lebendigen des Mikro- und Makrokosmos – seien es die Strukturen einer Baumrinde oder das Menschengedränge auf den Straßen New Yorks – erkennt Tobey den Moment der Bewegung. Mit der Außenwelt als Ausgangspunkt richtet er in einem meditativen, konzentrierten Malakt seinen Blick nach Innen, um in der Bildgestaltung jene universale Struktur zu offenbaren, die alle sichtbaren Phänomene miteinander verbindet. Figuration zur Abstraktion sind für ihn dabei nur verschiedene Manifestationsformen seines erklärten Ziels, in seiner Kunst die Essenz des Realen zu gestalten.

In der Werkentwicklung vom Figurativen zum Abstrakten befreit sich Mark Tobey lange vor Jackson Pollock vom konstruktivistischen Raum, indem er die gesamte Bildoberfläche im Spiel mit dem Malgrund mit einem „all over“ fließender, einander überlagernder Pinselspuren überzieht. Sein Formenrepertoire in den präsentierten Werken erstreckt sich von schwungvollen, kalligrafischen Zeichen („The Kabuki Dancers“, 1954), über schwebende, ineinander verwobene „moving lines“ („Forms and Change“ und „Woven City“, beide 1965) und kristalline Strukturen („Apothéosis“, 1954) bis hin zu durch wiederholten Farbauftrag verdichtete „tints“ („Snowy Evening“, 1968) und Perforationen („Untitled“, 1968).

Zur Entfaltung kommen diese Texturen jedoch erst im Prozess des Betrachtens. In Tobeys Gemälden gibt es keinen festen Orientierungspunkt. Durch eine Vielzahl von Details und punktuellen Verdichtungen wird der Blick in Bewegung gehalten und geflutet, so dass ein „moving focus“ entsteht. Im Gleiten durch das vielschichtige Liniengewebe eröffnet sich ein räumliches Kontinuum („multiple space“). Hier entfaltet sich das Licht in Abgrenzung zum dunkleren Malgrund aus jedem gewählten Punkt in alle Richtungen und erfüllt den Bildraum mit einer vibrierenden Energie, die ihn in Schwingung versetzt und rhythmisiert. Diese optische Energie bildet einen imaginären, unendlichen Raum heraus und ermöglicht zugleich eine komplexe Zeiterfahrung. Indem die einzelnen linearen Bewegungen in der Gesamtbewegung der Bildkomposition zur Ruhe kommen, wird die Dimension der Zeit als eine sich überlagernde Textur ohne Anfang und Ende offenbart.

Durch das Scheitern des Blicks ein Detail oder eine einzelne Form zu fixieren, brechen Mark Tobeys Gemälde die starre Konfrontation von Subjekt und Objekt auf und sprechen neben dem äußeren auch unser inneres Auge an. Die Präsenz, die seine Werke entfalten, ist sinnlich und geistig zugleich. Wir werden betrachtend weitergetragen zu einem kontemplativen Sehen, in dem sich die Realität vor uns mit der Realität in uns verschränkt. Intuitiv und poetisch geben seine Werke somit lange vor der modernen Technik den dynamischen Zusammenhang und transitorischen Charakter aller physikalischen Phänomene wieder.

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Mark Tobey
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