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Einen „Lebendversuch" zu unternehmen bedeutet, etwas unter den realen Bedingungen des Lebens in Betracht zu nehmen. Der Ausstellungstitel verweist auf einen Kerngedanken von Jonas Burgerts Arbeit. Die Bilderzählungen des Berliner Malers erscheinen zwar fremdartig und rätselhaft, doch ihr emotionaler Subtext vermittelt sich unmittelbar. Burgert versteht es, die Spuren des Malakts auf oft übergroßen Leinwänden zu körperlich erlebbaren Menschendarstellungen von großer Eindringlichkeit zu verdichten.

Eigentümliche Charaktere wie Krieger, Bettler, Schamanen oder Harlekins bevölkern seine bühnenartigen Bildräume. Bisweilen haben sich Besucher in Alltagskleidung eingeschlichen, die darum ringen, das Geschehen zu begreifen. Bedeutungsgeladene Attribute wie Zielscheiben, Skelette, Lorbeerkränze oder Musikinstrumente, aber auch disproportionale Größenverhältnisse und Falschfarben rufen den Eindruck mythischer Tiefe und metaphysischer Transzendenz hervor. Die großen Menschheitsfragen nach dem Sinn von Leben, Liebe, Leid und Tod werden berührt, finden jedoch keine Antwort oder Beruhigung. Letztlich geht die Bilderzählung in einer höchst präzise durchkonstruierten und mit größter handwerklicher Raffinesse ausgestalteten Komposition auf. Seinen fleckigen und triefenden Farbauftrag lässt Burgert immer wieder nahtlos übergehen in die Darstellung von Farbspuren und Farbtöpfen. Damit macht er die Malerei zum Thema der Malerei, und zugleich gelingt ihm die Schaffung einer Symbolwelt von höchster Suggestionskraft.

Sein hohes handwerkliches Vermögen und seine Suche nach authentischen Ausdrucksformen machen Burgert zu einem der eigenständigsten deutschen Maler. Schon heute genießt er internationale Beachtung. Seine Werke sind in bedeutenden Sammlungen, etwa der Sammlung Falckenberg, der Sammlung Olbricht und der Logan Collection ver treten. Es kann als sicher gelten, dass ihm eine weit darüber hinausweisende Zukunftsperspektive beschieden ist. Somit kann die Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen auch in einer weiteren Bedeutungsvariante als Lebendversuch gelten. Die Person, die in Augenschein genommen wird, ist der Künstler selbst. Mitten in seinem rasanten Entwicklungsprozess widmet die Kunsthalle Tübingen dem 41-jährigen Künstler seine erste große Einzelausstellung in einem öffentlichen Ausstellungshaus. Insgesamt 38 Bilder von 31 Leihgebern aus Europa und Amerika wurden dafür zusammengetragen. Das größte Bild der Ausstellung misst vier mal sechs Meter und wird eigens für die Tübinger Ausstellung aus den USA eingeflogen.

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Jonas Burgert
Lebendversuch