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Seit Februar dieses Jahres zeigt das mumok unter dem Titel in progress. Werke aus der mumok Sammlung die Highlights seines Bestands der Moderne bis 1945. Ab 22. Mai wird der kunstgeschichtliche Parcours bis in die Gegenwart fortgesetzt. Auf drei Ebenen und in drei Teilen zeichnet in progress pointiert die Entwicklung der Sammlung mit herausragenden Arbeiten von 1890 bis in die jüngste Gegenwart nach. Der neu eröffnende zweite Teil der Sammlungsaufstellung richtet den Fokus auf die realitäts- und gesellschaftsbezogenen Kunstrichtungen der 1960er- und 1970er-Jahre – von Pop Art über Nouveau Réalisme bis zum Wiener Aktionismus. Die Kunst ab den 1990er-Jahren bis in die jüngste Gegenwart steht im Mittelpunkt des neuen dritten Teils der Ausstellung. Präsentiert werden Werke aus der Mediensammlung des mumok, die die Macht fotografischer und filmischer Bilder über dokumentarische „Wahrheiten“, Erinnerungs- und Geschichtsbildungsprozesse sowie die Vorstellungen von kulturellen Eigenheiten zur Diskussion stellen.

Von der Pop Art zum Wiener Aktionismus

Im zweiten Teil von in progress wird eine repräsentative Auswahl der großen historischen Sammlungsblöcke von Pop Art, Fluxus, Nouveau Réalisme und Arte povera bis zum Wiener Aktionismus gezeigt. Einleitend wird das Augenmerk mit Francis Bacons Man in Blue IV (1954) auf die Malerei gelegt, die sich von hier aus als Spannungsfeld zwischen Realismen und Abstraktion, zwischen Pop Art und Fotorealismus darstellt, in dem auch die großen MalerfürstInnen von Gerhard Richter über Robert Motherwell bis Maria Lassnig und Georg Baselitz ihren Platz finden.

Die mit den Sammlungen Hahn und Ludwig Ende der 1970er in das mumok eingegangenen Highlights reichen von Andy Warhol über Robert Indiana zu Roy Lichtenstein in der Pop Art sowie von Jean Tinguely zu Niki de Saint Phalle und Daniel Spoerri im Nouveau Réalisme. Neben den selten gezeigten Publikums-lieblingen Méta-Harmonie (1978) von Tinguely und Saint Phalles Tea Party, ou le thé chez Angelina (1971) sind auch alte Bekannte wie Jasper Johns’ berühmtes Target (1967–1969) und Andy Warhols Orange Car Crash (1963) unter den Werken.

Die bedeutende Rolle von Marcel Duchamp und John Cage für nachfolgende Generationen zeigen Arbeiten der Kunst nach 1960. Robert Rauschenberg, Friedrich Kiesler oder Robert Filliou orientierten sich maßgeblich an Duchamp. Um John Cage wiederum sammelten sich Künstler wie Mark Tobey, Nam June Paik oder Cy Twombly, dem die 2012 durch die Österreichische Ludwig-Stiftung erworbene Arbeit Ohne Titel (to Cy Twombly) (1972) von Dan Flavin gewidmet ist. Und schließlich ist auch einer der radikalsten und wichtigsten Beiträge Österreichs zur internationalen Avantgarde vertreten: der Wiener Aktionismus. Kontextualisiert durch Werke von Gina Pane und VALIE EXPORT stehen diese Arbeiten für eine allgemeine Tendenz zu neuen, körperbezogenen Kunstformen wie Happening und Performance ab den 1960er- und 1970er-Jahren.

Ergänzend werden in zwei Inseln einem breiten Publikum kaum bekannte grafische Blätter von Bruno Gironcoli, Dieter Roth, Joseph Beuys und anderen gezeigt.

Von der dokumentarischen zur fiktionalen Wahrheit

Der dritte Teil der Neupräsentation zeigt Hauptwerke der Mediensammlung des mumok. Kann man in der Pop Art, im Fluxus und im Nouveau Réalisme von einer Hinwendung zur Alltagsrealität sprechen, so kehrt diese in den jüngeren Arbeiten der Ausstellung in progress mit der Frage nach der Bedeutung des medialen Bilds für Dokumentation und Fiktionalisierung von Gegenwart und Geschichte wieder. Den historischen Ausgangspunkt hierfür bilden die mit größtmöglichem Neutralitäts-anspruch dargestellten Industriemonumente Bernd und Hilla Bechers, deren scheinbar objektiver Charakter für eine nachfolgende Generation von KünstlerInnen bald fragwürdig wird. So betont beispielsweise in den frühen 1990er-Jahren der US-Amerikaner Christopher Williams in einer siebenteiligen Umkreisung eines Schweizer Staudamms die Bedeutung von Blickpunkt, Licht und historischer Perspektive für die fotografische Wahrnehmung eines vermeintlich neutralen Industriemonuments, dem bereits der Filmemacher Jean-Luc Godard 1954 seinen ersten Film gewidmet hatte. Grande Dixence, Val de Dix, Switzerland, August 2, 1993 verweist in seiner geradezu filmischen Qualität auch auf Übergangsphänomene in der zeitgenössischen Kunst, bei denen Fotografie sich ihrer laufenden Schwester annähert oder Film zur Skulptur wird wie beim Sammlungsneuzugang Untitled (2009) von Nadim Vardag oder bei Florian Pumhösls Entwurf für einen Raum mit mehr als einer Videoprojektion (2001).

Die Installation des Österreichers ist zugleich eingebettet in eine thematische Gruppe von Werken von Andrea Fraser, David Goldblatt, Lisl Ponger und anderen, denen die Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Globalisierung, der Migration, des Kolonialismus und des Urbanismus gemeinsam ist. Während Pumhösl ein selektives Stadtporträt von Ugandas Hauptstadt Kampala zeichnet und dabei deren modernistische Grundlagen zur Sprache bringt , behandelt etwa der Südafrikaner David Goldblatt die kulturellen Bruchlinien und die Geschichte seines vom Apartheidregime geprägten Landes. Andrea Fraser stellt in ihrer 82-teiligen Fotoarbeit White People in West Africa (1989–1993) die Verhaltensmuster weißer TouristInnen aus westlichen Ländern dar und Lisl Ponger hinterfragt in Wild Places (2000) die Rolle von KünstlerInnen im Hinblick auf die westliche Aneignung fremder Kulturen und die damit verbundene Sehnsucht nach wahrer körperlicher Präsenz.

Die Arbeiten von Omer Fast sowie der Atlas Group rund um Mastermind Walid Raad führen von hier aus zurück zur Frage nach dem Einfluss medialer Bilder auf kollektive Erinnerung und Geschichtsbildung. Omer Fast widmet sich in seiner Videoinstallat-ion The Casting (2007) verschiedenen Formen der Fiktionalisierung und der medialen Inszenierung von privaten und politischen Ereignissen. Ähnlich gezielt setzt sich die Atlas Group in 100 Tafeln mit religiös motivierten Autobombenattentaten im Nahen Osten auseinander. Mit strategisch eingesetzten fiktiven Materialien untergräbt My Neck Is Thinner Than A Hair: Engines (2000/2003) jedoch die Autorität und Authentizität zeitgenössischer Geschichtsschreibung. In der drei Ebenen umfassenden Ausstellung gehen die BesucherInnen die 50-jährige Sammlungsgeschichte des mumok mit den ersten Ankäufen durch Werner Hofmann, dem Sammlungszuwachs durch die Schenkungen der Sammlungen Ludwig und Hahn sowie dem Schwerpunkt Neue Medien ab.

KuratorInnen Matthias Michalka, Susanne Neuburger Ausstellungsproduktion Katharina Schendl, Ulrike Todoroff Ausstellungsarchitektur KUEHN MALVEZZI

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in progress. Werke aus der mumok Sammlung
Neupräsentation der mumok Sammlung mit Hauptwerken der Kunst von 1890 bis in die jüngste Gegenwart

künstler: John De Andrea / Anna Artaker / Francis Bacon / Georg Baselitz / Bernd und Hilla Becher / Joseph Beuys / Günter Brus / John Cage / Destiny Deacon / Francois Dufrene / Don Eddy / VALIE EXPORT / Omer Fast / Robert Filliou / Dan Flavin / Alberto Giacometti / Bruno Gironcoli / Andreas Gursky / Richard Hamilton / David Hockney / Robert Indiana / Jasper Johns / Friedrich Kiesler / Pierre Klossowski / Maria Lassnig / Roy Lichtenstein / Manfred Montwe / Robert Motherwell / Otto Muehl / Hermann Nitsch / Nam June Paik / Gina Pane / A. R. Penck / Lisl Ponger / Florian Pumhösl / Walid Ra´ad – The Atlas Group  / Arnulf Rainer / Robert Rauschenberg / Gerhard Richter / Mimmo Rotella / Thomas Ruff / Niki de Saint Phalle / Julian Schnabel / Daniel Spoerri / Jean Tinguely / Mark Tobey / Cy Twombly / Nadim Vardag / Andy Warhol / Christopher Williams / Manon-Liu Winter / Gil Joseph Wolman ...

kuratoren: Matthias Michalka, Susanne Neuburger