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Die Ausstellung stellt eine noch weitgehend unpublizierte Werkgruppe Mark Tobeys aus Privatbesitz vor. Es handelt sich zumeist um Arbeiten auf Papier aus den 1950er- bis 70er-Jahren, die Tobeys weites Spektrum an graphischen Ausdrucksmöglichkeiten beleuchten. Neben den filigran strukturierten, kontemplativen Farbräumen, deren Reiz maßgeblich aus dem unbefangenen Einsatz unkonventioneller Mischtechniken erwächst, wird die Ausstellung erstmals die figürliche Komponente in Tobeys Schaffen ins Bewußtsein rücken. In einer umfangreichen Serie von Köpfen und Gesichtern macht der Künstler die Gestalt des Menschen zum Resultat unberechenbarer bildnerischer Experimente.

Mark Tobey (1890 - 1976), dessen Geisteshaltung ebenso wie sein künstlerisches Schaffen von den unterschiedlichsten kulturellen Einflüssen befruchtet ist, war Kosmopolit von frühen Jahren an. Als Pionier, ja als Vorläufer des Abstrakten Expressionismus paraphrasiert der gebürtige Amerikaner in den feinnervigen graphischen Strukturen seiner Werke nicht nur die in den Mikrokosmen der Natur erspürten Rhythmen, sondern ebenso das dynamische, verwirrende Gepräge der modernen Großstadt. Dabei nehmen bereits ab den 1920er-Jahren die meditativ bestimmten Schriftübungen und Bildwelten des Nahen und Fernen Ostens bestimmenden Einfluss auf seine Kompositionen. Ausgehend von Fragmenten der sichtbaren Realität, verdichtet der Künstler die graphische Spur mit den »white writings« der vierziger Jahre zu einem vibrierenden Liniengespinst, das in freier Ausbreitung die gesamte Bildfläche überzieht.

Tobeys kalligraphischer Ausdrucksmodus entwickelt sich maßgeblich auf der Grundlage seiner frühen figürlichen Darstellungen. Im Laufe seines annähernd sechs Dekaden umfassenden Schaffens gelangt der Künstler im Rahmen unterschiedlichster bildnerischer Verfahren zu innovativen Deutungen von Leib und Physiognomie.

In den 1960er-Jahren hebt der Künstler mittels bewegter, amorpher Linien und fließender Farbgründe die Hierarchie von Figur und Raum auf und erschließt der menschlichen Figur neue Dimensionen bildlicher Existenz.

Geheimnnisvoll-sphärische Lichtwirkungen zeichnen die »Köpfe« von 1965 aus, die im Zentrum der Stuttgarter Ausstellung stehen. Die subtil übereinander geblendeten, transparenten Farbschleier des Bildgrundes verbinden sich hier mit graphischen Elementen, die in ihrer formalen und inhaltlichen Vieldeutigkeit jede rationale Schlüssigkeit der Darstellung unterlaufen. Tobey zeigt in diesen Blättern den Menschen nicht als greifbares Gegenüber, sondern verbildlicht vielmehr ein flüchtiges, entmaterialisiertes »Gesicht«. Der scheinbar ziellos gleitende, arabeskenhafte Linienverlauf im schwebenden Raum macht die Gestalt zum Reflektor universaler Energien.

In der Vielschichtigkeit ihrer Bewegung fordern die Arbeiten nicht nur das eigenleibliche Spüren des Betrachters intensiv heraus, sondern laden ihn ein zu kontemplativer Versenkung: »Mein Werk entwickelte sich mehr unbewußt als bewußt. Ich arbeite nicht aufgrund intellektueller Deduktionen. Mein Werk ist Inneres Betrachten.« (Mark Tobey)

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Mark Tobey
Inneres Betrachten