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Hannah Blacks Personale im mumok übersetzt grundlegende Fragen der Gruppenausstellung WOMAN. Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre aus der SAMMLUNG VERBUND (6. Mai bis 3. September 2017) in die Gegenwart.

Die in Manchester geborene, in Berlin und New York lebende Künstlerin rückt in ihren Arbeiten die eigene Körperlichkeit mit den an sie geknüpften sozialen Reglementierungen in den Vordergrund. Ausgehend von radikal feministischen Ansätzen, Marxismustheorie und Critical Race Theory reflektiert ihre künstlerische Praxis, wie sich soziale und globale Entwicklungen in den Körper einschreiben. Der Körper wird zur Falle für die ausweglose Festlegung auf gesellschaftliche Rollenbilder.

Blacks besonderes Interesse gilt Überschneidungen und Pattsituationen zwischen gesellschaftlichen Zwängen, erfahrungsbezogenen Darstellungen von Realität, Weltgeschichte und persönlicher Geschichte. Dazu kombiniert sie autobiografische Momente mit theoretischem Material. Vermittelt werden diese Elemente über eine zeitgenössische Bildsprache aus Celebrity Culture, Popsongs und Google-Bildersuchen. Während die Künstlerin ihren Fokus in der Vergangenheit oftmals auf das Äußere – u. a. Hautfarbe, Alter, Geschlecht – und die daraus entstehenden Hindernisse gerichtet hat, entwickelt sie für das mumok nun eine neue Videoarbeit, in der die kleinste Einheit lebender Organismen und der Träger von Erbinformationen im Mittelpunkt ihres Interesses steht: die biologische Zelle.

Eine mehrkanalige Videoinstallation verweist auf die politischen Implikationen vermeintlich biologischer Gewissheiten. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die biologische Bestimmung des Geschlechts und die von Simone de Beauvoir über Monique Wittig bis zu Judith Butler reichende Debatte über seine soziale Konstruktion. Der Titel der Personale – Small Room – spielt mit der ambivalenten Bedeutung, die das Wort „Zelle/Cell“ im Deutschen wie im Englischen hat: einerseits eine biologische Zelle, andererseits eine Gefängniszelle. Beiden Bedeutungen hängt etwas Klaustrophobisches an. Auf Basis der einzelnen Zelle – des „Einzelzimmers“ – konfrontiert uns Black spielerisch mit der Frage, was Leben sein kann.

Die Zelle dient in Blacks neuer Arbeit als eines der markantesten Beispiele für die Schwierigkeiten der Biologie, die Grenze zwischen Leben und Tod zu ziehen. Auf molekularbiologischer Ebene wird deutlich, dass die Bestimmung von Leben oder Nicht-Leben ein mit allen Mitteln der Wissenschaft umkämpftes Terrain ist. Black entkräftet die von der zeitgenössischen Biologie vertretene Ansicht scheinbarer Neutralität und Indifferenz der Vorgänge in einer Zelle als purem Leben.

Sie bedient sich hierfür der Metapher der Zelle als Fabrik, wie sie bis heute in Kinderserien ebenso verwendet wird, wie in wissenschaftlichen Abhandlungen. Auf mehreren Screens vergleicht Black die biologische Zelle, dieses präzise, für das menschliche Auge unsichtbare Uhrwerk ganz buchstäblich mit der Geschichte tatsächlicher Fabriken, jenen Sinnbildern der industriellen Massenproduktion mitsamt ihrer Bedeutung für den Siegeszug des Kapitalismus und die soziale Kontrolle über das Individuum.

In dieser populärwissenschaftlichen Analogie entpuppt sich die in der Biologie als scheinbar unschuldige Produktionsstätte dargestellte kleinste Einheit lebensfähiger Organismen als ein ebenso bedeutendes Instrument sozialer Herrschaft wie die hochtechnologisierten Stätten industrieller Warenerzeugung.

In einer Publikation, die begleitend zur Ausstellung erscheint, überführt Black ihre Ideen gemeinsam mit der US-amerikanischen Künstlerin und Musikerin Juliana Huxtable in ein Science-Fiction-Szenario zur nahenden Apokalypse. Ausgehend vom Wikipedia-Eintrag „Leben/Life“ entwickeln die beiden Künstler_innen eine Erzählung über zwei Risikoanalytiker, die aus dem Ruhestand zurückkehren, um einen drohenden Weltuntergang zu verhindern.

Am Abend der Ausstellungseröffnung präsentiert Hannah Black in Zusammenarbeit mit DJ und Künstlerin Bonaventure (Soraya Lutangu) eine endzeitliche Performance.

Hannah Black ist Schriftstellerin, Künstlerin, Theoretikerin und Filmemacherin. Ausstellungen u. a. bei Bodega (New York), Arcadia Missa, Legion TV (London), Chateau Shatto (LA) und W139 (Amsterdam); Performances und Lesungen im New Museum, bei Interstate Projects und Cage (New York) sowie bei The Whitechapel, The Showroom und im Café OTO (London); Veröffentlichungen u. a. in The New Inquiry, Texte zur Kunst und frieze d/e.

Juliana Huxtable untersucht in ihrer Arbeit die Schnittstelle von Rasse, Geschlecht, Queerness und Identität. Sie setzt dafür unterschiedliche Mittel und Medien ein, beispielsweise Selbstporträts, textbasierte Prints, Performances, Musik, Texte, Soziale Medien oder das Nachtleben selbst. Huxtable kritisiert bestehende soziale Normen und kategorische Grenzziehungen und zeigt stattdessen abweichende, hoffnungsvollere Wege auf. Huxtables Arbeit wurde u. a. in Gruppenausstellungen im MoMA PS1, bei White Culumns, dem Whitney Museum of American Art, dem New Museum of Contemporary Art (New York) oder bei den Frieze Projects (London) gezeigt. Sie lebt und arbeitet in New York.