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Kris Martin Mandi VIII, 2006

Kris Martin hat eine der bedeutendsten Ikonen der Kunstgeschichte in die Galerie verladen. Er realisierte einen maßstabsgetreuen, authentischen Gipsabguss der Laokoon-Gruppe von Hagesandros, Polydoros und Athanadoros.

Der trojanische Priester Laokoon, wohl bekanntester Protagonist aus der griechischen Mythologie, warnte seine Mitbürger davor, das hölzerne Pferd als Geschenk der Griechen in die Stadt zu ziehen. Als Poseidon Laokoon und seine beiden Söhne durch zwei Schlangen töten liess, missachteten die Trojaner seine Warnung, zogen das Pferd auf ihre Burg und lösten damit den Untergang Trojas und die Niederlage gegen die Griechen aus. Die Marmorskulptur aus den Vatikanischen Museen fängt den Moment ein, in dem Laokoon und seine Söhne im Kampf mit den Schlangen um den Tod ringen. Was von Winckelmann mit „edler Einfalt und stiller Größe“ als Kennzeichen des gesamt-griechischen Kunstschaffens bewertet wurde, galt für seinen Kontrahenten Lessing als der „fruchtbare Augenblick“ im bildnerischen Ringen zwischen Leben und Tod. Martins Laokoon jedoch kämpft mit dem Nichts: die Schlangen in der sonst akribisch getreuen Nachbildung wurden nach dem Abguss entfernt. Mit Schmerz verzogenen und Angst erfüllten Gesichtern und Leibern kämpfen Vater und Söhne gegen den Zorn der Götter, eine nun unsichtbare Übermacht. Der tragische und in der Kunstgeschichte oft diskutierte Moment ist seiner Quelle und Ursache beraubt. Auch in der Materialwahl – von Marmor in Gips – nimmt der Künstler einen Werteverfall bewusst in Kauf und reiht unter Verzicht des überkommenen Titels seine Arbeit in die eigene Werkserie ein: Aus Laokoon wird Mandi VIII .

Kris Martins Eingriff in tradierte Kunstidole ist kühn, ironisch, vermessen, und zugleich voll eigener Poesie und Ernsthaftigkeit. Mandi VIII ist eine zeitgenössische Metapher auf kollektive Ängste vor Phänomenen und Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die sich nicht mehr klassisch personifizieren lassen. Martin hat den Topos Laokoon in den gegenwärtigen Alltag übertrag en, in dem sich der Zorn der Götter in vielfältigen neuen Gewändern zeigt. IBI SUM, 2007

Mit Hilfe aufwendiger Technik konstruierte Kris Martin eine Arbeit, die wie ein herkömmlicher Kompass funktioniert, jedoch ausschließlich und durchgängig nur die Position des Künstlers anzeigt. Welchen Weg IBI SUM auch gehen wird, ob es weiter ausgestellt, verliehen oder gekauft wird, Martin wird immer seinen jeweiligen Standort preisgeben. Das Werk ist eine (selbst)ironische Metapher auf den Kunstbetrieb, in dem der Künstler immer in einem gewissen Kontrollverhältnis zu Galerist oder Sammler steht. IBI SUM besitzen heißt, immer und über alle räumlichen und zeitlichen Grenzen hinweg Kontakt zu ihm halten und seine Position orten zu können. Andererseits ist es kein Kunstwerk, das sich förmlich greifen und an die Wand hängen lässt, ist ein konzeptueller Eulenspiegel-Streich in hoch technologischem Kostüm, der die weiteren Wege des Künstlers zwar verfolgen, sie jedoch nicht beeinflussen kann. Kris Martin macht sich selbst zum lebendigen, ingegrativen Bestandteil seiner Kunst, in deren Kontext er sich den Regeln unterwirft, die er selbst entworfen hat. Sein Kompass ist darüber hinaus Reflektion unser immer globalisierter, immer technisierter und vernetzter werdenden Gesellschaft, in der Entfernungen keine Rolle mehr spielen und Informationen in Sekundenschnelle abrufbar und austauschbar sind. Das menschliche Individuum verliert die Möglichkeit, sich zu verorten, seine Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit zu ziehen.

Kris Martins Kompass wird nach seinem Tod den Standort seiner Begräbnisstätte anzeigen. Er garantiert die Präsenz des Künstlers über seinen Tod hinaus und erfüllt damit auf absurde Weise einen Traum, den viele Künstler träumen.

Varda Caivano

Painting for me is a way of questioning images, where visible objects with a secret depth appear to reveal a kind of irrational truth. The paintings operate as a bridge, a transitional space that evokes an inner world. Varda Caivano

Varda Caivanos Bilder erinnern an einen tropischen Modernismus, zugleich aber auch an englische Landschaftsmalerei und Stilleben der 30er und 40er Jahre. Es sind subtile Bildsuggestionen, auf deren Oberfläche die Formen an der Schwelle zur Bestimmtheit verharren und gänzlich auf ihre Position vertrauen, die sich knapp an der Grenze zur Gegenständlichkeit manifestiert. Für Caivano ermöglicht Malerei die Begegnungen mit einer inneren Welt, die am Rande des Bewusstseins angesiedelt ist, und an das Geheimnis der Subjektivität an sich rührt. Caivanos Arbeiten sind Ausdruck einer kompromisslosen, jedoch sehr persönlichen Auffassung von abstrakter Malerei, die ebenso den kunsthistorischen Diskurs sucht als auch künstlerische Überlegungen zur einmaligen Wahrnehmung von Farbe, Raum, Textur, Volumen und Licht mit einbezieht. Felicity Lunn, Kunstverein Freiburg 2006

Eine weitere Solo-Show von Caivano wird am 1. Juni 2007 in der Chisenhale Gallery in London eröffnet. Ihre Arbeiten wurden u.a. gezeigt in der Thomas Dane Gallery, London (2007), im Kunstverein Freiburg (2006), 2005 bei Sies + Höke, der Kerlin Gallery, Dublin (2004), in London in der Victoria Miro Gallery, Keith Talent Gallery, MW projects und The Approach Gallery. Sie nahm 2005 an der Ausstellung Expainted Painting bei der Prag Biennale 2 in der Karlin Hall teil.

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Kris Martin / / Varda Caivano