Kunstsammlung Jena

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Der in New York lebende deutsche Künstler ist ein Grenzgänger zwischen den Disziplinen. Seine Beschäftigung mit neuen Medientechnologien, die Einbeziehung von Satellitenbildern, die kritische Hinterfragung globaler Probleme wie Migration, Umweltverschmutzung, Terrorismus und Klima (u.a.) weist ihn als „politischen“ Künstler aus. Doch Günther schafft keine Illustrationen einer bestimmten Programmatik. Er geht im Grunde konzeptuell vor und bringt seine „Inhalte“ immer auf überzeugende Weise in eine in sich stimmige und überzeugende ästhetische Form. Nach längerer Vorbereitung ist es nun gelungen, mit dem Künstler eine Verabredung über eine Ausstellungsplanung in Jena zu treffen und vor Ort über ein machbares Konzept zu sprechen. Günther ist international aktiv; darauf verweist die Liste der Ausstellungen und Projekte.

So erscheint beispielsweise Ingo Günthers Installation „Im Bereich der West-Wind-Welt“ wie eine Momentaufnahme der neuen weltpolitischen Lage Anfang der 90er Jahre, kurz nach Ende des Kalten Krieges. Zwei auf Vollmast gehisste Flaggen werden durch den Wind zweier Ventilatoren so bewegt, dass sie scheinbar aufeinander zuwehen. Die weißen Stoffbanner dienen dabei als Projektionsfläche für Videobilder. In anderen, neueren Videoinstallation thematisiert er das Desaster des Irak-Krieges und verwendet dazu vor allem jenes Maerial, welches die Aufklärungssatelliten dem Pentagon vorab lieferten. Ein anderes „Großthema“ Ingo Günther ist die „Flüchtlingsrepublik“. Egal ob neoliberale Wirtschaftspolitik, Kriege, Diktaturen usw. – es gibt seit vielen Jahren eine nicht anerkannte Bevölkerungsgruppe auf unserem Planeten: Die Flüchtlinge. Günther gründete eine imaginäre Flüchtlingsrepublik und publizierte in verschiedenen Ausstellungen die Brisanz dieses so gern vernachlässigten Themas.

Eines der sicher schönsten Projekte Günthers ist die Arbeit „World Processor “. Dabei handelt es sich um Globen, mit denen der Künstler seine Ansichten der Erde ins Bild rückt, die unsichtbaren Prozesse der Zivilisation und ihrer Folgen augenscheinlich macht. „... Im Jahre 1987 habe ihm eine auf Reisen gehende Freundin einen Globus zur Aufbewahrung gegeben, ganz so, wie man einen Freund bittet, auf den Hund aufzupassen, während man fort ist. Er habe sich in den Globus verliebt und ihn nie zurückgegeben. – sagt Günther.

Jeder Globus imaginiert ein eigenes Weltbild. Die Kriterien der Kartographie sind der Analyse und Recherche von Phänomenen abgewonnen, die unseren Planeten (in der Regel verdeckt für den gemeinen Blick) mitbestimmen: die Schuldenberge und ihre weltweite Verteilung, die Verbreitung von politischer Folter und Tötung, die Beherrschung des Globus durch die atomaren Gelüste der Großmächte (präzise Ökonomie der künst°©lerischen Arbeit: "Nuclear Desire" hieß eine riesige Installation mit 13 Monitoren, die Ingo Günther im Museum für zeitgenössische Kunst in Lyon 1987, in dem Jahr, als er sich den ersten Globus seiner Sammlung aneignete, aufbaute), aber auch Visualisierungen philosophischer Leitsätze wie des berühmten Anfangs aus Wittgensteins tractatus philosophicus: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ Der Bildseite gegenübergestellt, eher beiläufig am unteren Rand, sind markante faktologische Verweise, Kommentare, Quellenangaben für den Hintergrund der jeweiligen Erdball-Konstruktion. Aber auch aus dieser Regelmäßigkeit bricht Ingo Günther aus. Der Globus „Gold“ zum Beispiel glänzt gravitätisch alleine ganz ohne verbalen Zusatz. „...Materie ist Luxus. Luxus der Wenigen“.

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