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Die Baukunst Galerie eröffnet am Mittwoch, dem 18. April 2007 eine große Einzelschau mit Fotografien der lettischen Fotografin Inta Ruka. Matthias Harder, Kurator der Helmut-Newton-Stiftung in Berlin, wird eine Einführung in ihr künstlerisches Œuvre geben. In der ersten Ausstellung ihrer Arbeiten präsentierte die Galerie 2003 die Serie „My Country People“, mit der die Künstlerin Lettland auf der 48. Biennale in Venedig vertreten hatte. 2005 wurden in einer zweiten Schau Portraits aus der 2000 begonnen Serie „People I happened to meet“ und erste Arbeiten aus „Amalias Street 5“ gezeigt, an der Inta Ruka seit 2004 arbeitet. Die konsequente Weiterentwicklung und Ausgestaltung dieser letzten, in der lettischen Hauptstadt realisierten Serie steht im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung. Den Portraits werden erstmals menschenleere Interieuraufnahmen gegenüber gestellt, die einen Einblick in jenen Gebäudekomplex gewähren, der das Lebensumfeld der porträtierten Personen darstellt.

Inta Ruka zählt zu den bekanntesten, zeitgenössischen Fotografen des Baltikums. Die 1958 in Riga geborene Künstlerin erhielt 1998 ein Stipendium der Hasselblad Foundation, 1999 die „Spídola Award“ der Lettischen Kulturstiftung und 2002 ein Arbeitsstipendium der Villa Waldberta in Feldafing. Ein Jahr später wurde die Künstlerin von der Artist‘s Union of Latvia mit dem „Price of the Year 2003“ ausgezeichnet. Inta Rukas Œuvre ist bereits international in zahlreichen, bedeutsamen Ausstellungen präsentiert worden: 1991-93 wurden ihre Portraits unter anderem im Santa Barbara Museum of Art in Kalifornien, im Musée de l\'Elysee in Lausanne und auf einer Ausstellungstournee in verschiedenen Städten Kanadas gezeigt. 1993-94 folgten im Rahmen des Projekts „Das Gedächtnis der Bilder – Baltische Photokunst heute“ Ausstellungen in verschiedenen europäischen Städten. Die bereits erwähnte, exponierte Beteiligung an der 48. Biennale von Venedig 1999 machte ihren Namen endgültig über die Grenzen Lettlands hinaus bekannt. Im vergangenen Herbst widmete ihr das Photography Center Istanbul eine große Einzelausstellung. Bis Januar diesen Jahres waren ihre Fotografien neben Werken von Wolfgang Tillmanns, Boris Mikhailov u.a. in der Ausstellung “In the Face of History: European Photographers in the 20th Century” in der Barbican Art Gallery in London zu sehen. In Deutschland sind Inta Rukas Arbeiten in den Sammlungen des Fotomuseums im Stadtmuseum München und der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang in Essen vertreten.

Inta Ruka fotografiert seit über zwei Jahrzehnten die Menschen ihres Landes – von 1984 bis 2000 hauptsächlich in der ländlichen Region Balvi („My Country People“) und später zunehmend in der lettischen Hauptstadt Riga. Während sie in „People I happened to meet“ fremde Menschen bei zufälligen Zusammentreffen auf der Straße in ein Gespräch verwickelt und um ein Portrait bittet, konzentriert sie sich in der Serie „Amalias Street 5“ auf die Bewohner eines bestimmten Gebäudeensembles in Riga. Abseits der touristischen Altstadt mit ihren vollständig restaurierten Sehenswürdigkeiten bietet sie dem Betrachter einen unverstellten Blick auf die Um- und Aufbruchsituation in Lettland seit der Eingliederung in die EU. Innerhalb der ehemaligen Ostblockstaaten teilt sie diesen dokumentarisch-anthropologischen Ansatz mit Anatanas Sutkus und Boris Mikhailov und international mit ihren amerikanischen Kollegen Walker Evans und Dorothea Lange.

Aus der „Halbdistanz“ aufgenommen, ist auf ihren Portraits stets die jeweilige Umgebung zu erkennen. Auf diese Weise vermittelt Inta Ruka dem Betrachter Stück für Stück einen Eindruck von jenem Gebäudegeviert, das architektonisch reizvoll, jedoch stark verfallen ist und aufgrund der beschränkten, finanziellen Mittel nur langsam renoviert werden kann. Hier leben Menschen aller Generationen in äußerst beengten Verhältnissen zusammen – ganze Familien, wie z.B. die Kurovas, teilen sich ein einziges Zimmer. Daher dient der von Gebäuden umringte Hof als Refugium zum Arbeiten, Spielen und Kommunizieren. Über Jahre hinweg hat Inta Ruka eine ganz persönliche Beziehung zu den Bewohnern aufgebaut und plant nun, sich selbst in die Amalias Street 5 einzumieten, um den Alltag dort noch unmittelbarer zu erleben. Ihre tagebuchartigen Anmerkungen, die sie in der Ausstellung auf die Wand unter die Fotos geschrieben hat, unterstreichen ihre den Menschen emotional zugewandten Arbeitsweise. Fragmentarisch und konzentriert erzählen sie von der Lebensgeschichte, den Ängsten und Hoffnungen der Porträtierten.

Das Fotografieren ohne künstliche Lichtquellen und einer Rolleiflex von 1936 erfordert aufgrund der Notwendigkeit einer längeren Belichtung Zeit. Zeit, in der die Künstlerin ihren Modellen zuhört, mit ihnen gemeinsam eine stimmige Inszenierung findet und auf jene Momente stiller Offenheit wartet, in denen sie die Kamera vergessen. Auf diese Weise entstehen Portraits, die in ihrer zentrierten Kompositionsweise, brillanten Tiefenschärfe und Detailfülle an die späten Arbeiten von Diane Arbus erinnern. Durchschnittsmenschen und Außenseiter blicken mit dem gleichen gelassenen, selbstbewussten Gesichtsausdruck frontal in die Kamera. Dieser direkte Blick ins Auge des Betrachters verleiht den Portraits eine Unmittelbarkeit und Intensität, die nicht nur die äußere, sondern auch die innere Welt der Porträtierten spürbar werden lässt. Durch Inta Rukas Fähigkeit, den konkreten Situationen oder Stimmungen etwas zutiefst Menschliches und Archetypisches zu verleihen, entwächst ihrem geduldigen und einfühlsamen Arbeitsprozess ein unvergleichlicher Moment konzentrierten Lebens.

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Inta Ruka