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Der auf einem Bauernhof bei Itzehoe in Schleswig-Holstein aufgewachsene John Bock zählt zu den markantesten Künstlerpersönlichkeiten der mittleren Künstlergeneration. Seine künstlerischen Mittel sind außerordentlich vielfältig. Er setzt dem Betrachter einen immer wieder überraschenden Kosmos aus visuellen Eindrücken vor, der - gespickt mit Assoziationen verschiedenster Art - verschiedenste Stile und Arbeitsweisen mischt.

Ursprünglich hatte John Bock an der Universität Hamburg Wirtschaftswissenschaften und parallel dazu Kunst studiert. Wohl daher bezeichnet er die meisten seiner frühen Aktionen und Performances als Vorträge, die anfänglich dem Grundmuster von Lektionen zu Wirtschaftstheorien folgten. Sehr bald allerdings flossen Elemente eher künstlerischen Ursprungs ein. Bock karikierte, wie der Autor Jens Hoffmann feststellt, scheinbar hochgeistige Themen und deren irrationale Vergötterung. "In vielen dieser frühen Arbeiten verwendete Bock eine klassische grüne Schultafel und große Papierbögen oder einen Hellraumprojektor, um Diagramme über die Zusammenhänge zwischen Kunst und ökonomischen Theorien oder Gesetzen aufzuzeichnen. Allmählich benützte er jedoch immer mehr Objekte und schuf schließlich für seine Auftritte ganze Bühnenbilder, die immer komplexer wurden, bis die ursprüngliche Idee der akademischen Vorlesung schließlich ganz verschwand. … Er rückt dabei mit einem Koffer voller Requisiten in der Galerie an und entnimmt dem Koffer verschiedene Gegenstände, um damit völlig frei zu improvisieren. … Um 1989 herum begann Bock größere, immer kompliziertere Installationen zu schaffen, die vom Publikum auf verschiedene Weise genutzt werden konnten und nach seinem Auftritt meist als Zeugen im Ausstellungsraum verblieben. Angesichts der Diskrepanz zwischen bespielter Installationsbühne und leerer Kulisse begann Bock die meisten seiner Aktionen zu filmen und zeigte die Dokumentationen anschließend innerhalb der Installation. … Nach dieser ersten Verlagerung von der gesprochenen Performance zur Installation und schließlich zur filmischen Dokumentation seiner Live-Auftritte begann Bock sich intensiver mit dem Medium Film auseinander zu setzten. … Für seinen Beitrag zu "A Little Bit of History Repeated" [einer Veranstaltung in den Kunst-Werken Berlin im November 2001 , anlässlich derer Bock jüngere zeitgenössische Künstlerkollegen bat, klassische Performances nachzuspielen und neue Interpretationen dafür zu liefern], begann Bock die Beziehung zwischen Performance und Film … genauer zu untersuchen… ." (Jens Hoffmann, ars combinatoria, in: Parkett Nr. 47, 2003, S. 20f.).

Gast, eine Arbeit, die auf der Manifesta 5 in San Sebastian das erste Mal gezeigt wurde, steht in ähnlichen Zusammenhängen: Sie dokumentiert die Performance eines Hasen in einem von John Bock eingerichteten Raum, in der, gegen Ende des Filmes, der Künstler auch selber auftritt. Gast spielt an auf die individuelle Mythologie von Joseph Beuys, insbesondere auf die ebenso demonstrativen wie legendären Versuche, einem toten Hasen Kunst zu lehren. "Ein Hase", so Beuys, "versteht mehr als viele menschliche Wesen mit ihrem sturen Rationalismus. Ich sagte ihm, dass er die Bilder nur gerade ansehen müsse, um zu verstehen, was wirklich wichtig an ihnen ist. Der Hase weiß vermutlich besser als der Mensch, dass Richtungen wichtig sind."

Doch gibt es bei John Bock keine Spur Beuys'schen Heroismus bzw. seiner emphatischen Rhetorik. Bei ihm ist der Hase lebendig und vergnügt. Er bewegt sich in einem Wohnzimmer, im dem für Bock so typische Utensilien wie Stroh, Zahnstocher, Q-tips, Zahnpasta, Rasierschaum etc. zu einem surreal anmutenden Kosmos aus Installationen und Strukturen verwoben sind.

Begleitet wird dieser Film von einer ironisch-schamanistisch improvisierten Performance des Klavierspielers Bara, in der auch Zitate der Musik aus dem Film "Odysee im Weltraum" (Regie: Stanley Kubrik, 2001) anklingen.

Pressetext

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John Bock "Gast, 2004"
Digital Video / DVD, ca. 11:30 min
Kamera: John Bock, Marc Aschenbrenner
Schnitt: Marc Aschenbrenner
Courtesy: Klosterfelde, Berlin; Anton Kern, NY