press release only in german

Joseph Beuys (1921-1986) gehört zu den wichtigsten und folgenreichsten Künstlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Durch Aufsehen erregende Installationen und Aktionen wie beispielsweise „Honigpumpe am Arbeitsplatz“, „7000 Eichen“ oder das „Büro für direkte Demokratie für Volksabstimmung“ hat Beuys den Kunstbegriff nachhaltig geprägt und das utopische Potential jeder künstlerischen Tätigkeit untrennbar an den als Plastik begriffenen „Sozialen Organismus“ gebunden. Durch den „Parallelprozess von Kunst und Leben“ wurde jegliche akademische Trennung aufgehoben und die künstlerische Tätigkeit in das Spannungsfeld zwischen Alltag und Utopie integriert.   

Atelier

Von 1957 bis 1964 besaß Joseph Beuys sein Atelier im damals leer stehenden Klever Kurhaus, in einer Zeit, die künstlerisch als Scharnier zwischen seinem frühen, stark von seinem Lehrer Ewald Mataré beeinflussten Werk und dem bahnbrechenden Schaffen der 1960er und 1970er Jahre gilt. Nachdem Beuys das Atelier aufgrund seiner Berufung an die Düsseldorfer Kunstakademie verlassen hat, wurde das Gebäude in den 1980er Jahren saniert und die Räume alternativ genutzt. Als das Museum Kurhaus Kleve 1997 seine Pforten öffnete, befand sich in dem Gebäudeteil des alten Kurhauses das Archiv der Stadt Kleve. Als dieses aufgrund von Raumnot 2006 an einen anderen Standort wechselte, sah das Museum die Chance, die originalen Räume des Künstlers wiederherzustellen. Die Rückführung gelang in einem langwierigen Prozess und durch mannigfaltige Unterstützung im Zeitraum 2008 bis 2012. Seit September 2012 ist das rekonstruierte Atelier von Beuys wieder im Museum Kurhaus Kleve öffentlich zugänglich.   

Ausstellung

2016 ist der 30. Todestag und 95. Geburtstag von Joseph Beuys. Diese Jubiläen nimmt das Museum Kurhaus Kleve zum Anlass, um mit Objekten aus der Sammlung und mit Leihgaben eine Ausstellung zu realisieren, die sich zum ersten Mal rund um die originalen Räume auf die wichtigsten Werkgruppen präsentieren wird, die dort entstanden sind. Dabei werden symptomatische Werklinien verfolgt, die von den Anfängen bis zum Spätwerk reichen. Die Ausstellung „Joseph Beuys – Werklinien“ konzentriert sich auf mehrere Schwerpunkte, die eng mit dem Klever Umfeld dieser Jahre verbunden sind: dem „Büdericher Ehrenmal“, den Werken um Anacharsis Cloots und der „Straßenbahnhaltestelle“ sowie „4 Bücher Aus: Projekt Westmensch“.   

Büdericher Ehrenmal

Beim „Büdericher Ehrenmal“ handelt es sich um das einzige von Joseph Beuys im öffentlichen Raum zu Lebzeiten realisierte Monument. Beuys hatte 1955 bei einer öffentlichen Ausschreibung einen Entwurf für das Ehrenmal für die Gefallenen beider Weltkriege eingereicht. Im Mai 1957 erhielt er den Zuschlag – zu einem Zeitpunkt, als er sich auf dem Hof der Gebrüder van der Grinten von einer schweren Krise erholte. Um die Arbeit am Ehrenmal umsetzen zu können, mietete er sich Räume im leer stehenden Kurhaus an. Diese Phase markiert einen Neubeginn seines Schaffens. 1959 fand die Einweihung seines Ehrenmals im alten Kirchturm in Büderich statt. Für die Ausstellung 2016 werden zum ersten Mal überhaupt alle Teile dieses monumentalen Werks, unabhängig von ihrem Aufstellungsort, im Museum Kurhaus Kleve zu sehen sein – dem Ort ihres Ursprungs.   

Anacharsis Cloots und die „Straßenbahnhaltestelle“

Seit frühester Jugend war Joseph Beuys von der historischen Figur des Barons zu Cloots fasziniert, der im Umfeld der französischen Revolution als „Anacharsis Cloots“ nach Paris ging und sich dort als „Redner des Menschengeschlechts“ profilierte. Beuys empfand ihn deshalb als revolutionären Bruder im Geiste und nahm in seinem Werk immer wieder Bezug auf ihn, insbesondere auf sein heroisches Ende 1794 unter der Guillotine. Sein abgeschlagener Kopf begegnet späterhin in berühmten Installationen wie etwa der „Straßenbahnhaltestelle“ (heute Kröller-Müller-Museum, Otterlo), die er auf der Biennale in Venedig 1976 zeigte, oder auch in „Palazzo Regale“ (heute Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen), seinem letzten umfangreichen Werk, das heute gemeinhin als sein Vermächtnis gilt. Das diesen Installationen zugrunde liegende Unikat des Kopfes befindet sich als Leihgabe der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf im Museum Kurhaus Kleve und wird – neben der originalen „Straßenbahnhaltestelle“ aus dem Kröller-Müller-Museum, Otterlo – ein zentrales Element dieser Ausstellung bilden.   

4 Bücher Aus: Projekt Westmensch

Die „4 Bücher Aus: Projekt Westmensch“ bilden den dritten Schwerpunkt der Ausstellung. Das in ihnen enthaltene umfassende zeichnerische Werk erkundet Polaritäten wie Wärme und Kälte oder Form und Antiform, die für das spätere Werk von Beuys richtungsweisend geworden sind und für die hier ein dichter linearer Ausdruck gefunden wurde. In der Verschränkung von künstlerischen, wissenschaftlichen und sozialen Erwägungen findet Beuys hier eine erste gültige Form für sein komplexes Denken, das später in den „Erweiterten Kunstbegriff“ münden wird. Diese vier Bücher umfassen mehr als tausend Seiten und geben einen unmittelbaren Einblick in sein Schaffen über einen Zeitraum von sieben Jahren. Beuys selbst datiert die Kladden in das Jahr 1958.

Durch das Zusammenwirken der Schwerpunkte Skulptur, Zeichnung und Installation wird in dieser Ausstellung ein intensiver Einblick in das künstlerische Frühwerk von Joseph Beuys ermöglicht, das er am nun wieder zugänglichen Originalschauplatz des Klever Ateliers entwickelt hat.

Es wird das erste Mal nach über fünfzig Jahren sein, dass das Kreuz und die Tore des Ehrenmals von Beuys vom Alten Kirchturm in Büderich – nach deren Aufstellung im Jahr 1959 – in Kleve an ihrem Entstehungsort zu sehen sein werden. Die Ausstellung wird gefördert durch

Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen