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Die international angelegte Ausstellung GREY ZONES befasst sich mit dem wechselseitigen Austausch zwischen KünstlerInnen der frühen Postmoderne, die aus der Zeit der totalitären Regierungen in Mitteleuropa in den 1970er und 1980er Jahren hervorgegangen sind (Ion Grigorescu, Sanja Iveković, Jiří Kovanda, Józef Robakowski, Mladen Stilinović), und einer jüngeren KünstlerInnengeneration, die auf Spezifika jener Zeit und deren kulturelle Verarbeitung eingehen (Oskar Dawicki, Michal Moravčík, Tomo Savić Gecan, Kateřina Šedá).

Welche Position hatte die zeitgenössische Kunst unter den totalitären Regimes in den 1970er und 1980er Jahren? Wie wurde die Welt durch die Kunst wahrgenommen? Wo findet man Anknüpfungspunkte zu der vorhergehenden Entwicklung künstlerischer Formen? Wo kann man wiederum künstlerisch innovative Ansätze zeigen? Letztendlich: Welches waren die Spezifika des künstlerischen Schaffens in diesem totalitären sozialistischen Milieu? Dies sind nur einige der Fragen, die zur Analyse der mimetischen künstlerischen Arbeiten im Sinne einer Annäherung bzw. Angleichung an gesellschaftliche Verhältnisse führten, die in erster Linie die totalitären sozialistischen Regimes und deren Reflektion in den künstlerischen Arbeiten zum Gegenstand haben.

Zweifellos war die frühe postmoderne bildende Kunst unter dem Einfluss der totalitären Regimes Mitteleuropas eingekeilt zwischen den widersprüchlichen Prozessen der globalen Integration und der lokalen multikulturellen Ausrichtung. Künstlerische Konzepte entstanden natürlich aus besonderen Situationen heraus; in jedem Fall mussten sie, wenn sie ihr Publikum finden wollten, diese persönlichen Ausgangspunkte in einem breiteren Kontext verständlich gestalten, aber im gleichen Moment in - von den ideologischen Schemata der politischen Macht bis zu einem gewissen Grad unabhängige - Kommunikationsformen umwandeln. Obgleich sich die KünstlerInnen, die die zwiespältige Situation der 1970er und 1980er Jahre in ihren Arbeiten reflektierten, der tiefen Krise der mimetischen künstlerischen Arbeiten bewusst waren, erzählten sie weiterhin von den gesellschaftlichen Verhältnissen oder vielmehr visualisierten sie. Sie bewahrten den mythologischen Charakter, während sich diese Mythen selbst radikal veränderten. Es gab nicht mehr die traditionelle universelle archetypische Parabel, sondern es waren neue Metaphern in Verbindung mit subversiven kulturellen Prozessen oder mit der für bestimmte soziale und politische Bereiche signifikanten Neudefinierung von Systemen und Regeln.

Etwas übertrieben könnten wir sagen, dass die frühe postmoderne Kunst sich selbst oder vielleicht die Diskussion über sich selbst mythologisiert hat. Diese anthropologische Widerspiegelung bildender Kunst hatte ihre Wurzeln in der modernistischen Auffassung von der Erforschung der formalen Grenzen eines Kunstwerkes. In jedem Fall war jedoch der Modernismus eine reiche Quelle an Geschichten, die auf eine neue Art und Weise gelesen werden mussten, um ihr kulturelles und soziales Potenzial zu rekultivieren und zu reaktivieren.

Die Diskussion über Grenzen künstlerischer Gestaltung und Grundsätze der visuellen Kommunikation selbst ermöglicht uns, die Offenheit ästhetischer Strukturen auf Entwicklungen anzuwenden, die gegensätzliche, in jedem Fall aber wechselseitig miteinander verflochtene soziale Prozesse darstellen. Diese Diskussion über Grenzen zwischen modernistischer ästhetischer Gestaltung und den Grundsätzen postmoderner visueller Kommunikation gaben den spättotalitären soziokulturellen Prozessen der 1970er und 1980er Jahre einen absurden Charakter.

Nach dem Zerfall der mitteleuropäischen totalitären Regimes Anfang der 1990er Jahre wiesen die Arbeiten der neuen KünstlerInnengeneration für eine gewisse Zeit den Einfluss neuer Themen und Ausdrucksmittel auf, verbunden mit der Erfahrung sozialer, politischer und kultureller Integration der mitteleuropäischen posttotalitären Welt in die globalisierte euro-amerikanische Gesellschaft. Doch bereits am Ende des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts konnte man ein neu erwachtes Interesse an den kulturellen und künstlerischen Spezifika der 1970er und 1980er Jahre beobachten. Junge SchriftstellerInnen widmen sich nun vor allem den subversiven Formen des für die Zeit des Totalitarismus so typischen sozialen Eingebundenseins. Charakteristisch für diese KünstlerInnen wird eine absichtliche Distanz zum von den Kunstinstitutionen gesteckten Rahmen, Kritik an den posttotalitären Sozialmodellen und ein Streben nach unpathetischen direkten Kommunikationsformen zwischen dem Kunstwerk und seiner spezifischen sozialen Umgebung.

Die Präsentation der frühen postmodernen Kunst der totalitären Ära und ihre Neudefinition aus Sicht der derzeitigen posttotalitären KünstlerInnen ist deshalb nicht nur eine Möglichkeit, den Blick auf die Entwicklung der Bildenden Kunst in Mitteleuropa während der letzten Jahrzehnte zu erweitern, sondern sie kann ebenso einen Beitrag zur Wissenserweiterung über ihre unterschiedlichen historischen und sozialen Traditionen leisten.

Oskar Dawicki (Warschau), Ion Grigorescu (Bukarest), Sanja Iveković (Zagreb/Berlin), Jiří Kovanda (Prag), Michal Moravčík (Bratislava), Józef Robakowski (Lodz), Tomo Savić Gecan (Zagreb/Amsterdam), Mladen Stilinović (Zagreb), Kateřina Šedá (Brno), Kurator: Michal Koleček

Die Ausstellung GREY ZONES ist Teil des Projektes dagegendabei, das von folgenden Institutionen organisiert wird: Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig Jan Evangelista Purkyně Universität Ústí nad Labem Forum Stadtpark Graz

Das Projekt dagegendabei wird durch das CULTURE 2000-Programm der Europäischen Union unterstützt.

Pressetext

only in german

Grey Zones
kuratiert von Michal Kolecek

mit Oskar Dawicki, Ion Grigorescu, Sanja Ivekovic, Jiri Kovanda, Michal Moravcik, Jozef Robakowski, Tomo Savic-Gecan, Katerina Seda, Mladen Stilinovic