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THE STATE ITSELF BECOMES A SUPER COMMUNE steht im Kontext von Liam Gillicks Auseinandersetzung zu den Entwicklungen von Produktion gegenüber Konsum in den sozialdemokratischen Staaten Europas. Als Ausgangsmaterial dienten ihm dabei brasilianische Untersuchungen, die sich mit innovativen Verfahrensweisen im schwedischen Autobau beschäftigen. Hiervon ausgehend entwickelte er eine Reihe von Szenarien, die nicht zu Abbildhaftem führen, sondern Rauminszenierungen vorschlagen, in denen über die Auswirkungen der Entfremdung des Kapitals nachgedacht werden kann.

Die Rede von experimentellen Produktionsmethoden, wie sie in den 1970er Jahren in Schweden aufkamen, gehört mittlerweile zur Standardrhetorik westlicher Industrien. Diese Ansätze veränderter Fabrikationsbedingungen sehen sich jedoch durch eine verstärkte Globalisierung der Produktion und durch zunehmendes Outsourcing bedroht. In seinem seit längerem in Arbeit befindlichen „Buch“ CONSTRUCCIÓN DE UNO entwirft Gillick ein Szenarium, in dem die Arbeiter einer stillgelegten Autofabrik im Norden Europas an ihren ehemaligen Arbeitsplatz zurückkehren, um dort über das Potential ökopolitischer Tauschsysteme sowie über alternative Produktionsmodelle zu diskutieren.

Die Ausstellung besteht aus einer großformatigen Textarbeit, die das Resultat eines solchen Denkprozesses verkündet, sowie einer Reihe von Aufbauten, die man als erste Vorschläge für eine mögliche Umnutzung ehemaliger Fabrikanlagen betrachten kann. Wie in vielen anderen Arbeiten Gillicks, die in jüngster Zeit entstanden sind, bündeln sich in dieser Serie von Werken, die parallel zu dem Potential eines kritischen Textes funktionieren, die wesentlichen Themen, auf die der Künstler sein Augenmerk richtet: die früheren Untersuchungen von Nicht-Orten, die unterschwelligen Auswirkungen einer angewandten Moderne, historische Versuche, kommunale Arbeitsmodelle anzuregen ohne dabei die klassischen Entwürfe des Kommunismus aufzugreifen, sowie die Diskrepanz zwischen Modernisierungsprozessen und dem kritischen Potential der Moderne selbst.

Eine neue Videoarbeit, die auf das Phänomen der Zeit eingeht, wird im kleineren Galerieraum vorgestellt. Ursprünglich handelt es sich dabei um das Video von zwei Kuratoren, um die Manipulation an einer großen elektronischen Uhr in Kassel zu dokumentieren. Durch die Installation einer Zeitschaltung wechselt die Uhr zwischen zwei Zeitangaben, der von 1810 und der von 1997, also der lokalen Zeit von Kassel, die bis zur Einführung der Zonenzeit, der UTC, für die Fahrpläne der Eisenbahn nötig wurde, Gültigkeit hatte. Der direkt mit einer Handkamera aufgenommene Film dieses präzisen Eingriffs wird zusätzlich verschlüsselt durch den unterlegten Sound. Diese Überarbeitung früher italienischer Musik reflektiert die Zeitangabe auf der Uhr im Film, 14:27, 14:28 und fügt eine zeitliche Ordnung in die chaotischen Bildsequenzen ein.