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Die Ausstellung von Heimo Zobernig in der Galerie Meyer Kainer war in anderer Form unter dem Titel wood painting schon in der Kunsthalle Malmö (Schweden) zu sehen. In Malmö war Zobernig auf die Architektur und Historizität der Kunsthalle eingegangen: Seine neue skulpturale Serie reflektierte die ikonische bauliche Struktur der Kunsthalle und inkludierte die umgelegten temporären Einbauten der vorangegangenen Ausstellung von Joan Jonas; mit dem Titel zitierte Zobernig ein Theaterstück "Trämålning" (Wood Painting) von Ingmar Bergman für dessen Studenten im Malmö Stadttheater, welches er 1957 unter dem deutschen Titel Das Siebente Siegel verfilmte, in dem ein Ritter mit dem Tod im Schachspiel um den Aufschub seines Sterbens spielt.

Heimo Zobernig stellte paarweise Scherenpodeste in den Raum, auf deren Holzplatten er Decken mit schwarz-weißem Schachbrettmuster auflegte. Der durchgestrichene Schriftzug des Titels wood painting war nicht nur Hinweis darauf, dass es sich nicht um vermeintliche wood paintings (dt. Holzschnitte) handelte, sondern sollte vor allem auf die Intention deuten, dass die gemusterten Decken auf den Holzplatten einer Malerei auf Holzgrund gleich kommen. Die Exponate sollten zum Verweilen einladen und als Sitz- oder Lagerplätze dienen, den Betrachter selbst ins Bild setzen. In der Galerie Meyer Kainer erscheint die Ausstellung in einem anderen Licht. Losgelöst vom sehr spezifischen lokalen Kontext in Schweden präsentiert sie sich nun in der Neutralität des White Cube. Die dem Schachbrettmuster zugrunde liegende Rasterstruktur gilt in der bildwissenschaftlichen Theorie als emblematische Absage an die figürliche und illusionistische Malerei im 20. Jahrhundert, denn in ihr sind die Kriterien, die spätestens seit der Renaissance die vorherrschenden der Malerei waren, die Prinzipien von Figur auf Grund, Vorder- und Hintergrund, aufgehoben. Das quadrierte Bildfeld steht für eine radikale Rationalisierung des Raums, in dem narrative Komponenten durch mathematische, rein abstrakte ersetzt sind. Der ikonische Logos ist entmythologisiert. Zobernig beschäftigt sich seit 2000 kontinuierlich und intensiviert mit dem Raster, aktiviert und aktualisiert in seinem Werk den theoretischen Diskurs um diesen immer wieder aufs Neue mit unterschiedlichen Materialien und Verfahrensweisen. Insbesondere wenn Zobernig Klebebänder einsetzt, erhält die Problematik eine zusätzliche Tragweite. Denn letztlich verweist er darin auf Mondrians Gitterbild New York City 1 von 1941, bei dem anstelle von Farbe farbiges Klebeband verwendet worden ist und das zu dessen Tod unvollendet geblieben war, aber (im K20 in Düsseldorf) dennoch mit den Klebebändern als abgeschlossenes Werk präsentiert wird. Zobernig setzt somit in seinen geklebten Gittern auf flachem oder plastischem Grund die kritische Betrachtung über den „realen“ Raum und das „reale“ Material sowie die Frage nach der Vollendung eines Werks fort. In der Verwendung des Schachbrettmusters verdichtet sich die Thematik. Anlässlich des Grand Prix in Monaco 1994 war eine Zusammenarbeit von Franz West und Heimo Zobernig ausgestellt, eine Assemblage bestehend aus zwei leeren Dispersionsfarbeimern mit Materialresten (ein Abguss in Bronze war intendiert) auf einem von Heimo Zobernig gestalteten schwarz-weiß quadrierten Podest. Die Anspielungen auf den Siegerpokal und die markante karierte Zielflagge des Grand Prix sind zugleich lapidar wie evident und konkretisieren die Problematik des autonomen und abgeschlossenen Kunstwerks. Eine andere Referenz des Schachbrettmusters weist auf den rationalistischen Geist der Aufklärung, zitiert es doch deren typische schwarz-weiße Fußböden; ein Motiv, das auch dann hervortritt, wenn Zobernig eine solche Musterung am Boden (Artforum Berlin, 2007) oder an den Wänden (David Pestorius Project, Pestorius Sweeney House, Brisbane, Australien, 2015) anbringt und so abstrakte Malerei auf die Raumgrenzen expandiert.   

Die Decken auf den Bühnenpodesten in der Galerie Meyer Kainer referieren diese Zusammenhänge um das Schachbrettmuster. Die Platzierung der Decken bewirkt einen theatralisch schwebenden Effekt, der die Komponente geometrische Malerei und ihre theoretische Verweigerung narrativer oder illusionistischer Gesetzmäßigkeit hervorhebt. Die Decke als Textil erinnert zudem an das Kostüm des Harlekins, der sich ebenfalls von Reglements freispielt, nämlich von jenen der gesellschaftlichen Ordnung. Die stoffliche Materialität der Decken d.h. ihre haptische Qualität erlaubt allerdings eine Gegenläufigkeit des rational dominierten Diskurses. Vor allem in den Drapierungen wird das puristische System der orthogonalen Koordinaten gestört, der entrückte Abstraktheitsgrad des Schachbrettmusters wird in den Wölbungen und Höhlungen dem sinnlich Malerischen rückgeführt. Der kühlen Distanz der geometrischen Struktur ist mit subversiver Beiläufigkeit ein aufreizendes Moment zur taktilen Wahrnehmung entgegengesetzt. Decken und Bühnenpodeste bilden skulpturale Einheiten und damit eine Sprengung der generellen Begrifflichkeit von Malerei sowie deren Verschränkung mit dem Medium Skulptur. Als skulpturale Anordnung bewegen sie sich in einem offenen Feld zwischen Zeichencharakter und Objektcharakter. Der neutrale Galerienraum wandelt sich zu einem vieldeutigen Ort des Geschehens. Nicht nur, dass Malerei, Skulptur und Architektur gleichermaßen ausgestellt sind, sondern in der Ambivalenz zwischen Funktion und Repräsentation wird genauso der Vollzug durch die BetrachterInnen gefordert. Denn Zobernigs Idee der Verwendung von Podesten und Schachbrett–gemusterten Decken ist, die Figur auf die quadrierte Bildfläche zu holen. In den Personen der BesucherInnen auf den Exponaten ist der Malerei–theoretische Verlust der Figur aufgehoben und das ursprüngliche Prinzip von Figur auf Grund wiederhergestellt. Insofern hat Zobernig die Frage nach der Vollendung des Werks nicht nur wieder eingebracht, sondern pointiert an die BesucherInnen weiter gespielt.   

Margareta Sandhofer