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Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 steht kurz vor dem Anpfiff und wir haben jetzt schon genug von corporate WMania, Du-bist-Deutschland, RFID-Chips, friendly racism, Nation-Branding, Sicherheitswahn, public viewing-areas, übergroßen Kopfschmerztabletten, Beckenbauer, Blatter, Goleo und Flutschfinger in schwarzrotgold.

Die WM ist ein typisches Beispiel für eine Politik der Festivalisierung. Mit ihr werden temporäre Identitäten geschaffen, und mit einem massiven Aufgebot an Ressourcen und Diskursstrategien durchgesetzt Die Ereignisse konzentrieren sich nicht nur auf die wenige Wochen dauernde Veranstaltung selbst. Sie dienen von Beginn an als instrumentalisierter Werbeträger für eine Standortdemonstration. Mehr noch, mit einem solchen Spektakel der punktuell inszenierten Außeralltäglichkeit verbinden sich Strategie und Hoffnung, Standorte neu zu definieren und zu branden. Nach dem Event bleiben neben rasch alternden Logos und verstaubenden Broschüren jedoch nur geschröpfte Haushalte und leer stehende Ruinen (siehe Athen 2004 und demnächst z.B. Kaiserslautern). Die WM 2006 führt uns dies in größter Deutlichkeit vor Augen, und wir freuen uns jetzt schon auf den Schlußverkauf der nationalen Werbemittel. Die Ausstellung HEIMSPIEL versammelt künstlerische Positionen, die sich kritisch und ironisch mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 befassen. Die ausgestellten Arbeiten thematisieren die zunehmende Festivalisierung und Kommerzialisierung von sportlichen Großereignissen. Die neuen Kontrolltechnologien in Städten und Stadien werden analysiert und neoliberale Standort-Kampagnen im Kontext der WM kritisch hinterfragt.

Inhaltliche Eckpunkte der Ausstellung sind:

Sicherheit / Kontrolle Sportliche Großereignisse werden bewußt genutzt, um neue Überwachungstechniken zu testen und einzuführen. Besonders deutlich zeigt sich dies am Einsatz von RFID-Chips in den Eintrittskarten. Verschiedene Arbeiten thematisieren die neu entstehenden Kontrollregimes sowie Möglichkeiten von Subversion und Protest. Zu den Beiträgen zählen eine Video-Installation über die Sicherheitsbedrohung "Flitzer" von hybrid video tracks sowie eine Arbeit von Anke Hagemann über Zugangsregulierungen in Fußballstadien.

Nation-Branding / neuer Nationalismus Die „größte Nationalmannschaft der Welt“ und die Subjektivierung der Nation in der „Du bist Deutschland-Kampagne“ machen es deutlich: Die Konstruktion der Nation erlebt einen Relaunch. Die Nation wird zur Marke, für die man sich bewußt entscheidet. Damit stehen die Kampagnen im krassen Widerspruch zur ausgrenzenden Rechtspraxis in Deutschland und Europa. Die Installation „Friendly Racism“ der Künstlergruppe Heimspiel spürt diesen Paradoxien nach, die sich in die Alltagspraktiken der „Gastgeber“ und ihrer „Freunde“ schreiben und aus dem Produzieren und Konsumieren nationaler Symbole sprechen.

Skandal und Spektakel / Korruption und die Ökonomie der Subjekte Die Installation „Café König Fußball“ der Künstlergruppe Monochrom (Wien) hat sich als Darstellungskonzept die inhaltliche und formale Nähe von Fußball und Karneval als Gegenkulturformen der Machtlosen zueigen gemacht: Beide sind mittlerweile fest im bürgerlichen Repräsentationsraum verankert, und damit unschädlich gemacht. Sie domestizieren das Aufbegehren zum festgelegten Ritual. Eine Videoinstallation inszeniert das Sprechen über die theoretischen Implikationen des Falles um den Skandalschiedsrichter Robert Hoyzer als Büttenrede. Ergänzt wird diese Installation durch eine Aufbereitung von Informationsfetzen und deren Kommentaren in den nachgestellten Räumen des „Café King“, dem legendären Tatort eines drittklassigen Fußballkorruptionsskandals.

Festivalisierung / Neoliberale Standort- und Stadtpolitik Die Posse um die verbotene Skyline von Frankfurt bringt ans Licht, wie sehr das Bild des freundlichen Gastgebers auch eine Inszenierung zur Vermarktung der FIFA Sponsoren ist. Dem scheinbar ausweglosen Diktat des Mitspielen-Müssens der Stadtmarketingstrategen im Spannungsfeld zwischen Neuerfindung und Selbstleugnung widmen sich die Arbeiten der Gruppen city crime control (Bremen) und Wiebke Groesch / Frank Metzger (Frankfurt). In ihrer Arbeit „Hazyland“ entwirft city crime control eine neue Standortkampage für WM-Verliererstädte wie Bremen mit einer Dauersendung aus dem leeren Weserstadion. Das Video „Chroma City“ von Wiebke Groesch und Fank Metzger thematisiert die städtische Markenbildung über eine Auseinandersetzung mit der Illumination von urbanen Räumen, eine zunemend beliebte Strategie des Stadtmarketing. Bei dieser Form der Leuchtreklame ist die Stadt selbst das beworbene Produkt. Sie wird zum Objekt im Schaufenster des globalen Wettbewerbs. Der durch das Licht geschaffene Schein von Urbanität, Sicherheit und Lebensqualität ist jedoch nicht mehr als ein kosmetischer Eingriff, eine ästhetische Verpackung um kaufkräftige Kundschaft zurück in die an Anziehungskraft verlierenden Innenstädte zu locken.

Devianz / Protest „Du bist Deutschland, ich bin einkaufen!“ „Die WM kommt, wir gehen!“ Mit Techniken der Verweigerung befasst sich Fefzak, eine Kunstfigur auf der Flucht vor den Fängen des Spektakels.

KünstlerInnen: monochrom, city crime control, Wiebke Groesch / Frank Metzger, hybrid video tracks, Fefzcak, Anke Hagemann, Helmut Huber, Christoph Ziegler, Gruppe Heimspiel u.a.

Im Rahmen von HEIMSPIEL findet in der NGBK neben einer Reihe von begleitenden Veranstaltungen auch vom 23.-25.6. die internationale wissenschaftliche Fachtagung „Policing Crowds – Privatizing Security“ statt, die in Zusammenarbeit mit der FU Berlin und anderen Einrichtungen durchgeführt wird. Die Beiträge befassen sich mit der kriminalpolitischen Dimension von Sport- und anderen Großveranstaltungen sowie mit dem im Wachstum begriffenen kommerziellen Sicherheitsgewerbe und der zunehmenden Technisierung von Sicherheit und Kontrolle in der neoliberalen Stadt. Zu den Referenten zählen: George Rigakos (The New Para-Police, 2003), Richard Guilianotti (Football Culture: Local Conflicts, Global Visions, 2006), Roy Coleman (Reclaiming the Streets: Surveillance, Social Control and the City, 2004), Nik Theodore (Spaces of Neoliberalism, 2002) u.a. Die Veranstaltung findet englischsprachig statt, eine Anmeldung ist aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl nötig (Teilnahmegebühr 20 Euro). Weitere Informationen unter www.policing-crowds.org.

Weitere Veranstaltungen und Informationen entnehmen Sie bitte der website: www.heimspiel-2006.de oder www.ngbk.de.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der im Format eines Billigheftchens wissenschaftliche, journalistische und literarische Beiträge zum Themenkomplex Standort-Sport-Spektakel versammelt.

Pressetext

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Heimspiel
Standort – Sport - Spektakel
Ausstellung, Katalog und Rahmenprogramm

KünstlerInnen: monochrom , city crime control , Wiebke Grösch / Frank Metzger, hybrid video tracks , Fefzcak , Anke Hagemann, Helmut Huber, Christoph Ziegler, Gruppe Heimspiel ...

www.heimspiel-2006.de