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Kunst soll stören

Der 1948 in Leipzig geborene Künstler stellte in den achtziger Jahren einen Ausreiseantrag aus der DDR und lebte ab 1985 in West-Berlin. An Friedels Erinnerungen und der damit verbundenen „biografischen Spurensuche“ des Künstlers, „die mit der Geschichte der DDR und ihrem Ende eine Reihe von Berührungspunkten aufweist“, habe der Bundestag teilhaben wollen, erklärte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert vor mehreren hundert Gästen anlässlich der Ausstellungseröffnung.

Friedels künstlerische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte treffe „sehr das Verständnis, das wir von der Kunstsammlung im Deutschen Bundestag und den Ausstellungen hier haben“. Kunst dürfe nicht nur stören, sie solle stören.

"Walhall der Nichtse"

Die ausgestellten Kopfskulpturen Lutz Friedels seien genau in jenem Zeitraum entstanden, auf den man im Gedenkjahr des Mauerfalls zurückblicke, so Lammert. Friedels „Walhall der Nichtse“ bilde einen „demonstrativen Kontrast zur Regensburger Walhalla, mit der man bedeutende Köpfe, bedeutende Persönlichkeiten assoziiert, bei denen klar ist, wer gemeint ist“. Bei Lutz Friedel sei „ausdrücklich nicht klar, wer gemeint ist“, so der Bundestagspräsident.

Kuratorin Kristina Volke fügte hinzu, mit seinem Gegenentwurf zur Regensburger Walhalla werfe Lutz Friedel die Frage auf, wer eigentlich Geschichte schreibe, das Volk der „Nichtse“ oder die „bedeutenden Persönlichkeiten“.

Kunst als Gegenöffentlichkeit in der DDR

Der Titel der Ausstellung „Möve auf Sirene - Vom Untergang der Titanic und anderem“ setze sich aus einem Zitat aus Friedels Tagebüchern und dem Titel eines Gemäldes von Lutz Friedel zusammen, das in der DDR nicht gehängt worden sei, schilderte Kristina Volke. In unmittelbarer zeitlicher Nähe dazu habe Friedel den Ausreiseantrag gestellt. Zitate aus Friedels Tagebüchern seien übrigens auch in einem Katalog zur Ausstellung zusammengestellt.

Kunst sei in der DDR ein wichtiger Verständigungsraum, „eine Gegenöffentlichkeit“ gewesen, die Frage der Grenzen habe sich immer wieder gestellt, so Volke. Auf diesen „Wirkungsraum“, auf diese „Selbstbefragung“ und das „Ringen, um Bleiben oder Gehen in der DDR“, wolle die Ausstellung aufmerksam machen.

Teilung schon vor dem Mauerfall überwunden

Die hier gezeigten Bilder mit den Titeln „Die Untertunnelung des Brandenburger Tores“ oder die „Zerlegung der Mauer vor dem Reichstagsgebäude“ bewiesen, dass Friedel die deutsch-deutsche Teilung in seinen Werken schon vor dem Fall der Mauer mit Fantasie überwunden habe.

Im Einklang mit der Mahnung des Bundestagspräsidenten, man dürfe sich den Umgang mit der Geschichte nicht so vorstellen, dass man „sortiert was gemütlich ist und aussortiert, was ungemütlich ist“, lenkte der Künstler Lutz Friedel in seiner Ansprache den Blick auf den bisweilen vergessenen Schrecken des Todesstreifens.

Vom Osten aus war die Mauer weiß

Im Gegensatz zum „Touristen-Fake Eastside-Gallery“ sei die Mauer nur vom Westen aus bunt gewesen, vom Osten aus jedoch weiß, erinnerte Friedel. Dies habe zwei Ursachen gehabt. „Die DDR wollte sich immer  sauber und übersichtlich geben“, so die eine Begründung. Vor allem aber sei auf der weißen Mauer die „Silhouette eines Menschen sehr gut zu erkennen und gut abzuschießen“ gewesen.

Die Ausstellung im Mauer-Mahnmal des Deutschen Bundestages ist noch bis Sonntag, 22. Februar 2015, jeweils von Dienstag bis Sonntag zwischen 11 und 17 Uhr geöffnet.   Der Eintritt ist frei, der Zugang erfolgt vom Schiffbauerdamm über die Freitreppe am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. (tk/26.11.2014)