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Julia Horstmann (geb. 1974) entwirft Raumkonstellationen, die Bedeutungsschichten architektonischer Raumkonzepte offen legen. Ihr Interesse gilt öffentlichen wie privaten Bauten, ihren sozialen und psychologischen Wirkungen, den zugrunde liegenden Konzepten und ihrer durch Architekturfotografie geprägten Wahrnehmung. Neben Scherenschnitt und Fotografie nutzt sie Wandzeichnung und freistehende Objekte, die sie zu einem Ensemble heterogener Elemente zusammenfügt, um so unterschiedliche Aspekte der Raumkonstellationen herauszuarbeiten und Raumbilder in Bewegung zu versetzen.

Mit der für den Kunstverein Braunschweig konzipierten Installation Zwischen den Wänden nimmt sie repräsentative Glasarchitekturen in den Blick: Spektakuläre Projekte wie die gläserne Fabrik in Dresden und die allgegenwärtigen, Glasfronten von Kaufhäusern, Kinos und Museen. Julia Horstmann untersucht die zeitgenössischen Phänomene und unterzieht sie einer Revision. Die Faszination für den Werkstoff Glas hat eine lange Geschichte, die eng mit Hoffnungen auf eine kulturelle Erneuerung verbunden ist: „Das Glas bringt uns die neue Zeit; Backsteinkultur tut uns nur leid.“ (Paul Scheerbart, für Tauts Glashaus, 1914)

Im letzten Jahrhundert waren es zunächst die Utopien des expressionistischen Dichters Paul Scheerbart und legendären Bauten wie Bruno Tauts Glashaus im Jahr 1914, die eine neue Architektur propagierten. Doch die Ästhetik des Glasbaus und die an sie gekoppelten, gesellschaftlichen Konzepte inspirierten nicht nur expressionistische Architekten zu utopischen Entwürfen, sondern setzten sich u.a. in Bauten Corbusiers fort und wirken bis in die heutige Zeit. Der expressionistische Formenkanon, der im Bild der mittelalterlichen Kathedrale als Weltbausstätte gipfelte, hat sein zeitgenössisches Echo in der Rede von Kathedralen der Industriekultur, Glaspalästen oder Konsumtempeln. Eben diese Erinnerungssplitter, fragmentarisierte, abgespaltene, verdrängte Vorstellungen, macht Julia Horstmann sichtbar. Sie kombiniert farbige Glasmosaike mit freien Durchsichten, kontrastiert Einsicht und Illumination, verquickt Innen und Außen, lässt Akteure flanieren und versperrt Wege. Wandzeichnungen, Diaschauen und Objekte sind Mittel der Neu- und Umdeutung tradierter Raumbilder. Sie entwirft so einen Bühnenraum, in dem die einzelnen Elemente Geschichten in Gang setzen, die den BetrachterInnen reflexive und vielschichtige Raumwahrnehmungen ermöglichen. Da der theatralisch inszenierte Raum BetrachterInnen in die Rollen von Akteur und Publikum zugleich versetzt lösen sich festgelegte Blickwinkel auf.

Zwischen den Wänden ist Julia Hortsmanns erste institutionelle Einzelausstellung. Weitere Arbeiten sind zur Zeit in der Gruppenausstellung Zidanes Melancholie im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld zu sehen. Julia Horstmann lebt in Berlin.

Zwischen den Wänden ist der zweite Teil der von Ursula Schöndeling kuratierten Ausstellungsreihe Staging – der Cuboid als Bühne und fokussiert architektonische Inszenierung unseres täglichen Lebensumfelds.

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Julia Horstmann
Zwischen den Wänden
Kuratorin: Ursula Schöndeling