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Jochen Schmith - Certain Arrangements

Ein Tulpenstrauß am Empfang - eine beiläufige Geste, mit der das Künstlerkollektiv Jochen Schmith auf die erste dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte verweist: die so genannte Tulpenmanie. Als die noch unbekannte Tulpenzwiebel Ende des 16. Jahrhunderts nach Holland kam, löste das exotische Gewächs einen regelrechten Tulpenwahn unter den Niederländern aus. In den 1630er Jahren waren die Preise für Tulpenzwiebeln explodiert und zum Teil um das Fünfzigfache gestiegen, sodass beispielsweise in Amsterdam ein Haus für drei Tulpenzwiebeln erworben werden konnte. Die Blase platzte 1637: quasi über Nacht fielen die Preise um über 95 Prozent. Tulpen auch auf einem in der Ausstellung präsentierten Gemälde: Es handelt sich um die Kopie der gestohlenen, von Interpol gesuchten Malerei „Blumen in einer Glasvase“ von Jan Brueghel d. Ä. (1568-1625), das Jochen Schmith in einem artist village in China reproduzieren ließ, wo Maler fließbandartig Gemälde als Auftragsarbeit anfertigen.

Das Künstlerkollektiv Jochen Schmith (Carola Wagenplast, Peter Hoppe und Peter Steckroth) geht der Frage nach Wertigkeiten auf unterschiedlichen Ebenen nach: Einerseits geht es um die Mechanismen, die Wert und Exklusivität etablieren, andererseits um die daraus folgenden Konsequenzen. Stets jedoch verhandelt Jochen Schmith Fragmentierungen von Wirklichkeiten oder Bildwelten, die eine Potentialität von Orten oder Dingen sichtbar machen.

Durch bestimmte Eingriffe visualisiert Jochen Schmith bauliche Veränderungen der geschichtsträchtigen, frühklassizistischen Villa Salve Hospes und bringt diese in ein Verhältnis zu heutigen gesellschaftlichen Konstruktionen: In den Räumen der großbürgerlichen Villa präsentieren sie unter anderem die ehemaligen Türknäufe einer zeitgenössischen Edelboutique. Kratzer auf deren Oberflächen zeugen vom zwanzigjährigen Gebrauch, von schweren Ringen an den Händen kaufkräftiger Kunden. Lichtprojektionen auf der Wand der Villa Salve Hospes verweisen auf ehemalige, mittlerweile verschlossene (Dienstboten-) Zugänge. Die antikisierenden Stuckstatuen in der Rotunde des Hauses Salve Hospes verhüllt Jochen Schmith mit Haute Couture - Kollektionsstoffen, enthüllt dadurch aber gleichsam ihren eigentlichen Zweck: die Repräsentation.

Zur Ausstellung erscheint in Kooperation mit kunstzeitraum, dessen Stipendiat das Künstlerkollektiv Jochen Schmith derzeit ist, ein umfangreicher Katalog mit Textbeiträgen von Yilmaz Dziewior, Jörn Schafaff und Hilke Wagner.

Christoph Dettmeier - Waitin' Around to Die

Der Wilde Westen ist überall! Der Installationskünstler Christoph Dettmeier (*1966 in Köln, lebt in Berlin) sucht und findet die endlosen Weiten der Prärie im Ruhrgebiet, in Detroit oder in Berlin. Einsame Industriebrachen übernehmen in seinen Arbeiten die Rolle der Ghost Towns. Sie bilden den Hintergrund für Schattenrisse einsamer Reiter oder Repoussoir-Figuren mit Cowboyhut.

Ob auf Fotos oder Collagen, in Skulpturen oder als Videohintergrund für seine skurrile Vortrags- und Gesangsperformance Die Stunde des Cowboys: Dettmeier inszeniert die Unorte so, dass sie surreal, vollkommen zeitlos und erstaunlich malerisch wirken. Obwohl im Vordergrund stets das Bildnerische steht, sind diese Fotografien zugleich auch eine Soziologie des Verfalls – atmosphärisch, melancholisch vielleicht, doch nie sentimental.

Die Orte sind austauschbar, ganz gleich, ob es sich um eine »Shrinking City« wie Detroit, eine wuchernde Megalopolis wie Istanbul oder eine innerstädtische Brachlandschaft in Berlin handelt. Die Filmbilder im Kopf des Betrachters laden die weiten Landschaften emotional auf und schließlich genügen einige wenige weitere Requisiten des Heldentums, die Dettmeier in seinen »Countrykaraokeshows« bietet – gespornte Stiefel, Johnny-Cash-Songs, Whisky oder Zigaretten – und der Mythos des Wilden Westens feiert fröhliche Urständ!

Zu den Ausstellungen in der Städtischen Galerie Remscheid und im Kunstverein Braunschweig ist im Hatje Cantz Verlag ein Katalog mit Textbeiträgen von Jörg Heiser, Hilke Wagner und Oliver Zybok erschienen.

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HAUS SALVE HOSPES

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Christoph Dettmeier - Waitin' Around to Die
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