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Emotionen in Farbe

Der amerikanische Maler Mark Rothko (1903 - 1970) ist einer der bedeutendsten Vertreter des Abstrakten Expressionismus. 20 Jahre nach der letzten deutschen Museumsretrospektive bietet sich nun die einmalige Gelegenheit, dieses bedeutende malerische Werk wieder zu entdecken. Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf dem Kunstmarkt, die die Preise für Rothkos Gemälde in Schwindel erregende Höhen getrieben haben, der hohen Empfindlichkeit der Farboberflächen seiner Gemälde und der damit verbundenen konservatorischen Herausforderungen erfordert die Realisierung der Ausstellung besonderen Einsatz und große Verantwortung gegenüber den Werken und Leihgebern. Eine vergleichbare Gelegenheit, Rothkos Werk in dieser Dichte und Qualität zu sehen, wird sich in Europa auf lange Sicht nicht wieder bieten.

Die Ausstellung umfasst rund 110 Arbeiten, davon über 60 Gemälde auf Leinwand und mehr als 40 überwiegend großformatige Arbeiten auf Papier und macht anhand von herausragenden Beispielen das Spannungsfeld, in dem Mark Rothkos Werk sich positioniert, sinnlich erlebbar. Mehr als zwei Drittel der Gemälde/Werke kommen aus den USA. Die Mehrzahl von Ihnen war in Deutschland noch nie zu sehen.

Nach seinem frühen Interesse am Surrealismus wandte sich Rothko seit etwa 1946 ganz der Abstraktion zu: In seinen „multiforms“, vielfältig gestaffelten, spielerisch angeordneten Farbfeldern, stellte er die Wirkung der Farben in ihrem Mit- und Gegeneinander in den Vordergrund. In seiner berühmtesten Schaffensphase ordnete er seit etwa 1950 zumeist drei horizontale farbige Rechtecke mit verlaufenden Rändern übereinander an. Wie kein Künstler zuvor stellte er die Ausdruckskraft der Farbe alleine - frei von allen erzählerischen oder figürlichen Elementen - in den Mittelpunkt der Malerei und schuf Gemälde von einer hohen emotionalen Intensität. Rothko selbst sagte, dass es ihm um den Ausdruck der grundlegenden menschlichen Emotionen gehe:

„Ich bin kein Abstraktionist. Mich interessiert nicht das Verhältnis von Farbe oder Form oder irgend so etwas. Mich interessieren nur die grundlegenden menschlichen Emotionen: Tragödie, Ekstase, Schicksal … Die Tatsache, dass Leute zusammenbrechen und weinen, wenn sie mit meinen Bildern konfrontiert werden, zeigt, dass ich diese Gefühle kommunizieren kann … die Leute, die vor meinen Bildern weinen, haben die gleiche religiöse Erfahrung wie ich, als ich sie gemalt habe.“

Bei eher geringer Beleuchtung und aus unmittelbarer Nähe betrachtet, entfalten die Gemälde ihre überwältigende Kraft und entgrenzende Wirkung, die der Künstler mit einem religiösen Erleben verglich. Wie die Ausstellung zeigt, gibt es keinen Zweifel, dass die leuchtenden, farbintensiven und hochemotionalen Gemälde ihre Betrachter gerade im Original mit ungeheurer Wirkung in ihren Bann ziehen und bis heute nichts von ihrer nahezu magischen Anziehungskraft verloren haben. Mark Rothko. Die Retrospektive bindet die Arbeiten des Amerikaners dabei in einen ungewöhnlichen Kontext ein. Zwei historische Vorläufer markieren die malerischen Pole, zwischen denen Rothko um seine abstrakte Bildsprache ringt.

Auf der einen Seite steht das romantische europäische Erbe Caspar David Friedrichs. In seinen Landschaften eröffnen sich dem Betrachter (stellvertreten durch Rückenfiguren im Bild) mit Rothko vergleichbare persönliche Empfindungs- und Reflexionsräume. Dieser Vergleich wird in der Ausstellung ganz unmittelbar durch eine Hängung erfahrbar, die Rothkos große, farbintensive Abstraktionen neben Gemälden wie dem Wanderer über dem Nebelmeer von Friedrich präsentiert. Auf der anderen Seite befindet sich die Malerei von Pierre Bonnard, dem berühmten modernen französischen Maler der Nabis-Schule, dessen Werk von der sinnlichen Farbenfreude des Mittelmeerraums durchflutet ist und das Bemühen der Moderne um die reine Farbwirkung verkörpert. Die ausgewählten Gemälde Bonnards machen deutlich, wie Rothko, der Bonnards Bilder in New York gesehen hatte, die Sensualität der mediterranen Malerei in seiner Farbfeldmalerei aufgreift.

Die Ausstellung endet mit einem Ausblick in die Traditionslinie der amerikanischen Gegenwartskunst und zeigt die späten Black and Grey Gemälde, die etwas von der Bodenlosigkeit und Bestürzung ahnen lassen, die Rothko spät im Leben empfand. Sie sind ein Ende, aber auch ein Anfang: Direkt neben zwei späten schwarz-grauen Rothkos, verrät Richard Serras weltweit einzige, permanent in der Galerie der Gegenwart installierte Bleiskulptur „Measurements“ of Time. (Seeing is believing) überraschende formale Ähnlichkeit und inhaltliche Verwandtschaft. Beiden Künstlern zueigen ist das Verlangen, Grenzen zu überwinden.

Kuratoren der Ausstellung sind Hubertus Gaßner und Oliver Wick, der schon für die wegweisende Rothko Retrospektive 2001 in der Fondation Beyeler in Basel verantwortlich war.

Vor allem dank des Engagements der beiden Kinder des Künstlers, Christopher Rothko und Kate Rothko-Prizel, ist es der Hamburger Kunsthalle gelungen, diese Ausstellung zu organisieren und die Leihgaben aus aller Welt zu akquirieren.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Texten von Gottfried Böhm, Hubertus Gaßner, Christiane Lange, Karin Koschkar und Oliver Wick im Hirmer Verlag.

Die Ausstellung ist – im kleineren Umfang und ohne die Arbeiten von Friedrich, Bonnard und Serra – noch bis zum 20. Januar 2008 im Palazzo delle Esposizioni Rom, und vom 8. Februar bis zum 27. April 2008 in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München zu sehen.